My usual readers may excuse me writing in German, but I am writing at present a history of the beginnings of Christianity for a German publisher, hence, the text that follows as an extract from this book is in German. I hope that, once the book is published, there will follow an English translation.
Der Titel der Sammlung „Neues Testament“, der griechisch καινὴ διαθήκη und lateinisch novum testamentum lautet stellt ein spezifisches Problem dar, das verknüpft ist mit diesem Sprachgebrauch, weil sowohl im Griechischen wie im Lateinischen diese Begriffe nicht nur als Übersetzung des Titels dieser Sammlung von Schriften steht, sondern auch geprägt ist durch die Septuagintaübersetzung der hebräischen Bibel, in welcher διαθήκη für den „Bund“ (brit) steht, den Gott mit den Menschen geschlossen hat. Mehr noch, das Griechische wie das Lateinische „Testament“ kann für die erbschaftsrechtliche Verfügung im ganz allgemeinen Sinne benutzt werden,[1] wie es etwa auch in Gal. 3,15.17 und Heb. 9,16f. der Fall ist. Theodor Zahn verwies bereits darauf, dass „διαθήκη in der Bibel den von Gott gestifteten Bund (bezeichnete), die von Gott der Gemeinde gegebene Ordnung ihres Verhältnisses zu ihm, und καινὴ διαθήκη eine der Endzeit vorbehaltene, durch Christus gestiftete Neuordnung dieses Verhältnisses, als nicht Offenbarungsurkunde, sondern Offenbarung“ meinte.[2] Bevor man also in den Schriften, auch des Irenäus, den terminus technicus für den Titel vorzufinden glaubt, muss man erst prüfen, ob nicht einer der älteren Inhalte nicht im Sinne von schriftlichen Urkunden, sondern von Ordnung und Bund gemeint ist, und wenn ein Schriftstück bezeichnet zu werden scheint, ob es auf eine Erbschaftsanordnung geht, oder wirklich die Sammlung von Schriften bedeutet wird.[3]
Für Irenäus gibt es die beiden „Testamente“.[4] Bei der Diskussion des Liebesgebotes verweist Irenäus darauf, „dass die wesentlichen Gebote für das Leben in beiden Testamenten dieselben sind und auf denselben Herrn verweisen, der zwar die Einzelgebote den Umständen beider Testamente angepasst hat, als die wichtigeren und höchsten Gebote aber, ohne die man nicht erlöst werden kann, in beiden Testamenten dieselben gegeben hat“.[5] Und an späterer Stelle betont er, „dass es zwei Synagogen in zwei Völkern gab und dass es trotzdem ein und derselbe Gott ist, der sie beide zum Nutzen der Menschen eingerichtet hat; dementsprechend wurden die Testamente denen gegeben, die zum Glauben an Gott kamen ... Außerdem auch, dass das erste Testament weder unnütz noch vergeblich oder zufällig gegeben worden ist“.[6]
Auffallenderweise setzt Irenäus die beiden Testamente an der ersten Stelle gleich mit „Gesetz“ (lex) und „Evangelium“ (evangelium) und an der zweiten mit „erstem Testament (prius testamentum) und „Evangelium“. In einem anderen Kapitel wird deutlich, dass Irenäus auch die Schriften des Paulus zum Neuen Testament hinzuzählt.[7] An einer weiteren Stelle liegt eindeutig der Begriff διαθήκη (testamentum) als Erbschaftstestament vor, interessanterweise noch kombiniert mit „Evangelium“: Die Glieder der Menschen „werden vom Geist zum Erbe genommen und ins Himmelreich gebracht. Deshalb aber ist Christus auch gestorben: Das Testament des Evangeliums, das eröffnet und in der gesamten Welt gelesen werden sollte, sollte zuerst seine Knechte frei machen. Darauf sollte es sie dann zu Erben seiner Güter einsetzen ... Wer lebt ergreift nämlich Besitz vom Erbe.“[8] Hier wird deutlich, dass für Irenäus „Testament“ nicht nur wie meist in seinen Schriften als „Bund“ zu verstehen ist, sondern gerade mit Blick auf das Evangelium als Erbüberlassung.
Insgesamt wird deutlich, Irenäus nutzt die Vorstellung vom „Testament“ als „Bund“, einmal auch als „Erbschaftsurkunde/-überlassung“, doch nur an zwei gesicherten Stellen benutzt er den Begriff zur Kennzeichnung der Sammlungen von Schriften. An beiden Stellen spricht er nicht von einem Testament, sondern von zweien, wobei er das eine, auch das „erste“ genannte, mit dem Gesetz gleichsetzt, das andere mit dem Evangelium (zu diesem Testament zählt er auch die Paulusbriefe an anderer Stelle). Noch auffallender aber ist, dass die Gegensetzung der beiden Testamente wie auch die Gleichsetzung mit einerseits Gesetz, andererseits Evangelium auf den älteren Sprachgebrauch hindeuten, in welchen Markion sowohl den Begriff „Neues Testament“ im Gegensatz zu „Altem Testament“ geprägt hat, und Irenäus an beiden Stellen in Adversus haereses sich tatsächlich mit Markion und seinen Anhängern auseinandersetzt. Im Anschluss an die erste Stelle resümiert Irenäus: „Es gibt ja noch mehr solcher Gebote. Sie bedeuten aber alle keinen Widerspruch (contrarietas) und keine Auflösung der alten Gebote, wie das die Anhänger Markions daherschreien“.[9] Und auf die zweite Stelle, die mit dem antimarkionitischen anonymen Presbyterbericht verbunden ist,[10] folgt: „Er wird aber auch die Lehre Markions richten“.[11]
Aus alledem kann man bezüglich Irenäus nur dieselbe Schlussfolgerung ziehen, die Wolfram Kinzig bereits bei seiner Untersuchung zum Sprachgebrauch von testamentum bei Tertullian vertreten hat: Ausschließlich wenn die Rede von Markion und seiner Position die Rede ist, verfällt der Berichterstatter in den Sprachgebrauch dessen, über den er berichtet, und spricht von „Testament“ im technischen Sinne als von einer Sammlung von Schriften.[12] Während dieser technische Gebrauch von „Neuem Testament“
bei Tertullian begegnet, findet er sich jedoch noch nicht bei Irenäus, der nur
von den beiden Testamenten spricht, auch von einem ersten, doch sowohl von Markions
antithetischen Charakterisierungen dieser Testamente als „Altes“ und „Neues“
Testament absieht, wie er überhaupt Markions Einleitung zu seinem „Neuen
Testament“, Antitheses genannt, durch
seine Bestreitung des antithetischen Charakters (contrarietates) der beiden Testamente, wie gezeigt wurde, ablehnt. Es
scheint mir darum ausgeschlossen, dass Irenäus die Sammlung der Schriften, die
uns als „Neues Testament“ bekannt ist, bereits unter diesem Namen akzeptiert
hatte. Wohl muss er die Titel „Altes“ und „Neues Testament“ von Markion her
gekannt haben, doch während er von den Testamenten sprechen konnte, konnte er
sich offenkundig noch nicht durchringen die Schriftsammlung der Christen, die
er als solche zu kennen scheint, als „Neues Testament“ zu bezeichnen.
Wie wir
sehen werden, und worauf ebenfalls Wolfram Kinzig bereits hingewiesen hatte,
benutzt auch Justin der Märtyrer, der etwas älter als Irenäus ist, den Begriff
des „Neuen Testaments“ nie als Sammlungstitel, obwohl „bei Justin die
Gegenübersetzung von alter und neuer διαθήκη eine große Rolle spielt“.[13]
Wenn „allerdings
das uniforme Zeugnis der existierenden Überlieferung deutlich darauf hinweist,
dass dies („Das Neue Testament“) der Titel des Archetyps“ war, dann müsste man
davon ausgehen, dass die Sammlung von neutestamentlichen Schriften, die Irenäus
kannte, bewusst eine – wenn auch kritische – Fortführung und Überarbeitung der älteren
Sammlung darstellte, die auf Markion zurückgeht und die von Irenäus dem Inhalt
nach, nicht aber, was ihren Titel betraf, akzeptiert und titellos propagiert
wurde.
[3] Sowohl die gängigen deutschen wie englischen Übersetzungen des Irenäus sind hier nicht immer präzise, außerdem gibt es Zweifelsfälle, in denen es schwer zu entscheiden ist, welche der Übersetzung zu verwenden ist. Als Beispiele dienen Iren., Adv. haer. IV 17,5 und 28,1-2 wo es in der englischen Übersetzung (ANL) für „hic et illic“ „both Testaments“ und schließlich für „in novo testamento“ „New Testament“ heißt, während die deutsche Übersetzung hier korrekt von „Bund“ spricht. Ähnlich gelagert ist der Fall in Iren., Adv. haer. V 34,1. Der gleiche Befund begegnet in der Übersetzung von Epid. 91. Ein schwieriger Fall ist Iren., Adv. haer. IV 32, wo innerhalb langer Überlegungen zum Thema altem und neuem Bund dieses Kapitel kommt, in denen doch wohl eher von „beiden Testamenten“ die Rede ist, so auch die englische und deutsche Übersetzung.
[4] Vgl. Iren., Adv. haer. IV 12,3; 28,1; 32,1-2.
[5] Iren., Adv. haer. IV 12,3.
[10] Der Bericht findet sich Iren., Adv. haer. IV 27-32; vgl. zu diesem Bericht mit älterer Literatur (Vinzent 2014: 52-55)