Markus Vinzent's Blog

Monday 8 April 2019

Der unbekannte Meister Eckhart I, De tempore

Thema der nächsten Konferenz der Meister Eckhart Gesellschaft in 2021 wird sein "Der unbekannte Eckhart", dazu zählen auch Texte, die in der Vergangenheit von der kritischen Forschung Eckhart zugeschrieben, die aber noch selten berücksichtigt, bisher nicht oder kaum auf Authentizität hin geprüft und nicht in der kritischen Werkausgabe bei Kohlhammer erschienen sind, und zu denen auch keine Übersetzung vorliegen.

Um hier Abhilfe zu schaffen, sollen diese Texte in einer editio minor erscheinen, zu der hier nacheinander die Texte mit Übersetzung vorgestellt werden (Die Zählung richtet sich nach der auch PIK zugrundeliegenden Liste von  Schneyer, Repert. lat. Serm). Bitte machen Sie Vorschläge für Verbesserungen von Text und Übersetzungen, v.a. auch Quellverweise, die ich noch nicht entschlüsselt habe.

Predigt T1,3* [Pfeiffer 67.1, 209-214]

Dominica I in Adventu Domini
 ‘Virtutes coelorum movebuntur’ (Luc. 21:26)

<:1>(209) Virtutes coelorum movebuntur. Disiu wort sprichet unser herre in dem êwangeliô unde bediutent sich alsô: die krefte (210) der himel werdent sich bewegen.
<:1>Virtutes coelorum movebuntur.[6] Diesen Vers spricht unser Herr im Evangelium und er bedeutet: ‘Die Kräfte des Himmels werden sich bewegen’.
<:2>Ein himel ist alsô vil gesprichen als ein heimelich oder ein verborgen dinc, wan got der ist alsô heimelich verborgen under der klârheit der schoenen gotheit, daz kein mensche mit vernunft von ir eigen nâtûrlîchen maht mac komen zuo der anschouwunge der wunne sînes götlîchen antlitzes. Dâ von sprach Job wer mac kriegende ervorschen diu dinc, diu in den himelen sint? reht als ob er sprêche: nieman in der welte. Daz besiufzete der wîssage unde sprach ach, herre, dû bist ein verborgener got!
<:2>Ein Himmel bedeutet soviel wie ein heimliches oder verborgenes Ding,[7] denn Gott ist so heimlich verborgen in dem Glanz der schönen Gottheit,[8] dass kein Mensch mit der eigenen natürlichen Macht des Intellekts zur Schau der Wonne seines göttlichen Antlitzes kommen kann.[9] Hiervon sprach Ijob: ‘Wem mag es gelingen, die Dinge, die im Himmel sind, zu erforschen?’[10] Gerade als ob er gesagt hätte: Niemand in dieser Welt. Hieüber klagte der Prophet und sagte: ‘Ach, Herr, Du bist ein verborgener Gott!’[11]
<:3>Nû sprichet sant Augustînus, daz sich got verbirget in der sêle innekeit mit den werken der gnâde, dâ er sich in der sêle an offenbâret, alsô heimlîche, daz ez nieman mac wizzen wan der mensche, in dem ez isz alsô tougenlîchen verborgen. Wan sant Paulus sprach allez, daz in dem menschen ist, daz ist verborgen. Dâ von ist diu sêle ein götlicher himel und ein geistlîcher, dâ got sîniu volkomeniu werc inne ruowende tougen unde heimlîche volbringet. Hie von sprichet got durch den wîssagen nement war, ich schepfe in iu einen niuwen himel.
<:3>Nun sagt der heilige Augustinus,[12] dass Gott sich selbst mit den Werken der Gnade im Innern der Seele verbirgt, da er sich selbst in der Seele so heimlich offenbart, so dass niemand es wissen kann außer der Mensch, in welchem es so heimlich verborgen ist. Denn der heilige Paulus sagte:[13] ‘Alles, was in einem Menschen ist, ist verborgen’. Dadurch ist die Seele ist ein göttlicher und geistlicher Himmel, dass Gott sein vollkommenes Werk innen ruhen lässt und es heimlich vollendet. Hiervon spricht Gott durch den Propheten:[14] ‘Seht, ich schaffe in Euch einen neuen Himmel.’
<:4>Als nû die lîplîchen himel werdent beweget an iren kreften in der beschultunge des anschînes des liehtes götlîcher klârheit, dâ von sprichet Kristus die krefte der himel werdent sich bewegen. An disen worten sol man prüeven die üebunge guoter werke der sêle, dâ si sich an übet, swenne sich got in sî alsô verbirget, daz si wirt ein himel der unbegrîflîchen gotheit. Wan ein ieglich werc vliuzet ûz der kraft unde diu kraft vliuzet ûz dem wesen. Dâ von mac man ûz disen worten nemen driu stücke, diu der sêle adel bewîsent. Daz êrste lît an des wesens edelkeit. Dâ von sprichet er die himel. Daz ander lît an der krefte mehtikeit, dâ von sprichet er die krefte. Daz dritte lît an der werke fruhtberkeit, dâ von sprichet er beweget.
<:4>Da nun die körperlichen Himmel durch ihre Kräfte im Verdecken des Lichtsscheins des göttlichen Glanzes bewegt werden, sagt Christus hierzu: ‘Die Kräfte des Himmels werden bewegt.’[15] In diesem Vers soll man das Üben guter Werke der Seele sehen, da sie sich darin übt, wenn Gott sich selbst in ihr versteckt, so dass sie ein Himmel der unfassbaren Gottheit wird. Denn jede Handlung fließst aus der Kraft und die Kraft fließt aus dem Wesen. Hierdurch kann man drei Dinge aus diesen Worten herausnehmen, die den Adel der Seele aufzeigen. Das erste stammt von dem Adel des Wesens. Das ist angezeigt mit ‘der Himmel’. Das zweite stammt von der Mächtigkeit der Kräfte, das angezeigt ist mit ‘die Kräfte’. Das dritte stammt von der Fruchtbarkeit der Werke, was angedeutet ist durch ‘er bewegt’.
<:5>Nû sol man an dem êrsten prüeven, daz diu sêle, diu ein himelischez wesen wil an ir haben, diu sol an ir haben driu dinc, diu an dem himel sint. Daz êrste ist, daz der himel ist an in êwic. Daz ander ist, daz er an dem loufe ist umbegengic. Daz dritte, daz er den nidersten crêatûren ist înfliezende. Disiu driu dinc bewise ich alsô.  
<:5>Nun soll man an dem ersten ersehen, dass die Seele, die ein himmlisches Wesen in sich haben will, drei Dinge in sich besitzen soll, die im Himmel sind: Das erste ist, dass der Himmel in sich ewig ist. Das zweite ist dass er in seiner Bewegung kreisförmig ist. Das dritte ist, dass er in die niedrigsten Kreaturen fließt. Diese drei Dringe werde ich also darlegen:
<:6>Bî dem êrsten, daz der himel ist êwig an dem wesen, daz bewise ich mit dirre rede. Der himel hât eine unlîplîche materielîche nâtûre unde eine unmaterielîche unde lîplîche wîse: dâ von mac kein vremdiu înbildunge in in gevallen. Ez mac kein varwe in in komen, ez mac kein verandertiu kraft in in gewirken, dâ von ist sîn wesen ein unwandelhaft blîben.
<:6>Mit Blick auf das erste, dass der Himmel in seinem Wesen ewig ist, zeige ich wie folgt: Der Himmel ist von einer nicht körperlichen, materiellen Natur und von einer nichtmateriellen und körperlichen Art. Hierdurch befällt ihn kein fremder Abdruck. Keine Farbe gelangt in ihn, keine verändernde Kraft kann in ihm wirken, weshalb sein Wesen unverändert bleibt.
<:7>Daz ander, wie der himel ist an dem loufe umbegengic; daz bewise ich alsô. Waz umbe gêt, daz kumet wider an sîne êrste stat, unde waz an sîne êrsten stat kumet, daz gêt umbe. Nû sprichet der (211) meister, daz der beweger des himels ist an dem ûfgange, dâ diu sunne ûf gât. Nû sehe wir daz mitten ougen, daz diu sunne alle tage ûf gât an dem ûfgange unde des âbendes under und aber an dem morgen ûf an die stat, als der meister sprichet, dâ der beweger ist. Dar umbe kumet si tegelîche wider an ir êrsten stat. Dâ von gât diu sunne umbe. Diz mac man niht alsô verstân, daz diu sunne alsô umbeloufe irs eigen loufes, wan si mac irs eigen loufes niht komen in einem tage an ir êrstan stat, sunder si kumet dar in eime ganzen jâre, daz ist in driuhundert tagen unde fünf unde sehzic tagen. Dar umbe sol man ez verstân von dem himel alzemâle der diu sunne allez mit ime ziuhet. Doch tuot daz diu sunne jêrlich, daz der himel tuot tegelich.
<:7>Das zweite ist, wie der Himmel seiner Bewegung nach kreisförmig ist. Dies zeige ich wie folgt. Was sich kreisförmig bewegt, kommt zu seinem Ausgangspunkt zurück, und was zu seinem Ausgangspunkt kommt, geht im Kreis. Nun sagt der Meister,[16] dass sich der Beweger des Himmels am Ausgangspunkt befindet, wo die Sonne aufgeht. Nun sehen wir mit dem Auge, dass die Sonne jeden Tag vom Ausgangspunkt aufgeht und am Abend untergeht, aber am Morgen doch wieder am Ausgangspunkt aufgeht, nämlich, wo der Beweger ist, wie der Meister sagt. Darum kommt sie täglich zurück zu ihrem ersten Ausgangspunkt. Darum bewegt sich die Sonne im Kreis. Das kann nicht so verstanden werden, als bewege sich die Sonne auf ihrem eigenen Kreislauf, denn sie kann zu ihrem eigenen Ausgangspunkt nicht in einem Tag zurückkommen, denn dies geschieht erst nach einem vollen Jahr von 365 Tagen. Darum soll man es gänzlich auf den Himmel beziehen, der die Sonne gänzlich mit ihm zieht. Doch die Sonne tut in einem Jahr, was der Himmel täglich tut.
<:8>Daz dritte, daz der himel der nidersten crêatûre în fliuzet, daz bewîse ich dâ mite, daz allez, daz dâ wirt geborn unde vergêt, daz ist gesprichet an dem buoche der nâtûren von dem himel: der himel ist allen dingen, diu under im sint, ein înfluz des wesendes unde des lebendes.
<:8>Das dritte, dass der Himmel in die niedrigste Kreatur fließt, das zeige ich wie folgt: All das, was dort geboren wird und vergeht, ist im Buch der Naturen des Himmels festgehalten: der Himmel ist ein Einfließen von Sein und Leben in alle, die unter ihm sind.[17]
<:9>Wil denne diu sêle werden ein geistlich himel, sô sol si ziehen an die êwikeit irs wesens und in daz umbegenclîche widergên irs urspringes und an ir hoehsten niderflüzzekeit in die nidersten krefte. Zem êrsten sprich ich, daz diu sêle mit ir gange sol gên an die êwikeit irs wesens unde sol vlîzeclîche betrahten, wie si von der gâbe gotes ein unvergenclich nâtûre ist, die er gewirdiget hât zuo der gemeinsame sîner êwigen sêlikeit. Dâ von wirt si ein unlîplich nâtûre und ein lîplîch wîse, daz der geist deme lîbe niht nâch ist volgende an sînen vleischlîchen gebêrden, sô mac kein vremdiu înbildunge in sî gevallen, wan si bewart mit allem vlîze, daz ir ir eigen bilde, dar an sî got hât nâch ime selben gezeichent unde gebildet, iht entwîche. Si mac ouch denne keine vernihtunge lîden noch in sî komen, diu sî setze ûz der edelkeit himelischer dinge und unlîdunge, wan sô mac si allez lîden und unlîdlich sîn in des gotes kraft, der sî an lîden hât gesterket. Ez mac ouch denne kein ander kraft in ir würken, wan si ist in got alsô gehaft, der ein unwandelhaftiu stêtekeit ist, daz weder tôt noch leben weder tiefe noch hoehe weder ein noch ander crêatûre mügen sî gelâzen ûz der unwandelbarkeit sîner götlîchen stêtekeit. Dâ von mac si sprechen mit künig Dâvîde daz guot mîner unvergenclîcher sêlekeit lît an der haftunge der gotheit.
<:9>Will dann die Seele ein geistlicher Himmel werden, muss sie sich zur Ewigkeit ihres Seins hinziehen und zum kreisförmige Bewegung ihres Ursprungs und zum höchsten Herabfließen in die niedrigsten Kräfte. Erstens, sage ich, dass die Seele sich in die Ewigkeit ihres Seins bewegen soll und soll eifrig schauen, wie sie aufgrund der Gabe Gottes ein von unzerstörbarer Natur ist, der er die Ehre geben hat, gemeinsam seiner ewigen Seligkeit zuzugehören. Hierdurch wird sie eine nichtkörperliche Natur und eine körperliche Art, so dass der Geist nicht dem Körper in seinen körperlichen Handlungen folgt, so dass folglich kein fremdes Bild in sie geraten kann, denn mit aller Anstrengung achtet sie darauf, dass sie ihr eigenes Bild, mit welchem Gott sie gezeichnet und nach dem sie sie gestaltet hat, nicht verliert. Sie kann keine Zerstörung erleiden, noch kann etwas anderes in sie gelangen, die sie aus dem Adel der himmlischen Dinge oder aus dem Leiden bringen könnte, denn so in der Kraft Gottes, der sie im Leiden gestärkt hat, kann sie alles Leiden und Schmerz ertragen. Dann kann keine andere Kraft in ihr wirken, denn sie ist so mit Gott verbunden, der eine solch unwandelbare Stetigkeit ist, dass weder Tod noch Leben, weder Tiefe noch Höhe, weder the eine oder die andere Kreatur sie aus der Unwandelbarkeit seiner göttlichen Stetigkeit entlassen kann. Hiervon spricht sie mit König David: ‘Das Gut meiner unzerstörbaren Seligkeit liegt darin, mit Gott verhaftet zu sein.’
<:10>An dem andern stücke sol diu sêle werden an ir loufe umbegebgic, wan si gêt ûf von dem ûfgange der sunnen an irm nâtiurlîchem wesen, daz ist von des himelischen vater herzen, in dem diu wâre sunne ûf (212) gât âne underlâz, daz ist sîn eingeborn sun, der ein lieht ist und ein schîn sîner êwigen genüegelicheit. Dâ sol si wider în gên in des vaters vernunftikeit, dâ si in alsô himelischer art ist îngesprochen, als der wîssage sprach got der hât die himel gemachet in die vernunftikeit. Der vernunftic himel ist diu sêle, sô si mit aller ir innikeit gêt in got als in ir êrste stat. Wan sô sprichet er in sî sîn êwic wort, daz si dâ von wirt bestêtiget an aller himelischer vollekomenheit, als der wîssage sprichet, dô der was worden ein himel der gotheit von gotes wort sint die himel gevestent unde gestêtiget.
<:10>Als Zweites soll die Seele in ihre kreisförmige Bewegung gelangen, denn sie geht in ihrem natürlichen Sein dort auf, wo die Sonne aufgeht, nämlich im Herzen des himmlischen Vaters, in welchem die wahre Sonne ständig aufgeht, nämlich sein eingeborener Sohn, der ein Licht und ein Abglanz seiner ewigen Zufriedenheit ist. Da soll sie wieder eingehen in den Intellekt des Vaters, in welchem sie auf himmlische Weise gesprochen wurde, wie der Prophet sagt:[18] ‘Gott hat die Himmel im Intellekt gemacht’. Der vernünftige Himmel ist die Seele, wenn sie sich in Gott bewegt mit all ihrem Innern als ihrem ersten Ort. Denn auf diese Weise spricht er sein ewiges Wort in sie, so dass sie hierdurch in aller himmlischen Vollkommenheit bestätigt wird, wie der Prophet sagt, da dies ein Himmel der Gottheit geworden ist: ‘Durch das Wort Gottes wurden die Himmel befestigt und gesichert.’
<:11>An dem dritten stücke sol dirre geistlîche himel der sêle werden götlicher gnâden unde trôstes înflüzzic. Wan als der engelischer beweger den himel umbe trîbet und ime kraft gît, dâ mite er die kraft sîner maht weget zuo himel unde der himel denne nider fliuzet und allen dingen wesen unde wirken von nâtûre gît unde daz leben, alsô weget got denne sîne götliche kraft mit aller der gnâde, diu in sînem veterlîchen herzen entspringet, zuo der sêle unde gît ir kraft, daz si an sîner bewegunge wirt mehtic unde kreftic, in der si ir wesen unde wirken unde leben gît allen irn nidersten kreften, allen ledermêzen des lîbes und allen iren werken, daz sie werdent lebende vor gote, daz sie fruht bringent des êwigen lebens. Dirre înflüzzekeit begerte Isaias der wîssage, dô er was komen an die ahte, daz im der heilige geist ruorte die innekeit sînes herzen unde sîne obersten kraft nam und enpfienc die aller süezesten kraft der gotheit, unde sprach ir himel, ir sult nider dar ûf touwen, daz ist: ir sult giezen in alle mîne kraft, in alle mîne lidermêze, in alliu mîniu werc die süezekeit des himelischen touwes, den ir ûz gote in iu habet enpfangen.
<:11>Als Drittes soll dieser geistliche Himmel ein Einfluss göttlicher Gnade und Trostes für die Seele werden. Denn wenn der engelhafte Beweger[19] die Himmel herumschiebt und ihm Kraft verleiht,[20] damit er die Kraft seiner Macht zum Himmel bewegt und der Himmel dann niederfließt und allen Dingen von Natur aus Wesen und Wirken und Leben verleiht, so bewegt denn Gott seine göttliche Kraft mit all der Gnade, die in seinem väterlichen Herzen entspringt, zur Seele und gibt ihr Kraft, dass sie in seiner Bewegung mächtig und kräftig wird, in welcher er ihr Wesen, Wirken und allen ihren Kräften Leben verleiht, allen Gliedmaßen des Leibes und all ihren Werken, so dass sie lebendig werden vor Gott, damit sie Frucht des ewigen Lebens bringen.[21] Diesen Einfluss hatte sich Jesaia, der Prophet, gewünscht, als er bemerkte, dass der heilige Geist das Innere seines Herzens berührte und seine höchste Kraft nahm und die süßeste Kraft der Gottheit erhielt, und sagte:[22] ‘Ihr Himmel, ihr sollt herabtauen, das heißt, Ihr sollt in all meine Kraft, in all meine Gliedmaßen, in all meine Werke die Süße des himmlischen Taus gießen, den Ihr aus Gott in Euch empfangen habt.’
<:12a>Nû sol man für baz prüeven,


daz er den lîplîchen himel hât gezieret mit siben planêten, daz ist mit siben edelen sternen, die uns nêher sint denne die andern.







Der êrste ist Saturnus, nâch dem ist Jupiter, nâch dem ist Mars, nâch dem ist diu sunne, nâch dem ist Vênus, nâch dem ist Mercurius, nâch dem ist der mâne. Swenne nû diu sêle ein sêlic geistlich himel wirt, sô zieret sî unser herre mit disen sternen geitslîche, die sant Johannes sach in der tongenheit, dô er den künic über alle künige sach sitzen ûf dem trône sîner götlîchen êre unde hâte siben sterne in sîner hant. Nû sult ir prüeven, daz der êrste sterne, Saturnus, ist ein fürber; der ander, Jupiter, ist ein gunster; der dritte, Mars, ist ein zürner; der vierde, diu sunne, ist ein liuhter; der fünfte, Vênus, ist ein liebtrager; der sehste, Mercurius, ist ein gewinner; der sibende, der mâne, ist ein loufer.
<:12b>[433ra] Eine churtze awslegung von den planeten geistleich non M. Nicolai
Der alm(chtig got hat den himel mit siben planeten tziert. Das ist mit siben edeln stern dy vns nahenter sind dann dy andern vnd in den der chrafft vil ist da durch der lawff der natur volpracht wirt. Dar vmb wann dy sel ein geistleicher himmel gots wirt so tziert er sy mit den siben stern











Da von sand Johannis im puech der tawgen schreibt dô er den chünigs aller chünig sach sitzen awff dem tran seiner ern.



Der erst stern haist Saturnus vnd ist ein erfreuwer







<:12a>Nun soll man vollends sehen, dass er den körperlichen Himmel mit sieben Planeten geschmückt hat, d.h. mit sieben edlen Sternen, die uns näher als die anderen sind.[23]









Der erste ist Saturn, danach kommt Jupiter, danach kommt Mars, danach kommt die Sonne, danach kommt Venus,[24] danach kommt Merkur, nach diesem kommt der Mon. Wenn die Seele nun ein geistlicher Himmel wird, wird unser Herr sie mit diesen geistlichen Sternen schmücken, die der heilige Johannes in der Dunkelheit sah,[25] als er den König über allen Königen auf dem Thron seiner göttlichen Ehre sah, der in seinen Händen die sieben Sterne hielt. Nun sollt Ihr sehen, dass der erste Stern, Saturn, ein Bereiter ist, der zweite, Jupiter, ist ein Wohltäter, der dritte, Mars, ist ein Zorniger, der vierte, die Sonne, ist eine Leuchte, der fünfte, Venus, ist ein Liebesträger, der sechste, Merkur, ist ein Sieger, der siebte, der Mond, ist ein Läufer.
<:12b>Eine kurze geistliche Interpretation der Planeten, nicht von Meister Nicolaus.
Der allmächtige Gott hat den Himmel mit sieben Planeten geschmückt hat, d.h. mit sieben edlen Sternen, die uns näher als die anderen sind und in denen viel Kraft ist, die die Natur am Laufen halten. Wenn darum die Seele ein geistlicher Himmel Gottes wird,[26] so schmückt er sie mit sieben Sternen.










Hiervon schreibt der heilige Johannes im Buch der Dunkelheit,[27] als er den König über allen Königen auf dem Thron seiner Ehre sah.

Der erste Stern heißt Saturn, und er ist einer, der erfreut,
<:13a>Alsô wirt an dem himel der sêle Saturnus ein fürber der engelischen reinikeit (213) unde bringet ze lône anschouwunge der gotheit, wan unser herre sprach sêlic sint, die reiniu herze habent, wan sie unser werdent sehen.


































<:13b>
der am himmel der sel sol sten mit englischer rainchait vnd pringt ze lan das anschawen der gothait. Da von der herr Ihsus spricht s(lig sind die rainen wann sy vnser got sehn Dar vmb ist dy sel ein lawtrichait dy in seim willen want vnd ist ein wort in seiner verstentichait vnd ein leben in seiner ynnichait vnd ein liecht in seim werch vnd das peweis ich. Da mit wann was got aws im würcht das erchennt er vor [433rb] in im. Wann in got mag chain ding välln das nicht got ist. Vnd als dy sel in got ist also ist sy auch got vnd ist in got tragen awff seim ewigen wort. Wann als in der sel lawterichait ist in dy leuchten mag das liecht götleicher chlarhait in dy selb mag würchen das leben der ewichait. Vnd peweis das also. Wann das erst das in der sel ist da ist lawterichait in das lewchten mag das liecht götleicher chlarhait das an tzeit vnd stat lewcht. Dy weil ir spiegel mit sünten nicht gemailigt wirt vnd das selb ist ein lawterichait götleicher gleichait als David sprFcht herr vber vns ist petzaihent das liecht deins antlitz
<:13a>Auf diese Weise wird im Himmel der Seele, Saturn zu einem Bereiter der engelhaften Reinheit und er bringt den Lohn der Schau der Gottheit, denn unser Herr sagte:[28] ‘Selig sind die, die ein reines Herz haben, denn sie werden uns schauen.’

<:13b>der am Himmel der Seele stehen soll mit engelhafter Reinheit und er bringt den Lohn der Schau der Gottheit. Hiervon sagt der Herr Jesus:[29] ‘Selig sind die, die ein reines Herz haben, denn sie werden uns schauen.’ Daher ist die Seele eine Reinheit, die in seinem Willen wohnt, und sie ist ein Wort in seinem Verstand und in Leben in seinem Innern und ein Licht in seinem Handeln, und das zeige ich mit dem Folgenden: Denn, was Gott aus ihm tut, das weiß er zuvor in sich. Denn kein Ding kann in Gott geraten, das nicht Gott ist. Und da die Seele in Gott ist, ist sie auch Gott und ist auf seinem ewigen Wort in Gott getragen. Denn wie in der Seele Reinheit ist, in die das Licht göttlichen Glanzes leuchten kann, kann das Leben der Ewigkeit in diese wirken. Und das zeige ich wie folgt: Denn das erste, das in der Seele ist, ist Reinheit, in die das Licht göttlichen Glanzes leuchten kann, das ohne Zeit und Ort leuchtet. Solange ihr Spiegel nicht durch Sünden verunreinigt wird und dasselbe ist wie eine Reinheit göttlicher Gleichheit, wie David sagt: ‘Herr, über uns leuchtet das Licht Deines Angesichts.’[30]
<:14a>Dar nâch wirt Jupiter der gunster unde bringet ze lône die besitzunge der erde; niht, die wir an dem lîbe tragen noch die wir mit den füezen treten, sunder die wir mit den begirden suochen, daz ist diu erde, diu dâ fliuzet von honige der gotheit unde von milche der menscheit. Dâ von sprichet unser herre sêlic sint die senftmüetigen an dem herzen, wan sie sullen daz ertrîche besitzen.



<:14b>der ander stern haisst Jupiter der ein günner ist vnd pringt mit im das pesitzen der erden. Nicht dy erden dw awff wir genn sunder dy wir mit der pegier suehen [433va] dy irn flus geit von hönig der got gothait vnd von milich der menschait Ihsu xri. Dar vmb sprach er S(lic sind dy semften wann sy werden das edreich pesitzen.

Das ist ire leichnam wirt der sel vntertan hie in gnaden vnd tort im lant der s(ligen lewtigen. Wann es ist nicht genueg das man dy creatur am wolhaben abschaid sundern man mues sy auch aws der pegier tuen vnd aws treiben aws den zMo vallunden pilden die dy sel sw(rleich vernichten vnd vom mittel abchern. Es sind vil menschen dy geistleicher ding nicht als wol vernemen als sy gerne da von hörn reden vnd das chümbt aws dem das ein pegier in in ist dy nach der tzeit in ewichait in in mues volpracht werden nach der pegier Dy sy in in emphinden. Vnd ob sich söleich ettwan mit chlain dingen selber nicht intr(ten so möcht es wol geschehen oder sy wurden sein hie in der tzeit [433vb] inn.
<:14a>Danach wird Jupiter ein Wohltäter und bringt den Lohn des Besitzes der Erde; nicht diejenige, die wir in unserem Leib tragen, noch diejenige, die wir mit unseren Füßen betreten, sondern diejenige, die wir mit unserem Begehren ersehnen, nämlich die Erde, die da vom Honig der Gottheit fließt und von der Milch der Menschheit.[31] Hiervon sagt unser Herr:[32] ‘Selig sind die, die barmherzig in ihrem Herzen sind, denn sie werden die Erde besitzen.’

<:14b>Der zweite Stern heißt Jupiter, der ein Wohltäter ist und den Lohn des Besitzes der Erde bringt; nicht die Erde, auf der wir gehen, sondern diejenige, die wir mit Begehren ersehnen, die ein Fluss vom Honig der Gottheit ist und von der Milch der Menschheit Jesu Christi.[33] Darum sagte er:[34] ‘Selig sind die, die barmherzig in ihrem Herzen sind, denn sie werden die Erde besitzen.’
Das meint, dass ihr Leib der Seele hier in Gnaden untertänig und im Land der Gesegneten rein wird. Denn es ist nicht genug, die Kreatur vom Wohlhaben zu trennen, sondern man muss es auch aus dem Begehren ausschließen und aus den zufallenden Bildern austreiben, die die Seele schwer beschädigen und von den Mitteln abkehren. Es gibt viel Menschen, die die geistlichen Dinge nicht so recht verstehen wie sie es wünschen, dass von ihnen darüber gesprochen wird, und dies kommt dadurch, dass in ihnen ein Begehren existiert, das, was das Begehren, das sie in sich spüren, der Zeit nach in der Ewigkeit vervollkommnet werden muss. Und auch wenn diese vielleicht sich nicht auf kleine Dinge einlassen, so kann es dennoch wohl geschehen, oder sie werden hier in der Zeit sein.
<:15a>Dar nâch wirt Mars der grimmikeit unde des zürnendes lîdens durch got unde bringet ze lône des himels rîche, wan unser herre sprichet sêlic sint die, die dâ lîdent durch got êhtunge, wan daz himelrîche daz ist ir.
<:15b>Der dritt stern haist Mars ein ertzürner vnd pedewt dy menschen dy durch gots willen leiden. Dar vmb sprach der herr ihus S(lig sind dy menschen die (chttung durch der grechtichait willen leiden vnd <irn namen> als ein pözz ding versm(hen durch meinen namen frewt euch vnd flalokcht an dem tag wann ewer lan ist gras im himel. Wann wir sullen gen durch seinen willen leiden der für vns schuldig an alle schuld geliten hat. Wann wir werden im nit nichte gleiher dann so wir mit gedult leiden an allen has vnd neid gegen dem von dem wir leiden. Wann chain hertz mag an gantze gedult rue haben. Wer von eim andern petruebt wirt mit leiden der vergezz sein vnd geb es got das er in sein mit im selber ergetz. Vnd trinkch in sich seinn geist der gegen vns allen semfft ist vnd vergeit so wir vns zwo im chann halt nach vil vnd grazzen süntn wann vns mag nyembt ge[434ra]schaden wir schaden vns dann das erstn selber so wir Rbel mit Rbel gelten wellen. Dar vmb söl nyembt lernen seinen veinten veint ze sein. Wann der heilig geist hat vil wunn in dem hertzen dar inn er st(te rue vintt Da von er mit chain rawch des hazz aws sein süezzen peinstokch mag vertriben wern.
<:15a>Danach wird Mars der Zornige und der ärgerliches Leiden durch Gott sein und als Lohn das Himmelreich bringen, denn unser Herr sagt:[35] ‘Selig sind die, die um Gottes willen verachtet werden, denn ihrer wird das Himmelreich sein.’

<:15b>Der dritte Stern heißt Mars, ein Zorniger, und das meint die Menschen, die um Gottes Willen leiden. Daher sagte unser Herr Jesus:[36] ‘Selig sind die Menschen, die der Gerechtigkeit willen verachtet werden und ihren Namen als ein böses Ding verschmäht bekommen um meines Namens willen. Freut Euch und frohlockt an dem Tag, denn Euer Lohn ist gross im Himmel.’ Denn wir sollen glücklich um seines Willens leiden, der für uns schuldig ohne Schuld gelitten hat. Denn wir werden ihm nicht gleicher werden als durch geduldiges Leiden ohne irgendeinen Hass und Eifersucht gegenüber dem, durch den wir leiden. Denn kein Herz kann eine Ruhestätte haben ohne vollkommene Geduld. Wer durch jemand anderes geärgert wurde, soll vergessen, worum es sich dreht, und es Gott übergeben, so dass er sich in ihn hinein bewegt und seinen Geist in sich aufnimmt, der uns allen gegenüber gütig ist und vergibt, wenn wir uns eng an ihn halten nach vielen und großen Sünden, denn niemand kann uns schaden, es sei denn wir schaden uns zuvor selbst, wenn wir Böses mit Bösem vergelten. Darum soll niemand dazu neigen, dem Feind ein Feind zu sein. Denn der heilige Geist hat eine Menge Freude im Herzen, in welchem er beständig Ruhe findet. Durch keinen Rauch von Hass kann er aus seiner sußen Qual getrieben werden.
<:16a>Dar nâch wirt die sunne der klârheit unde bringet ze lône die üebunge der gerehtekeit an die sêle mit der bekentnisse der wârheit unde gît eime iegelîchen dinge daz sîn; wande si gotes ist von der schepfunge unde von der erloesunge, sô gît si sich ouch gote. Dâ von sô sprach unser herre ‚sêlic sint die, die dâ hungeric unde durstic sint nâch der gerehtekeit, wan die werden sat.’
<:16b>zwom vierden mal get dy sunn mit irer chlarhait vnd pringt zwo lan dy Mbung der grechtichait. Dy eim yeden das sein geit got vnd dem nachsten vnd geit sich auch selber. Dar vmb sprach der herr S(lig sind all dy hungern vnd turst nach der grechtichait haben wann sy werden ersatt.




Dar vmb sol vns gots grechtichait als süezz sein an vns selber als an anderen wann vil loben dy grechtichait an anderen menschen aber an in selber ist sy in von got pitter vnd erchennen nicht das got als volchömien ist an seiner grechtichait als an seiner parmhertzichait. Vnd dar vmb hat vns dy sunn der [434rb] grechtichait geporn maria dy ewig junchfrawen dy mit irm schein alle ding durchlewcht. Dar vmb wem dy vrtail vnd gericht nicht schmekchen von got der hat chain dankchp(richait. Wann als er parmhertzig ist dy sünt in der rew zwo vergeben also ist er auch grecht dy sünt an rew zestraffen. Wann der alm(chtig got geit durch dy grechtichait den gueten das himelreich vnd den pösen dy hell. Dy gueten lazzen nichts vnterwegen des sy schuldig sind ze tuen vnd lassen auch das des sy nicht tuen süllen. W(rn dy pösen engel mit den gueten im himel pestanden sy w(rn nicht verworffen worn. W(r adam vnd eua im paradeis in der ersten grechtichait pestanden sy hieten in vnd vns söleich prechen nicht awff den hals tzogen vnd w(rn auch vom lusst des paradeis nicht awstreiben warn. Dar vmb trait dy grechtichait in irm ambtt swert vnd chran. Das [434va] swert das sy da mit slach dy sünter das aller welt nicht Rber sach oder es slueg an achtt menschen alle welt mit der sinflucht vnd was lemtigen geist awff erden het durch der sünt willen. Auch trait sy dy chran das sy dy erwelten mit dem ewigen lan da mit chrön. Vnd das gericht irr grechtichait halt sy vntz an das entt der welt vnd erstatt all dy mit gnaden dy sy lieb haben.
<:16a>Danach wird die Sonne der Glanz sein, und sie wird den Lohn der Ausübung der Gerechtigkeit in der Seele bringen mit der Erkenntnis der Wahrheit und jedem Ding Sein verleihen. Denn sie gehört Gott von der Schöpfung und der Erlösung an, so gibt sie sich selbst Gott. Hiervon sprach unser Herr:[37] ‘Selig sind die, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit, denn sie werden satt werden.’

<:16b>Viertens kommt die Sonne mit ihrem Glany und bringt uns einen Lohn für das Üben der Gerechtigkeit, die jedem das Seine zuteil kommen lässt, Gott und dem Nächsten und auch sich selbst. Daher sprach der Herr:[38] ‘Selig sind die, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit, denn sie werden satt werden.’



Darum soll uns Gottes Gerechtigkeit in uns wie in anderen gleich recht sein, denn viele loben die Gerechtigkeit, wenn sie andere Menschen trifft, doch mit Blick auf sich selbst gilt sie als etwas Bitteres von Gott und sie erkennen nicht, dass Gott in seiner Gerechtigkeit so vollkommen ist wie in seiner Güte. Und darum hat uns die Sonne der Gerechtigkeit Maria geboren, die ewige Jungfrau, die mit ihrem Schein alles erleuchtet. Wer also kein Urteil und Gericht Gottes mag, der ist nicht dankbar. Denn da er gütig ist, Sünden durch Reue zu vergeben, ist er auch gerecht, Sünden ohne Reue zu ahnden. Denn durch Gerechtigkeit gibt der allmächtige Gott guten Menschen das Himmelreich und den Bösen die Hölle. Die Guten lassen nichts auf dem Weg liegen, das sie tun sollen, und lassen diejenigen beiseite, die sie nicht tun sollen. Wenn die bösen Engel bei den guten im Himmel geblieben wären, wären sie nicht hinausgeworfen worden. Wenn Adam und Eva in der ersten Gerechtigkeit im Paradies verblieben wären, hätten sie sich und uns nicht eine solche Untat auf die Schultern geladen, und sie wären nicht vom Paradies vertrieben worden. Folglich trägt die Gerechtigkeit in ihr Amt sowohl das Schwert wie die Krone. Das Schwert, um mit ihm den Sünder zu schlagen, so dass es die ganze Welt nicht übersehen konnte, oder es schlug mit der Sintflut in acht Menschen die gesamte Welt und alles, was aufgrund von Sünde einen lehmigen Geist auf Erden hat. Sie trägt auch die Krone, so dass sie die Auserwählten mit ewigem Lohn krönt. And sie hält das Gericht für uns am Ende der Welt und entlohnt all diejenigen mit Gnade, die sie lieben.[39]
<:17a>Dar nâch wirt Vênus der liebtrager und bringet ze lône die götlîchen vereinekeit, wan unser herre sprach wer mich liep hât, den hât mîn vater liep, unde kôment zuo im unde machet diu lîphaftigen herze jâmeric unde weinende nâch sînem liebe. Dâ von sprach unser herre ‚sêlic sint die dâ weinent, wan sie werden getrôst.’
<:17b>Der fünfft stern haist Venus der ein lieber ist vnd pringt ze lan dy ainung gots. Da von der herr ihus sprach. Wer mich lieb hat den hat mein vater lieb vnd chömen zw im vnd wanen pey im.







Vnd von dem chümbt der lan grasser tröstung. Dar vmb spricht sand iohannes in seim evangelium wer in der lieb ist der ist in got vnd got in im. Wann dy lieb macht den menschen s(lig vnd an sy mag nyembt pehalten wern. Dar vmb wer in der lieb stet dem chömen alle seine guete werch zwo eim ewigen lan. Vnd dem nicht der in der lieb nicht ist. Wann [434vb] sy ist dy höchst tugent vnter allen anderen tugent. Dar vmb wer an dy lieb ist der ist in dem hazz gots vnd ist der hell nahenter dann im selber. Vnd ist im fluech der von Christo an dem lesten gericht allen verdambten wirt geben so er wirt sprechen get hin ir verfluechten in das ewig fewer. Welhe sel in der lieb gots stet der hertz vergewst manigen lieben tzaher nach Jesu Christo irm liebhaber. Dar vmb mag der tewfel nyembt zw der lieb geraten wann er hat ir nicht. Wann hiet er dy lieb so w(r er nicht ein tewfel. Vnd dar vmb das er ir nicht hat noch haben mag so ist er so sw(rlich punten vnd gewangen mit den vnewflösleichen chetten des gericht gots das alle hoffnung der widercherung von im ist ewickleich genomen. Vnd als oben gesagt ist so vergiessen dy liebhaber gots manigen tzaher nach im vnd were offt in so grazzer hitz in sich selber tzogen das chain syn noch gedankchen noch chain [435ra] mund mag aws sprechen als wenig man got oder der sel wesen vnd gestalt mag aws sprechen. Wer hat sand larentzen den vast süezz gemacht dann dy lieb gots dy in im pran. Wann sy ist ein vnerleschlaiche süezzichait dy alle pitterchait vertreibt. Vnd in der selben lieb süezzichait haben in dy apostel ainer das leiden der ander das erwelt. Vnd dy junchfrawn sind fröleich in dy charcher vnd zwom tod in der lieb gangen. Dar vmb ist nicht vmb sunst geschriben. chost vnd secht wie süezz der herr ist. Sand pauls hat der lieb chosst da er in den dritten himel entzukcht wart da er sölhe wart gehört hat dy vnwsprechlaich sind. Dar vmb hat der herr nicht vmb sünst gesprochen wer müch lieb hat der pehalt meine pot Wan da ein maister in der ee den herren fragt was das grösst pot w(r. Da antwort er im vnd sprach. Hab got lieb deinen herrn aws gantzem [435rb] hertzen aws gantzer deiner sel vnd aws deim gantzen muet vnd deinen nachsten als dich selber. Vnd an den tzworin poten hangt all ee vnd weissagung. Vnd mit dem h(t vns der herr pedewt das daz erstt aller vnser mainung dy lieb in vnser hertzer werd in gefüert da mit wir got Rber alle ding lieb haben vnd vnsern nachsten als vns selber vnd alle andere ding durch seinen willen
<:17a>Danach wird Venus der Liebesträger und bringt als Lohn göttliche Vereinigung, denn unser Herr sagte:[40] ‘Wer mich liebt, den liebt mein Vater, und sie werden zu ihm kommen und er wird das leibliche Herz Jammern und Weinen lassen nach seiner Liebe.’ Hiervon sprach unser Herr:[41] ‘Selig sind die, die weinen, denn sie werden getröstet werden.’

<:17b>Der fünfte Stern heißt Venus, der ein Lieber ist und als Lohn die göttliche Vereinigung bringt. Hiervon sprach der Herr Jesus:[42] ‘Wer mich liebt, den liebt mein Vater, und sie werden zu ihm kommen und bei ihm wohnen’.





Von diesem kommt der Lohn großen Trostes. Daher sagt der heilige Johannes in seinem Evangelium: ‘Wer in der Liebe ist, der ist in Gott und Gott ist in ihm’.[43] Denn liebe macht den Menschen selig und ohne sie kann niemand erhalten werden. Wer folglich in der Liebe bleibt, dem werden all seine guten Taten ein ewiger Lohn, doch nicht demjenigen, der nicht in der Liebe bleibt. Denn sie sit die höchste unter allen Tugenden. Wer also ohne Liebe ist, der ist im Hass Gottes und er ist der Hölle näher als sich selbst. Und dieser ist unter dem Fluch, den Christus im letzten Gericht über all diejenigen verhängen wird, die verworfen sind, so dass er sagen wird: ‘Verschwindet, Verfluchte, in das ewige Feuer.’[44] Das Herz der Seele, das in der Liebe Gottes bleibt wird einige Tränen der Liebe um Jesus Christus, ihrem geliebten, verlieren. Darum kann der Teufel niemand dazu verleiten, zu lieben, denn er besitzt sie nicht. Denn wenn er Liebe besäße, wäre er nicht der Teufel. Dass er sie folglich nicht besitzt noch besitzen kann, ist er so fest gefesselt und gefangen durch die unauflöslichen Ketten von Gottes Gericht, so dass jegliche Hoffnung, zurückzukommen, ewig von ihm genommen ist. Und wie zuvor gesagt worden ist, verlieren die Geliebten Gottes eine Menge Tränen für ihn und sind of mit solcher Hitze zu sich selbst gezogen, dass kein Sinn, Gedanke oder irgendein Mund so wenig äußern kann wie man Gottes oder der Seele Wesen und Form in Worte fassen kann. Was sonst als die Liebe zu Gott, die in ihm brannte, hatte das Fass dem heiligen Laurentius angenehm gemacht? Denn es ist ein unauslöschliches Wohl, das alle Bitterkeit vertreibt. Und in demselben Affekt der Liebe haben ihn die Apostel erwählt, der eine in dem Leiden, der andere in einem anderen. Und aus Liebe sind die Jungfrauen in den Kerker und in den Tod gegangen. Darum ist nicht umsonst geschrieben: ‘Kostet und seht, wie gut der Herr ist.’[45] Der heilige Paulus hat die Liebe geschmeckt, als er in den dritten Himmel erhoben wurde, als er solche Worte hörte, die unaussprechlich waren. Darum hat der Herr nicht vergeblich gesagt: ‘Wer mich liebt, der hält meine Gebote.’[46] Denn als ein Meister den Herrn fragte, welches das größte Gebot in der Torah sei, antwortete er ihm und sagte: ‘Liebe Gott, Deinen Herrn, mit Deinem ganzen Herz und mit Deiner ganzen Seele und mit Deinem ganzen Verstand und Deinen Nächsten wie Dich selbst. An diesen beiden Geboten hängt die gesamte Torah und die Propheten.’[47] Und hiermit hat unser Lord angezeigt, dass unsere erste Absicht ins Herz dringt, so dass wir Gott über alles lieben und unseren Nächsten wie uns selbst, und alle anderen Dinge um seiner Willen.
<:18a>Dar nâch wirt Mercurius der gewinner, sô diu sêle alliu dinc gît umbe got, unde bringet ze lône daz guot der gotheit, dâ mite ist beslozzen des homelrîches rîcheit, wan unser herre sprach sêlic sint die armen des geistes, wan daz himelrîche daz ist ir.
<:18b>Der sechst stern haist Mercurius der ein gewinner der sel ist dy alle ding vmb got geit. Vnd pringt zw lan das guet der gothait in dem der schatz des himelreichs peslozzen ist. Da von sprach der herr ihesus. S(lig sind dy armen des geists wan ir ist das reich der himel.



Der w(r ein rechter armer mensch des geists der als das hiet das got peschaffen hat vnd da pey an seim geist chain aigenschafft leiden möcht. Dar vmb wer recht well arm sein der geb alle gab dy er nach sel vnd leib enphangen hat vnd opphers got alle tag rain vnd lawter hin wider von dem er sy hat. [435va] Wann dy armuet des geists ist ein pleiben in got. Vnd mit dem hat der mensch got mer gegenwürtigen dann sich selber. Wann dy armen des geists sind dy warn dimuetigen dy sy mit gedult pesezzen haben den selben smekcht albeg pas so sy alle creatur versm(hen t(t vnd fluch dann das man in vil er peweiset. Wann das vinden wir von allen den dy christo ihesu in dem weg der warhait volchömen leichen haben nach gevoligt. Wann dy recht willigen armen des geists solten im chlöstern sein vnd solten zw der tugent chewsch vnd gehorsam halten. Aber ir ist wenig die dar in gegen got genuegsam seinn. Wann gieng ettleichen m(r ein, ay ab er mürnilet dar vmb. Das sind dy fleischleichen dy mer lust suehen dann rechte natturfft vnd an der stat ab nemen da sy solten zS nemen. Von den sand Augustin spricht. Ich han nicht pesser funden [435vb] dann dy im chlaster zS nemen vnd han auch nicht pöser funden dann dy dar inn abnemen. Vnd also l(t es sich hie als tuen was dort sol sw(rleich püesst wern. Wann da geschiecht grazzer val da grasse erchantnis ist recht ze lebn vnd versm(cht das. Wann in dem wirt got gelaidigt der nachste geergert vnd er selber verdambt. Got ist volchömen also wil er auch nichts vom menschen vnvolprachts haben das er vermag verstet vnd versehung hat. Vber das spricht Anshelmus seit der mensch zw dem nicht volpracht wirt zw dem peschaffen ist er werd dann gleich den engeln in den chain sünt ist wie wirt dann den geschehen dy den hawffen der sünten t(glich mern Da sis gantz solten petzaln vnd abtuen vnd vil lans im himel erwerben. Vnd ob der here yetzund zw vnseren sünten gesweigt er wirt dar nach schrein als ein weib dy zw ein chind get. Vnd wirt [436ra] sprechen nymb war das hastu tan vnd ich han geswigen vnd dein sünt sind mir petzaihent als gelt in ein s(kchlein nymb das dw erwarben hast. So schaitt sich dann von im als das guet das er möcht ewichlaich pehalten haben. Dar vmb ist es an tzweifel war das all die im chlöstern dy ir fleisch nier an rechte nat lieb haben dann dy sel das dy nymer zw eim volprachten leben chömen mügen. Vnd also machen sy in zw ir selber schaden eim strikch dar an sy iner der hell erhangen wern.
<:18a>Danach wird Merkur der Gewinner sein, wenn die Seele alles hergibt um Gottes willen, und er bringt as Lohn das Gut der Gottheit, das die Reichtümer der Himmelreiche umschließt, denn unser Herr sagte:[48] ‘Selig sind die Armen im Geiste, denn ihrer wird das Himmelreich sein.’

<:18b>Der sechste Stern heißt Merkur, der ein Gewinner der Seele ist, die alle Dinge um Gott gibt. Und er bringt as Lohn das Gut der Gottheit, das die Reichtümer der Himmelreiche umschließt. Hiervon sprach der Herr:[49] ‘Selig sind die Armen im Geiste, denn ihrer wird das Himmelreich sein.’
Der wäre ein rechter, armer Mensch des Geistes, der das besitzt, was Gott schuf, ohne dadurch zu leiden, dass er dem Geist nach an ihm hängt. Wer darum wirklich arm sein will, der soll alle Gaben hergeben, die er an Seele und Leib empfangen hat, und sie rein und ernsthaft Godd opfern, von dem man sie erhalten hat. Denn Armut im Geist meint ein Bleiben in Gott. Und hiermit hat man Gott näher bei sich als sich selbst. Denn der Arme im Geist sind die wirklich Demütigen, die sie mit Geduld besessen haben. Sie schmecken alles zu jeder Zeit, darum weisen sie alle Kreaturen zurück und fluchen darüber, dass man ihnen viel Ehre erweist. Denn dies finden wir bei all denjenigen, die Christus Jesus auf dem Weg der Wahrheit vollkommen gefolgt sind. Denn diejenigen, die recht arm sein wollen, sollen in den Klöstern bleiben und keusch und gehorsam sein. Doch es sind wenige, die Gott gegenüber darin zufriedenstellend sind. Denn viele sind eingetreten, doch sie hadern. Dies sind die leiblichen, die mehr auf Lust aus sind denn auf die rechten Bedürfnisse und an den Stellen abnehmen, an denen sie zunehmen sollen. Von diesen spricht Augustinus: ‘Ich habe niemand besseres gefunden als diejenigen, die in Klöstern wachsen, doch Ich habe niemand schlimmeres gefunden als diejenigen, die darin abnehmen.’ Und folglich ist einem hier das erlaubt, wofür man anderswo eine deftige Strafe bezahlen müsste. Denn wo die größere Erkenntnis besteht, wie man leben und was man zurückweisen soll, dort geschieht der tiefere Fall. Denn hierin wird Gott beleidigt, der Nächste verärgert und man selbst verurteilt. Gott ist vollkommen, darum will er nicht, dass man nicht all das erfüllt, was man kann, versteht und wofür man vorgesehen war. Dazu sagt Anselm: ‘Nachdem der Mensch nicht vollkommen zu dem gebracht wurde, wozu er geschaffen wurde, es sei denn man ist den Engeln gleich, in denen keine Sünde existiert, was will dann mit denen geschehen, die täglich den Haufen Sünde auf sich anwachsen lassen, da sie für einen großen Lohn im Himmel zahlen, für ihn genügen und ihn erwerben sollen?’ Und selbst wenn der Herr derzeit unseren Sünden gegenüber schweigt, wird er über sie wie eine Frau bei der Geburt eines Kindes klagen:[50] ‘Nimm wahr, das hast Du getan und ich habe geschwiegen und Deine Sünden sind mir wie mit Geld in einem Sack bezahlt, nimm was Du erworben hast.’ So verlässt es ihn wie das Gute, das er hätte behalten wollen. Darum ist es unzweifelhaft wahr, dass diejenigen in den Klöstern, die ihren Leib ohne Notdurft mehr lieben als ihre Seele, nie zu einem erfüllten Leben gelangen werden. Und so schaffen sie sich mit ihm zu ihrem eigenen Schaden einen Strick, durch den sie in der Hölle erhängt werden.
<:19a>Dar nâch wirt der mâne der loufer unde bringet ze lône die begrîfunge der sêlikeit, wan sant Paulus sprichet ir sult alsô loufen, daz ir begrîfet.
<:19b>Der sibent planet ist der man der ein lawffer haist vnd pringt ze lan das pegreiffen der s(lichait.
<:19a>Danach wird der Mond der Läufer sein und er bringt den Lohn der Seligkeit, denn der heilige Paulus sagt:[51] ‘Ihr sollt laufen, damit Ihr begreift.’
<:19b>Der siebte Planet ist der Mond, der Läufer genannt wird, und er bringt als Lohn das Begreifen der Seligkeit.
<:20a>Nû begrîfet diu sêle got aller eigenlîchest, wenne si loufet zuo im mit einem fridesamen herzen, wan sîn stat ist in vride, wan unser herre got erwelet im den vride ze sînen kinden unde daz erbe der begrîfunge der êwigen sêlikeit ist der kinde, wan unser herre sprach sêlic sint die fridesamen, wan sie werden geheizen gotes kinder.
<:20b>Wann dy sel pegreifft got am nachsten so sy mit eim fridleichen hertzen zw im lawfft. Wann sein stat ist im frid vnd hat vns im frid zw seinn chinden erwelt awff das dy ewig sälichait vnser erib wurd. Dar vmb sprach der herr ihesus s(lig sind dy fridleichen wann [436rb] sy wern chinder gots gehaissen.
<:20a> Nun begreift die Seele Gott am eigenlichsten, wenn sie zu ihm mit einem friedlichen Herz läuft, denn Sein Ort ist ein Ort der Ruhe, denn unser Herr, Gott, hat uns als seine Kinder in Frieden gewählt und das Herbe des Begreifens der ewigen Seligkeit gehört den Kindern, denn unser Herr sagte:[52] ‘Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.’
<:20b>Denn die Seele begreift Gott am eigenlichsten, wenn sie zu ihm mit einem friedlichen Herz läuft, denn Sein Ort ist ein Ort der Ruhe, und er hat uns als seine Kinder in Frieden gewählt, auf dass die ewige Seligkeit unser Erbe wurde. Darum sprach der Herr Jesus:[53] ‘Selig sind die Friedfertigen, denn sie werden Kinder Gottes genannt werden.’
<:21a>Oben disen sternen der planêten ist der himel, an dem die gevestenten sterne sint, die des nahtes liuhtent, unde bezeichent alliu diu werk, diu diu sêle würket. Diu süllent in der naht des schaten dirre welte liuhten vor den liuten, wan unser herre sprach alsô süllent liuhten iuwer guotiu werc vor den liuten, daz sie sehen iuwer guotiu werc und êren iuwern vater, der in dem himel ist. Nû enpfâhent alle die andern sterne ir lieht von dem schîne der sunne klârheit. (214) und doch Vênus, der minne sterne, aller lûterlîchest schînet. Alsô süllen alliu unseriu werc, diu wir würken, kraft unde lieht enpfâhen aller lûterlîchest und aller meist, sô wir in uns haben vollekomenlîche die art der lieben Vênus, der minne sterne, wan der ist ein enpfenclicheit des sunnenschînes der wâren unde der klâren gotheit.
<:21b>Hie sol man wissen das ob den planeten der himel ist an dem dy stern stenn dy man pay der nacht siecht lewchten. Vnd pedewten der sel werch dy also süllen gewurt sein das sy vor den menschen lewchten zw dem lob gots vnd zw pessrung dem nachsten. wann all stern enphahen ir liecht von dem chlarn schein der sunn vnd doch Venus der lieber am lawtristen.





Also
süllen alle vnsre werch chrafft vnd lawterichait des vol chömen liechts enphahen vnd süllen in der tugent der lieb dy all ander tugent Rberscheint mit irm liecht als dy sunn dy stern vor got lewchten. wann als got in dem gestirnten vnd vmblawffunden himel nicht anders ist dann ein peweger vnd ein prunn der infliessunden chrafft. Also ist er auch hie in der sel ein peweger der freihait vnsers willen zw im selber vnd zw allen gueten dingen.
<:21a>Über diesen Sternen ist der Himmel, in dem die Sterne befestigt sind, die nachts leuchten, und sie bedeuten alle Werke, die die Seele wirkt. Diese sollen vor den Leuten leuchten in dem Schatten dieser Welt, denn unser Herr sagte:[54] ‘So sollen Eure guten Werke vor den Menschen Leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater, der im Himmel ist, ehren.’ Nun erhalten alle anderen Sterne ihr Licht vom Schein des Glanzes der Sonne, doch Venus, der Liebesstern, er scheint am reinsten. Folglich sollen alle Werke, die wir tun, am reinsten und größten Kraft und Licht empfangen, damit wir in uns vollkommen die Art der geliebten Venus, den Liebesstern, besitzen, denn dieser ist der Empfänger des Sonnenstrahls der wahren und glorreichen Gottheit.
<:21b>An dieser Stelle soll man bedenken, dass über den Planeten der Himmel ist, an dem die Sterne stehen, die man bei Nacht leuchten sieht. Und sie bedeuten das Handeln der Seele, das so geleitet sein soll, dass es vor den Menschen zum Lob Gottes und zur Besserung des Nächsten leuchten soll. Denn alle Sterne erhalten ihr Licht vom Schein des Glanzes der Sonne, jedoch Venus, der Liebesstern, er scheint am reinsten.


Folglich sollen alle unsere Werke Kraft und Reinheit des vollkommenen Lichts empfangen und sollen in der Tugend der Liebe, die mit ihrem Licht alle anderen Tugend überscheint wie die Sonne die Sterne, vor Gott leuchten, denn Gott ist im Gestirn und im umlaufenden Himmel nichts anderes als ein Beweger und ein Brunnen der einfließenden Kraft. So ist er auch hier in der Seele ein Beweger der Freiheit unseres Willens für ihn selbst und gegenüber allen guten Dingen.

<:22b>Nach dem himmel ist ein vnpewegleicher himmel vnd ist dy stat der s(lichait [436va] in dem got sein persanleiche werch volpringt. Also sol dy sel nach der ainung des himels dy tugent in sich tziehen so wirt sy ein himlische wanung der gothait in des werch sy sölhe süezzichait enph(cht dy allen den verpargen ist dy den stannt des fewrigen himmels nicht sh(tzen, Nicht das der himel prunn sunder das götleich liecht ist sein chlarhait vnd all dy dar inn sind dy prunnen in götleicher lieb.

<:22b>Über dem Himmel ist ein unbeweglicher Himmel und es ist die Stätte der Seligkeit, in welchem Gott sein persönliches Werk vollbringt. So soll die Seele nach der Einheit des Himmels die Tugend in sich hineinziehen, dann wird sie eine himmlische Wohnung der Gottheit, in deren Werk sie solch eine Wonne erhalten wird, die all denen verborgen ist, die die Beständigkeit des feurigen Himmels nicht zu schätzen wissen. Dass der Himmel kein Brunnen ist, sondern das göttliche Licht ist sein Glanz und alles, was darin ist, sind Brunnen in göttlicher Liebe.

<:23b>Dy maister sprechen das nach dem iungsten tag der lufft als lawter werd das man ein anmaissen von der erden am himel sehen möcht. Nw ist der obrist himel von vns als verrer so ein mensch tzehen twsent iar als snell ch(m als ein ch(mel das ains tags als verer lawfft als ein ros in drein tagen aller erst ch(m er zw dem obristen himel. Da pey mag man wol verstan wie verr vns dy sünt von got pracht hab seit des himels höchs nyembt gesch(tzen mag dy von vns zw im ist
Awff das [436vb] spricht Gregorius im vierden puech Dialogorum. Nach dem vnd der erst vater menschleichs gesl(chts durch der sünt willen aws den frewden des paradeis verstözzen ward vnd cham in dy plintichait des ellents dy wir leiden. Vnd da er mit sünten aws im cham da mocht er nicht mer sehen dy grazzer frewd des himelschen vaterlants dy er vor peschawet het. Wann im paradeis hört er dy wart gots vnd was vnter den engel der s(ligen geist mit rainchait des hertzen vnd mit der höch des gesichts. Dar vmb ist es das wir menschen dy von im chömen sind hörn das ein himlisch vaterlant sey vnd das die engel gots des selben vaterlants purger seinn vnd das der gerechten menschen geist der selben engel gesellen wern. Aber all fleischlaich menschen tzweifeln dar an dar vmb das sy vnsichtige ding nicht wissen durch ervarung. Aber der selb tzweifel mocht in vnseren ersten vater nicht [437ra] sein. Wann da er vonn dem lust des paradeis ward aws gestözzen da gedacht er was er verlorn het wan er het es gesehen das vns als im frömd ist

<:23b>Die Meister sagen, dass nach dem jüngsten Gericht die Luft so rein wird, dass man vom Himmel herab eine Ameise auf der Erde sehen könnte. Nun ist der höchste Himmel so weit entfernt von uns wie ein Mensch, der zehntausend Jahre lang so schnell rennen würde wie ein Kamel am Tag weiter kommt als ein Pferd in drei Tagen, nur dann würde man zum höchsten Himmel gelangen. Hierduch kann man wohl verstehen, wie weit die Sünde uns von Gott entfernt hat, da die Entfernung zwischen uns und dem Himmel niemand schätzen kann.
Hierüber sagt Gregorius in dem vierten Buch der Dialoge: Hiernach wurde auch der Vater des menschlichen Geschlechts aus den Freuden des Paradieses wegen der Sünde herausgedrängt und gerat in die Blindheit des Elends, das wir erleiden, und da er mit Sünden aus ihm herauskam, konnte er die größere Freude des himmlischen Vaterlandes nicht mehr sehen, die er zuvor sehen konnte. Denn im Paradies hörte er die Worte Gottes und er war der gesegnete Geist mit einem reinen Herz und einem hohen Angesicht. Hiervon kommt, dass wir folglich, die wir von ihm abstammen, hören, dass es da ein Vaterland gibt und dass die Engel Bürger desselben Vaterlandes sind und dass der Geist der gerechten Menschen Mitbürger derselben Engel sein werden. Doch alle leiblichen Menschen zweifeln daran, denn sie kennen keine unsichtbaren Dinge aus mangelnder Erfahrung. Doch derselbe Zweifel konnte in unserem ersten Vater nicht vorhanden sein. Denn als er aus der Lust des Paradieses herausgeworfen wurde, dachte er darüber nach, was er verloren hatte, denn er hatte gesehen, was für uns wie ihm fremd ist.

<:24b>Dar nach sol man wissen das der vmblawffund himel weder wesen noch leben geit sundern er lawfft zw dem dar zS in got in seim ersten vrsprung peschaffen hat. Also sol ein mensch alle seine werch würchen zw dem er peschaffen ist vnd sol dar vmb weder himel noch hell nicht an sehen. Sunder als er aws got ist geflozzen also sol er wider in in fliezzen. In dem himel in dem dy engel vnd dy s(ligen sel sind in dem ist ewichait vernüftichait vnd warhait. Dar vmb hat dy obrist welt mit der welt hie als wenig ze schaffen als das liecht mit der vinster. Vnd dar vmb das dy welt hie vnwarhafft ist so erscheinen dy rechten warhaften in der obristen welt vor der [437rb] warhait in der warhait vnd dy warhait scheint in in. Vnd vmb das haizz ich dar vmb dy welt nyembt lazzen sunder dy sünt vnd dy ding dy zw sünten tziehen. Wan got ist der aller höchst vnpeschaffen himel den all himmel nach seiner natur nicht pegreiffen mügen.

<:24b>Folglich soll man wissen, dass der umlaufende Himmel weder Sein noch Leben gibt, sondern er darauf zu läuft, als was ihn Gott im ersten Ursprung geschaffen hatte. So soll der Mensch all sein Handeln mit dem Ziel tun, für das er geschaffen wurde, und darum soll er weder auf Himmel noch auf Hölle achten. Statt dessen soll er, wie er aus Gott geflossen ist, auch in Gott zurückfließen. Im Himmel, in welchem die Engel und die Seele der Gesegneten sind, in ihm ist ewiger Intellekt und Wahrheit. Darum hat die höchste Welt so wenig mit dieser Welt zu tun wie Licht mit Dunkelheit. Und wie die Welt hier folglich unwirklich ist, werden die wirklich Wahren in der höchsten Welt vor der Wahrheit, in der Wahrheit erscheinen und die Wahrheit wird in ihnen aufscheinen. Und deshalb bitte ich niemals, diese Welt loszulassen, sondern die Sünden und diejenigen Dinge, die zur Sünde hinziehen. Denn Gott ist der höchste, ungeschaffene Himmel, den alle Himmel in seiner Natur nicht ergreifen können.

<:25b>Dy maister sprechen das es von der erden tzw meil oder verrer ob vns als still sey das man da in sant oder in pulluer schreiben möcht. Dar vmb wer sich in der still seins hertzen erhebt vnd dar inn st(t ist der mag an hinternüzz in sich schreiben was got von im haben wil. Wann ye nahenter dy sunn der erden ist ye nymmer sy chrafft der frucht hat. Der man der ein hefen des himels haisst der ist der erden nahenter dann chain stern vnd hat natürleich prechen vnd ist ettwann liecht vnd ettwann vinster. Also ist es vmb dy sel ze nahenter sy den tzeitleichen dingen ist ze vnedler sy ist

<:25b>Die Meister sagen, dass es zwei Meilen über der Erde oder noch weiter über uns so ruhig sei, dass man dort in Sand oder Puder schreiben könnte. Wer sich folglich in die Ruhe seines Herzens erhebt und darin verharrt, kann in sich ohne Hindernis einschreiben, was Gott von jemand haben will. Denn je näher die Sonne der Erde ist, desto weniger fruchtbringende Kraft hat sie. Der Mond, der eine Hefe des Himmels genannt wird, der ist der Erde näher als irgendein anderer Stern und hat natürliche Mängel und ist manchmal hell und manchmal finster. Genauso ist es mit der Seele: je näher sie den zeitlichen Dingen ist, umso unedler ist sie.

<:26b>Es spricht auch Aristotiles das ettleich geist sind der yeder in sein himmel ist [437va] vnd treibt darr vmb vnn ist gantzer in eim yeden stükchlein des selben himels. Als in dem achtten himel an dem als vil stern sind ist ein engel der den selben himel vmb treibt vnd ist in eim yeden stern gantz. Vnd also ist er ains mals mit ein ander an vil steten. Vnd dar vmb ob man halt den himel tailt es wird dar vber der engel nicht tailt der im himel gegenwurtig ist vnd in eim yeden tail des himels.

<:26b>Auch Aristoteles sagt, dass es viele Geister gibt, die alle ihren eigenen Himmel besitzen und sich darum bewegen, and dass in jedem Stückchen das Gantze desselben Himmels sei. Wie im achten Himmel, in welchem es so viele Sterne gibt, dort gibt es einen Engel, der denselben Himmel im Kreis treibt, doch ist er gäntzlich in jedem Stern. Und so ist er zugleich ein einziger an vielen Stätten. Und wenn man dann den Himmel teilte, würde doch der Engel darüber nicht geteilt, der in diesem Himmel und in jedem Teil des Himmels gegenwärtig ist.

<:27b>Pey dem himel sol man sunder vier ding versten. Das ist das er st(t ist vnd rain. vnd pehalt alle ding an im vnd macht mit seim influzz dy iryden ding fruchtp(r. Dy vier ding sol ein mensch an im haben der ein himel well sein der warnung gots

<:27b>Was den Himmel betrifft, soll man vier Dinge verstehen,[55] nämlich, dass er konstant und rein ist und alle Dinge in sich behält und durch seinen Einfluss alle irdischen Dinge fruchtbar macht. Diese vier Dinge soll ein Mensch in sich haben, der ein Himmel der Wohnstätte Gottes sein will.

<:28b>des ersten sol er st(t sein als der himel also das sein willen nach dem willen gots sey. Wann das haws das awff einem vels pawet ist das ist sicher vnd vesst vor wint vnd wasser. Also wann der mensch seine werch mit rechter mainung awff den vels christum pawet vnd seiner ler vnd ebennpilden nachuoligt vnd st(t awff dem pleibt so mag im der wint der anweigung noch dy wasser der widerw(rtichait als vasst myner geschaden [437vb] das er entleich yrmmer verderib oder dy hant gots pehalt in in eim rechten weg

<:28b>Zum ersten soll man konstant sein wie der Himmelt, so dass sein Will dem Willen Gottes gemäß sein soll. Denn das Haus, das auf einen Fels gebaut ist, ist gesichert und widersteht Winter und Wasser.[56]  Wenn folglich ein Mensch seine Handlungen mit der rechten Absicht auf dem Fels Christi und seiner Lehre angeht und seinem Bild folgt und beständig dabei bleibt, dann können weder der der Wind der Anfechtung noch die Wasser der Herausforderung irgendeinen Schaden tun, so dass man schließlich nie verdirbt, oder die Hand Gottes hält ihn auf dem rechten Pfad.

<:29b>Zwm andern mal so ist der himel rain. Wer in ein truebs wasser sieht der mag seiner gestalt dar inn nicht erchenren. Also ist das menschen sel dy weil sy mit tzeitleichen dingen in ir selber gemengt ist so mag sy die rainchait gots des himlischen herscher nicht erchernen. Awff das spricht sand pernhart Dar vmb erchennt dy hannt der sunn nicht als wol als das awg dar vmb das sy nicht als lawter ist als das awg wi wol dy sel in allen glidern volchömen ist. Also mag der fleischlaich mensch des geists Mbung als wol nicht erchernen als der and(chtig mensch

<:29b>Zweitens,[57] dass der Himmel rein ist. Wer in ein trübes Wasser schaut, dann seine Gestalt darin nicht sehen. So ist die Seele eines Menschen. Solange sie in sich mit zeitlichen Dingen vermengt ist, kann sie die Reinheit Gottes, des himmlischen Herrschers, nicht erkennen. Hierüber sagt der heilige Bernhard: Die Hand kann die Sonne nicht so erkennen wie das Auge, denn sie ist nicht so rein wie das Auge, auch wenn die Seele vollkommen in allen Körperteilen ist. Folglich kann der leibliche Mensch spirituelle Übungen nicht so gut erkennen wie der fromme Mensch.

<:30b>Zwm dritten mal pehalt der himmel an im alle ding. Also sol dy sel in allen dingen dy lieb an got vnd in got pehalten. Also das der mensch dy frewent in got lieb hab vnd dy veint durch got

<:30b>Drittens, der Himmel bewahrt alle Dinge in sich. So soll die Seele in allen Dingen die Liebe zu Gott und in Gott erhalten. Auch dass der Mensch die Freunde in Gott liebt und die Feinde um Gottes willen.

<:31b>Zwm vierden mal macht der himel mit seim influzz dy iryden ding fruchtp(r. Wann er ist ein stuel gots vnd [438ra] dy erden ein schamel seiner füezz. Dar vmb welhe sel dy werch gots mit eim zS nemen in sich nicht chert nach der lang vnd prait seiner lieb dy tött sich selber. Dar vmb spricht dy trew sel im puech der lieb. Chot mein herr trukch mich in dich als ein wachs in ein sigel. Dar vmb welcher sel die lieb gots hewer pas smekcht dann vert vnd haiss eer pegier zw im hat dy hat in recht lieb. Ein maister spricht wer arm ist der pegert reichtums vnd wer müed ist der pegert rue vnd wer siech ist der pegert des gesunts. Also sol dy sel tuen vnd sol von got pegern das er sy in gnaden reich mach vnd ir in im rue geb vnd sy gesunt mach von allen sünten. Wann der daner chümbt von nichte anders dann von vngleichait. Also sol dy sel alle vngleiche ding von ir aws treiben so mag sy sich vnd got erchernen. Wann vnser natur hat an ir das sy dem vater albeg gleich pern wil vnd wurd sy nicht gehinttert so wurd ein sun porn vnd nymer chain tachter. Also ist es hie an vns hiet dy sel nicht hinternus so waricht sy von natur albeg guete werch vnd myner chain sünt [438rb]

<:31b>Viertens, macht der Himmel mit seinem Einfluss die irdischen Dinge fruchtbar. Denn er ist ein Stuhl Gottes und die Erde ist der Schemel für seine Füße. Eine Seele, die die Werke Gottes, die in ihr wachsen, nicht nach Länge und Breite seiner Liebe bewegt, bringt sich darum selbst um. Deshalb spricht die getreue Seele im Buch der Liebe: ‘Gott, mein Herr, drücke mich in Dich wie das Wachs in ein Sigel. Die Seele, die hier allzeit die Liebe Gottes schmeckt und wird und eher eine Sehnsucht nach ihm heißt, liebt ihn darum wirklich. Ein Meister sagt: Wer arm ist, wünscht sich Reichtum, und wer müde ist, wünscht sich Ruhe, und wer krank ist wünscht sich Gesundheit. So soll die Seele tun und sich nach Gott sehnen, dass er sie reich an Gnade mache, ihr Ruhe schenke und sie heile von all ihren Sünden. Denn die Entfernung kommt alleine durch Ungleichheit. Darum soll die Seele aus ihr alle ungleichen Dinge vertreiben, so dass sie sich selbst und Gott erkennen kann. Denn unsere Natur ist so in sich selbst angelegt, dass sie allzeit den Vater zeugen will, und wäre sie nicht davon abgehalten, würde ein Sohn und keine Tochter geboren. So ist es mit uns hier. Würde die Seele nicht gehindert, täte sie allzeit gute Werke und, keinerlei Sünde.

<:32b>Es schreiben auch dy maister das ein yeder stern am himel als gras vnd weit sey als das gantz edreich der welt. Da pey man wol versten mag wie gar vnsch(tzleich weit der himel ist seit der stern so vil ist der tzal nyembt wais dann got vnd wie gar ein chlainer flekch dy erden da pey ist. Vnd als ain stern liechter scheint dann der ander also scheint im himel ain heiligen vor dem andern. Wann da got den himel peschueff da peschueff er in auch voller engel also das ir mer ist dann laub vnd gras. Vnd ein yeder engel hat sein sunder natur also das chainer dem andern gleich ist. Vnd durch ir natur flewst vns her ab paide liecht vnd gab. Vnd den selben aws flus raicht got der sel zw enphahen. Da von sandus Augenstin spricht als das vns got geit das flewst vns durch dy engel zS. Got ist ein vnpegreifleichs liecht das nicht ents hat vnd ist nichts so lawter das in dy sel chömen müg dann er allain. Vnd ist auch nichts das dy sel nach irer pegier erfüllen müg dann got allein. Vnd ye lawterer dy sel in vnschuld stet ye grösser ist das liecht irer erschantnüzz zw got. Vnd das wart das got ewichleichen spricht das leit so tewff in der sel das man [438va] es wader wissen noch hörn mag. Da ist ein still an lawt vnd dy höchsten chrefft pieten den nydristen. Wann als lang ein gueter mensch awff erden lebt so hat sein sel in ewichait einen fürgang. Vnd got lokcht vns zw im mit seim lan als ein lamp mit eim grüenn laub von einer stat zw der andern gelokcht wirt. Vnd als das got zw lan geben mag das ist er selber. Wann an dem tag da sand Augenstin pechert wart da chund er nicht ersatt wernn in dem wunnsamen lust den er het von der huet dy got der sel legt da mit er sy zw im pechert. Dar vmb ist das vnser höchst das wir chömen zw dem liecht götleicher erchantnus. Vnd dy selb erchantnus ist dan noch als chalin das wir dy mynrist warhait nicht pegreiffen mügen dy von den engeln im himel lawter pechawt wirt. Vnd mit der selben vntzeleichen menig der heiligen engel hat vns got geert vns zw pechüetten als vil wir irer gueten vermanung volgen des wir von nat vnserer s(lichait schuldig seinn. Wann got der herr wais all vnser chrankchait vnd prechen vnd sein lieb engel dy pey vns sind [438vb] sehen vnd merkchen dy anweigung vnserer veint vnd dy strikch dy sy awff vnsern val richten dy albeg zw hilff haben dy welt vnd dy pös pegier vnsers leichnams.

<:32b>Die Meister schreiben auch, dass ein jeglicher Stern im Himmel so groß und breit ist wie das gesamte Erdreich der Welt. Hierdurch kann man sehen, wie unschätzbar weit der Himmel ist, da es so viele Sterne gibt, deren Zahl niemand kenn außer Gott, and was für ein kleiner Fleck die Erde hierin ist. Und wie ein Stern heller als der andere scheint, so scheint im Himmel ein Heiliger vor dem anderen. Denn als Gott den Himmel schuf, schuf er ihn voller Engel, so dass es mehr Engel als Blätter und Gras gibt. Und jeder Engel hat seine eigene Natur, so dass keiner dem anderen gleicht. Und durch ihre Natur fließen sowohl Licht wie Gaben zu uns herab. Aus diesem selben Ausfließen ermöglicht es Gott, dass die Seele empfängt. Hiervon sagt der heilige Augustinus: Was uns Gott gibt, fließt durch die Engel. Gott ist ein unfassbares Licht, das keine Enden hat, und nichts ist so rein, dass es in die Seele kommen kann, außer er allein. Und nichts kann die Sehnsucht der Seele erfüllen als alleine er. Und je reiner die Seele in Unschuld steht, desto größer ist das Licht ihrer Erkenntnis Gottes. Und dies ist es, das Gott ewig spricht, es liegt so tief in der Seele, dass man es weder wissen noch hören kann. Es gibt eine Ruhe ohne Laut and die höchsten Kräfte bieten sich den Geringsten an. Denn solange ein guter Mensch auf Erden lebt, hat seine Seele einen Eingang. Und Gott lockt uns zu ihm mit seinem Lohn wie ein Lamm mit einem grünen Blatt von einem Ort zum anderen gelockt wird. Und was Gott als Lohn geben kann, das ist er selbst. Denn am Tag, als Augustinus bekehrt worden ist, konnte er nicht von der lieblichen Lust zufrieden gestellt werden, die er durch die Bedeckung der Seele erhalten hatte, die Gott auf die Seele stülpte, um ihn zu bekehren. Darum ist es für uns das Beste, dass wir zum Licht göttlicher Erkenntnis gelangen. Doch dieselbe Erkenntnis ist dann noch zu klein, so dass wir nicht die geringste Wahrheit begreifen, die rein von den Engeln im Himmel geschaut wird. Und mit derselben unberechenbaren Menge von Engeln, die uns so sehr beschützen, wie wir ihren guten Ratschlägen folgen, die wir notwendigerweise unserer Seligkeit schuldig sind, hat uns Gott geehrt. Denn Gott kennt all unsere Schwächen und Fehler, und seine geliebten Engel, die mit uns sind, sehen und erkennen die Verführungen unserer Feinde und die Schlingen, die sie auf uns richten, um uns zu Fall zu bringen, und welche beständig die Welt, die bösen Begierden unseres Leibes, zuhilfe haben.

<:33b>Dar vmb spricht sand pauls adr=s septimus. Wir wissen das dy ee geistleich ist aber ich pin vnter dy sünt fleichleich verchawfft. Wann was ich würch des versten ich nicht vnd das ich wolt des würch ich nicht vnd das ich hazz das tuen ich. Vnd also würch ich nicht sunder dy sünt dy in mir want. Wann ich wais das in meim fleichs nicht guets want seit der willen des gueten pey mir ist vnd vind doch des gueten nicht. Wann ich tue nicht das guet das ich wil sunder das pös das ich nicht wil. Vnd wann ich das tuen das ich nicht wil so tuen ich es nicht sunder dy sünt dy in mir ist. Vnd also siech ich ein ander ee in meinen glidern dy der ee meins geists widerstet vnd geit mich gevangen in dy ee der sünt dy in meinen glidern ist. Vnd also dien ich mit meim geist der ee gots aber das fleisch der ee der sünten. Vnd vnter den dingen allen [439ra] ist vns tzwischen hoffnung vnd vorcht ze tuen das guet vnd lassen das pös. Vnd so wir ettwann in das pös vallen so eiln wider in das guet ee vns des pösen strikch ze vasst pintt. Awff das spricht sand Augenstin prüeder alle ding zw pedenkchen vnd nicht sünten das gehört got an aber petruebt wernn vnd leiden vnd sich zw vergessen das gehört den menschen an

<:33b>Darum sagt der heilige Paulus Ad Romanos septimus:[58] ‘Wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist, doch ich bin fleischlich unter Sünde verkauft. Denn was ich tue, verstehe ich nicht. Denn was ich tun will, das tue ich nicht, doch was ich hasse, das tue ich. Darum handle nicht ich, sondern die Sünde, die in mir will. Denn ich weiss, dass in meinem Fleisch nichts Gutes will, da der Wille des Guten mit mir ist und doch finde ich das Gute nicht. Denn ich tue das Gute nicht, das ich will, sondern das Böse, das ich nicht will. Und wenn ich tue, was ich nicht tun will, dann tue nicht ich es, sondern die Sünde, die in mir ist. Folglich sehe ich ein anderes Gesetz in meinen Gliedern, das dem Gesetz meines Geistes widersteht, und es macht mich zum Gefangenen des Gesetzes der Sünde, das in meinen Gliedern wohnt, und so diene ich durch meinen Geist dem Gesetz Gottes, doch mit dem Fleisch dem Gesetz der Sünde.’ Unter allen Dingen zwischen Hoffnung und Furcht, sollen wir das Gute und nicht das Böse tun. Und sollte es geschehen, dass wir dem Bösen verfallen, eilen wir zum Guten, bevor die Schlinge des Bösen uns fest bindet. Hierzu sagt der heilige Augustinus: ‘Brüder, es ist die Sache Gottes, alles zu bedenken und nicht zu sündigen, doch traurig zu werden, zu leiden und sich selbst zu vergessen gehört zum Menschen.’

<:34b>Dar vmb sol der erst planet Saturnus am himel der sel sten mit rainchait des hertzen. Vnd der ander sol vns zw lan pringen das pesitzen das ewig adraich. Der dritt sol vns zw lan pringen gedult in leiden. Der vierd sol vns zw lan pringen dy Mbung der grechtichait. Der fünft sol vns ze lan pringen dy verainung gots in der sel. Der sechst sol vns zw lan pringen dy armuet des geists dy alle ding vmb got geit. Der sibent vnd lest planet sol vns zw lan pringen dy gab der ewigen s(lichait.

<:34b>Darum soll der erste Planet am Himmel der Seele Saturn mit der Reinheit des Herzens sein. Und der zweite soll uns den Lohn des Besitzes der ewigen Erde bringen. Der dritte soll uns als Lohn Geduld im Leiden bringen. Der vierte soll uns als Lohn die Übung der Gerechtigkeit bringen. Der fünfte soll uns als Lohn das Einssein mit Gott in der Seele bringen. Der sechste soll uns als Lohn die Armut des Geistes bringen, das alle Dinge weggibt um Gottes willen. Der siebte und letzte Planet soll uns als Lohn die Gabe der ewigen Seligkeit bringen.

<:35b>Das verleich vns got der vater vnd der sun und der heilig giest. Amen.

<:35b>Das verleih uns Gott der Vater und der Sohn und der heilige Geist. Amen.



[7] Das Thema des Verbergens Gottes ist entwickelt in Eckhart, Hom. C2,3* [97*, S 97].
[8] In seinen bisher bekannten Werken spricht Eckhart wohl öfter von der Schönheit der Kreaturen, doch nie von der der Gottheit.
[9] Vom Antlitz Gottes spricht Eckhart in Hom. T23,5,1* [31*, Q 59], n. 13: ‘daz antlütze gotes ist sîn wesen’, or Hom. T35,2* [43*, Q 54a], n. 7: ‘daz lûter, blôze angesihte gotes’.
[10] Vgl. Iob 26:14: ‘... quis poterit tonitruum magnitudinis illius intueri.’
[11] Vgl. Isa. 45:15: ‘vere tu es Deus absconditus Deus.’
[12] Vielleicht Augustinus, Confessiones VII c. 10 n. 16 (CChr.SL 27, 103,17): ‘et inueni longe me esse a te in regione dissimilitudinis’, oder Confessiones XIII, c. 8 n. 9, ed. Verheijen, 246, 13–4: ‘da mihi te, deus meus …’ The similar reference to Augustine in Eckhart, Hom. T42,1* [56*, Q 20a], n. 5: ‘Sant Augustînus sprichet: herre, nimest dû dich uns, sô gip uns einen andern dich, oder wir engeruowen niemer; wir enwellen anders niht dan dich’.
[13] Vgl. ICor. 2:11: ‘Quis enim hominum scit quae sunt hominis, nisi spiritus hominis, qui in ipso est? ita et quae Dei sunt, nemo cognovit, nisi Spiritus Dei’.
[14] Vgl. Isa. 65:17: ‘Ecce enim ego creo caelos novos, et terram novam; et non erunt in memoria priora, et non ascendent super cor’.
[15] Luc. 21:26.
[16] Vgl. Boethius, De consolatione philosophiae III m. 9 (Moreschini 79, 3): ‘stabilisque manens das cuncta moveri’; see Eckhart, Hom. S11,1* [65*, Q 13], n. 9: ‘Boethius sprichet: got ist ein guot stille stânde, der alliu dinc beweget. Daz got stæte ist, daz machet alliu dinc loufende. Etwaz ist sô lustlich, daz beweget und jaget und machet alliu dinc ze loufenne, daz sie komen wider, dannen sie gevlozzen sint, und blîbet ez unbewegelich in im selber’; vgl. Boethius, De consolatione philosophiae III m. 9 (Moreschini 79, 3): ‘stabilisque manens das cuncta moveri’.
[17] Vgl. zu diesem Gedanken des Himmels, der Sein und Leben verleihtEckhart, Hom. Z4* [118*, Q 81], n. 11: ‘Wan der himel loufet âne underlâz umbe; dar umbe muoz er sinwel sîn, daz er snelliclîche müge umbeloufen, wan er allen crêatûren ir wesen und leben gibet’; vgl. Aristoteles, Phys. VIII c. 8 (t. 53, Θ 260a17–9); und Eckhart, In Sap. n. 191 (LW II 527,3): ‘Propter hoc philosophus probat hunc motum tantum, sphaericum scilicet, esse unum, simplicem et continuum’.
[18] Vielleicht ein Verweis auf dieselbe Schriftstelle wie in n. 3: Isa. 65:17.
[19] Vgl. den ähnlichen Gedanken in Eckhart, Hom. Z4* [118*, Q 81], n. 12: ‘Dar umbe giuzet der engel sîn leben und sîne kraft an den himel und trîbet in âne underlâz umbe und würket alsô mit dem himel alliu leben und alle kraft an den crêatûren’.
[20] Ein ähnlicher Gedanke, dass der Geist die Erde bewegt, findet sich in Eckhart, Hom. T36,1* [46*, Q 29], n. 4: ‘dem geiste, der den himel umbetrîbet, und von dem umbeloufe des himels gruonet und loubet allez, daz in der werlt ist’.
[21] Vgl. den ähnlichen Gedanken, jedoch anders formuliert in Eckhart, Hom. T35,2* [43*, Q 54a], n. 6: ‘Ieglich gesteine und krût ist ein hiuselîn der sternen, daz in im beslozzen hât eine himelische kraft. Alsô als der himel giuzet sîne kraft in die sternen, alsô giezent sie die sternen vürbaz in daz gesteine und in diu kriuter und in diu tier. Daz krût ist edeler dan daz gesteine, wan ez hât ein wahsendez leben. Ez versmâhet im ze wahsenne under dem lîplîchen himel, dâ enwære denne ein vernünftigiu kraft inne, von der ez sîn leben enpfæhet. Alsô als der niderste engel giuzet sîne kraft in den himel und beweget den und tuot in umbeloufen und würken, alsô giuzet der himel sîne kraft gar heimlîche in ein ieglich krût und in diu tier. Dâ von hât ein ieglich krût ein eigenschaft des himels und würket alumbe sich sinwel als der himel. Diu tier tretent baz ûf und hânt vihelich und sinnelich leben und blîbent doch in der zît und in der stat. Aber diu sêle tritet über an irm natiurlîchen liehte in irm hœhsten über zît und über stat in die glîchnisse des liehtes des engels und würket mit im vernünfticlîche in dem himel’.
[22] Vielleicht Isa. 34:4: ‘Et tabescet omnis militia caelorum, et complicabuntur sicut liber caeli.
[23] See the same idea with its relation to the soul in Eckhart, Hom. T7,2* [Jundt 1], n. 20: ‘als der himel geziert ist mit der sunnen vnd mit dem mane vnd mit andern gestirne also sind och der laüt hertzen vnd sele geziert mit erlauchter erchantnüß die sich dem manen glichet vnd mit insbrünstiger liebi die sich der sunnen glichet vnd mit andern tugende die sich den sternen glichent’ (‘as the heaven is embellished with the sun and the moon and with other stars,  so also the hearts and the soul of people are embellished with the enlightened knowledge that likens itself to the moon and with the fervent love that likens itself to the sun and with other virtues that liken themselves with the stars’).
[24] Dass Venus der Sonne am nächsten steht, findet sich auch in Eckhart, Hom. S63,1* [86*, Q 9], n. 15: ‘Als der vrîe sterne, nâch dem vrîtac genant ist, Vênus: der hât manigen namen. Als er vor der sunnen gât und er ê ûfgât dan diu sunne, sô heizet er ein morgensterne; als er der sunnen nâch gât, alsô daz diu sunne ê undergât, sô heizet er ein âbentsterne. Etwenne loufet er ob der sunnen, etwenne bî niden der sunnen. Vor allen sternen ist er alwege glîch nâhe der sunnen; er enkumet ir niemer verrer noch næher’.
[25] Rev. 1:20: ‘Sacramentum septem stellarum, quas vidisti in dextera mea, et septem candelabra aurea: septem stellae, angeli sunt septem ecclesiarum: et candelabra septem, septem ecclesiae sunt’.
[26] See above Version A, n. 4: ‘An disen worten sol man prüeven die üebunge guoter werke der sêle, dâ si sich an übet, swenne sich got in sî alsô verbirget, daz si wirt ein himel der unbegrîflîchen gotheit’.
[27] Rev. 1:20: ‘Sacramentum septem stellarum, quas vidisti in dextera mea, et septem candelabra aurea: septem stellae, angeli sunt septem ecclesiarum: et candelabra septem, septem ecclesiae sunt’.
[28] Vgl. Matth. 5:8: ‘Beati mundo corde: quoniam ipsi Deum videbunt.’
[29] Vgl. Matth. 5:8: ‘Beati mundo corde: quoniam ipsi Deum videbunt.’
[30] Perhaps Ps. 66:2: ‘illuminet vultum suum super nos.’
[31] Hier ist wohl an beide Naturen Christi gedacht.
[32] Vgl. Matth. 5:4: ‘Beati mites: quoniam ipsi possidebunt terram.’
[33] Hier ist wohl an beide Naturen Christi gedacht.
[34] Vgl. Matth. 5:4: ‘Beati mites: quoniam ipsi possidebunt terram.’
[35] Vgl. Matth. 5:10: ‘Beati qui persecutionem patiuntur propter justitiam: quoniam ipsorum est regnum caelorum.
[36] Vgl. Matth. 5:10: ‘Beati qui persecutionem patiuntur propter justitiam: quoniam ipsorum est regnum caelorum.
[37] Vgl. Matth. 5:6: ‘Beati qui esuriunt et sitiunt justitiam: quoniam ipsi saturabuntur.
[38] Vgl. Matth. 5:6: ‘Beati qui esuriunt et sitiunt justitiam: quoniam ipsi saturabuntur.
[39] i.e. justice.
[40] Vgl. Ioh. 14:23: ‘Si quis diligit me, sermonem meum servabit, et Pater meus diliget eum, et ad eum veniemus, et mansionem apud eum faciemus’.
[41] Vgl. Matth. 5:5: ‘Beati qui lugent: quoniam ipsi consolabuntur.
[42] Vgl. Ioh. 14:23: ‘Si quis diligit me, sermonem meum servabit, et Pater meus diliget eum, et ad eum veniemus, et mansionem apud eum faciemus’.
[43] See IIoh. 4:16: ‘qui manet in caritate, in Deo manet, et Deus in eo.
[44] See Matth. 25:41:Discedite a me maledicti in ignem aeternum.
[45] See Ps. 33:9: ‘Gustate et videte quoniam suavis est Dominus.
[46] See Ioh. 14:15: ‘Si diligitis me, mandata mea servate.’
[47] See Matth. 22:35-40: ‘35 ... interrogavit eum unus ex eis legis doctor, tentans eum: 36 Magister, quod est mandatum magnum in lege? 37 Ait illi Jesus: Diliges Dominum Deum tuum ex toto corde tuo, et in tota anima tua, et in tota mente tua. 38 Hoc est maximum, et primum mandatum. 39 Secundum autem simile est huic: Diliges proximum tuum, sicut teipsum. 40 In his duobus mandatis universa lex pendet, et prophetae’; Deut. 6:5: ‘Diliges Dominum Deum tuum ex toto corde tuo, et ex tota anima tua, et ex tota fortitudine tua.’
[48] Vgl. Matth. 5:3: ‘Beati pauperes spiritu, quoniam ipsorum est regnum caelorum’; vgl hierzu Eckhart, Hom. S79,2* [108*, Q 52].
[49] Vgl. Matth. 5:3: ‘Beati pauperes spiritu, quoniam ipsorum est regnum caelorum’; vgl hierzu Eckhart, Hom. S79,2* [108*, Q 52].
[50] Quelle unbekannt.
[51] Vgl. ICor. 9:24: ‘Sic currite ut comprehendatis’; und auch Phil. 3:12: ‘non quod jam acceperim, aut jam perfectus sim: sequor autem, si quomodo comprehendam in quo et comprehensus sum a Christo Jesu’, or
[52] Vgl. Matth. 5:9: ‘Beati pacifici: quoniam filii Dei vocabuntur.’
[53] Vgl. Matth. 5:9: ‘Beati pacifici: quoniam filii Dei vocabuntur.’
[54] Vgl. Matth. 5:16: ‘Sic luceat lux vestra coram hominibus: ut videant opera vestra bona, et glorificent Patrem vestrum, qui in caelis est.’
[55] See the parallel of n. 27b in Eckhart, Hom. T40,1* [48*; Q 61], n. 6: ‘Vier dinc sol man prüeven an dem himel: daz er stæte ist und reine und beheltet alliu dinc in im und daz er vruhtsam ist. Disiu dinc suln sîn an dem menschen, der ein himel sîn sol, dâ got inne wonet: daz er sî stæte, als der himel stæte ist’ (‘Four things you need to know with regards to heaven: that it is constant and pure and contains all things in itself and that it is fruitful. These things a person needs to be who would be the heaven in which God dwells: he must be constant, as heaven is constant’); on this and the following parallels see F. Löser, ‘Meister Eckhart und der Himmel’ (2016), 129-30.
[56] See, again, the parallel in Eckhart, Hom. T40,1* [48*; Q 61], n. 6: ‘Alsô ist ez zemâle mit dem menschen, der éinen willen mit gote hât ... “swelch hûs gebûwet ist ûf einen stein, daz envellet niht”’ (‘So it is fully with the person who has one will with God ... “The house which is built on stone does not subside”’).
[57] See, again, the parallel in Eckhart, Hom. T40,1* [48*; Q 61], n. 7: ‘Ze dem andern mâle vinden wir reinicheit und lûterkeit an dem himel, als man merken mac an dem wazzer: swenne ez trüebe ist, swaz man danne dar über heltet, daz enbildet sich niht in daz wazzer, wan ez mit dem ertrîche vermenget ist. Swenne ez aber lûter und unvermenget ist, swaz man danne dar über heltet, daz bildet sich dar în. Alsô ist ez mit dem menschen: die wîle er mit den irdischen dingen gemenget ist, sô enkan er sîne reinicheit noch gotes lûterkeit niht bekennen’ (‘Secondly, we find clarity and purity in heaven, as one can see in water: when it is cloudy, what is held above it does not produce an image in the water, because this is mixed with mud. But when it is clear and unmixed, what one then holds over it, will produce its image in it. So it is with man: while he is mixed with earthly things, he can know neither his clarity nor God’s purity’).
[58] Röm. 7:14-23: ’14 Scimus enim quia lex spiritualis est: ego autem carnalis sum, venundatus sub peccato. 15 Quod enim operor, non intelligo: non enim quod volo bonum, hoc ago: sed quod odi malum, illud facio. 16 Si autem quod nolo, illud facio: consentio legi, quoniam bona est. 17 Nunc autem jam non ego operor illud, sed quod habitat in me peccatum. 18 Scio enim quia non habitat in me, hoc est in carne mea, bonum. Nam velle, adjacet mihi: perficere autem bonum, non invenio. 19 Non enim quod volo bonum, hoc facio: sed quod nolo malum, hoc ago. 20 Si autem quod nolo, illud facio: jam non ego operor illud, sed quod habitat in me, peccatum. 21 Invenio igitur legem, volenti mihi facere bonum, quoniam mihi malum adjacet: 22 condelector enim legi Dei secundum interiorem hominem: 23 video autem aliam legem in membris meis, repugnantem legi mentis meae, et captivantem me in lege peccati, quae est in membris meis.’

Predigt T2,2* [Pfeiffer 61]

Dominica II in Adventu Domini
Egredietur virga de radice Jesse et flos de radice eius ascenaet et requiescet super eum spiritus domini’ (Isa. 11:1-2)

<:1>Egredietur virga de radice Jesse et flos de radice eius ascendet et requiescet super eum spiritus domini. Wir lesen hiute in der messe, daz ûz der wurzelen Jesse sol ûz brechen ein ruote und von der ruoten sol wahsen ein bluome und ûf dem bluomen sol ruowen der geist des herren unde sol widerruowen.
<:1>‘Egredietur virga de radice Jesse et flos de radice eius ascendet et requiescet super eum spiritus domini’.[2] Wir lesen heute in der Messe, dass ‘aus der Wurzel Jesse ein Zweig entspringen soll und von dem Zweig eine Blüte wachsen wird und auf der Blume soll der Geist des Herrn ruhen und soll wieder ruhen’.
<:2>Jesse daz sprichet als vil als ein brant, der dâ brinnet; daz ist als vil als minne, dâ si ist in ir in lûterkeit, dâ si noch niht minne geheizen mac unde dâ si enkeine nâtûre geleisten mac, dâ kein fremde zuoval enist. In dem grunde, dâ si sô lûter ist, daz si enkeine nâtûre enhât, in dem grunde, dâ si sô lûter ist, dâ beginnet er ûz wahsen; rehte aldâ in dem innegesten ûz der wurzen, sol ûz wahsen ein bluome. Swaz ûz wahset, daz muoz von nôt driu dinc haben in ime: Daz êrste: ez muoz haben einikeit des, von dem ez gât; daz ander, daz es vil bî sî der selben art; daz dritte, daz ez sî âne zuosetzunge: diz ist eigenlich ein ûzganc. Alsô gât ûz der sun von dem vater und ist ein ander persône bî dem vater und ist daz selbe in dem vater an dem wesenne.

<:2>Jesse bedeutet so viel wie ein Feuer, das da brennt; es bedeutet eigentlich Liebe, wo sie in Reinheit in sich ist, wo sie noch nicht Liebe heißen kann und wo sie kein Wesen besitzen kann, weil kein fremdes Akzident in ihr ist. In dem Grund, in welchem sie so rein ist, dass sie kein Wesen haben kann, in dem Grund, in dem sie so rein ist, da beginnt sie[3] [aus ihm] herauszuwachsen, genau dort, im innersten, aus der Wurzel heraus, soll die Blüte wachsen. Was herauswächst, das braucht in sich notwendigerweise drei Dinge: Erstens: Es muss mit dem eins sein, von dem es stammt. Zweitens: dass es gänzlich von derselben Art ist. Drittens: Dass es ohne Propfen ist. Dies ist im eigentlichen Sinn ein Herausgehen. Auf diese Weise geht der Sohn aus dem Vater und ist eine andere Person bei dem Vater und ist dasselbe im Vater dem Wesen nach.
<:3>Dar umbe sprichet er ‘ûz der wurzelen gât ein ruote, ûz der ruoten gât ein bluome’. Waz ich minne daz muoz ein himelschiu kraft haben mit mir, wan gelîcheit triffet allez in ein unde daz selbe muoz in dem grunde sîn, und waz wehset ûz dem andern, daz ist vil bî in alle wîse der selben art. Der einen apfel zwîet ûf einen birboum, diu fruht smacket nâch in beiden. Alsô ensol ez niht sôn: ez sol smecken nâch einem einigen: der selbe einist niht dar inne und ist doch dar inne. Ez enmöhte niemer gesîn, daz ez ûz gebrechen möhte, ez enwêre vor dar inne gewesen in der lûterkeit, in dem swebenden wesenne. Der wîn ist in der reben und ist niht dar inne und ist doch dar inne.
<:3>Darum sagt er: ‘aus der Wurzel Jesse soll ein Zweig entspringen und aus dem Zweig eine Blüte’. Was ich liebe, muss zusammen mit mir eine einzige himmlische Kraft besitzen, denn Gleichheit bringt alles zusammen in eins und dasselbe muss im Grund sein, und was aus dem anderen wächst, ist in jeder Hinsicht von derselben Art. Wenn man einen Apfel auf einen Birnbaum propft, schmeckt die Frucht nach beiden. So soll es nicht sein. Sie soll nach einem einzigen schmecken: Dasselbe ist nicht darin und doch ist es darin. Es könnte nie herauskommen, wäre es nicht in Reinheit darin, in einem schwebenden Sein.[4] Der Wein ist in der Rebe, er ist nicht darin und ist doch darin.
<:4>Ich spriche von götlicher frîheit, daz er deheiner nâtûre geleisten mac niht dan ein lûter wesen. Der êrste ursprinc gotes daz ist der sun, und ist der sun ein ander denne der vater und ist doch ein mügentheit mit dem vater, unde von in zwein ûz blüeget der heilig geist. Unser meister sprechent: diu sunne ziuhet die bluomen ûz der wurzelen durch den boum und vil nâhe âne zît unde sô lûter, daz sie kein ouge gesehen mac. Diu sêle stât in dem grunde keiner nâtûre, reht in dem grunde der minne, dâ si doch niht minne geheizen mac. Dâ tritet si ûz ir nâtûre, wan diu sêle muoz treten ûz ir nâtûre, reht aldâ lâget got der sêle, daz er si hein ze hûse füere in sich selber, unde waz in daz wesen getragen wirt, daz wirt vil nâch daz selbe wesen. Sô ime diu brût denne heim kumet, sô underwindet er sich ir unde würket mit aller kraft, di er geleisten mac, in sînem grunde, in dem innegesten, dâ niht enist, ez enwürke alzemâle. Der buom der gotheit der blüejet ûz dem grunde, ûz der wurzelen brichet ûz der heilig geist. Der blüejende bluome oder der lust ist der heilig geist. Diu sêle blüejet ûz dem heiligen geiste mit dem vater unde mit dem sune und ûf dem bluomen sol ruowen und sol widerruowen der geist des herren. Er enmöhte niht widerruowen, er enhet e da gerGwet. Der vater unde der sun ruowent ûf dem geiste unde der geist ruowet wider als ze sînem ursprunge. Er möhte ûf mir wol ruowen, aber sol er in mir widerruowen, sô muoz ich wider ûf im ruowen.
<:4>Ich spreche von göttlicher Freiheit, wonach er nicht fähig ist, ein anderes Wesen zu schaffen als ein reines Sein. Das erste Prinzip Gottes ist der Sohn, und der Sohn ist gegenüber dem Vater ein anderer, doch ist er ein Vermögen zusammen mit dem Vater, und aus diesen beiden blüht der Heilige Geist hervor. Unsere Meister sagen, dass die Sonne die Blüten aus den Wurzeln durch den Stamm hervorlockt, und zwar so subtil, zeitlos und so rein, dass es kein Auge beobachten kann. Die Seele steht im Grunde keines Wesens, recht im Grund der Liebe, wo sie noch nicht Liebe genannt werden kann. Dann geht sie aus ihrem Wesen heraus, wann die Seele aus ihrem Wesen herausgehen muss, genau dort liegt Gott und wartet auf sie, um sie heim zu sich selbst zu führen, und was ins Sein gebracht wird, wird gänzlich demselben Sein gemäß.[5] Da die Braut zu ihm nachhause kommt, legt er sich unter sie und agiert mit aller Kraft, die ihm zur Verfügung steht, in seinem Grund, im Intimsten, da, wo nichts ist, da wirkt er vollends. Der Baum der Gottheit blüht aus dem Grund, aus der Wurzel kommt der Heilige Geist hervor. Der Heilige Geist ist die blühende Blühte oder die Lust. Die Seele blüht aus dem Heiligen Geist mit dem Vater und dem Sohn und auf der Blühte soll der Geist des Herrn ruhen und wieder ruhen.[6] Er könnte nicht wieder ruhen, hätte er dort nicht zuvor geruht. Der Vater und der Sohn ruhen auf dem Geist und der Geist ruht wieder wie in seinem Ursprung. Er mag wohl auf mir ruhen, doch soll er wieder in mir ruhen, dann muss ich wieder auf ihm ruhen.
<:5>Waz ist ruowe? Sant Augustînus sprichet: ruowe ist ein berouben aller bewegunge und ein benemen ir selbes nâtûre. Ein meister sprichet: gotes eigenschaft daz ist unbewegelicheit; bewegelicheit hört der creature zG. Man sol über bewegunge komen sîn. Jesse daz sprichet als vil als ein fiur und ein brant unde meinet den grunt götlîcher minne. Ûz dem grunde wehset diu ruote, daz ist diu sêle in ir lûterstem und in ir hoehstem, unde gât ûz dem êrsten grunde, dâ der sun ûz brichet von dem vater. Von der ruoten gât ûz ein bluome, der bluome ist der heilig geist unde dâ sol er ruowen unde widerruowen.
<:5>Was ist Ruhe?[7] Der heilige Augustinus sagt, Ruhe ist die Abwesenheit von jeglicher Bewegung und ein Wegnehmen des Wesens von ihr[8]. Ein Meister sagt:[9] Gottes Eigenschaft ist die Unbeweglichkeit. Beweglichkeit gehört zur Kreatur. Man muss über Bewegung hinweggekommen sein. Jesse bedeutet Feuer und Brand und es bezeichnet den Grund der göttlichen Liebe und den Grund der Seele. Aus diesem Grund wächst der Zweig. Dies ist die Seele in ihrem Reinsten und in ihrem Höchsten, und er schießt hoch aus diesem ersten Grund, aus dem der Sohn aus dem Vater herausbricht. Aus dem Zweig öffnet sich eine Blühte, die Blühte ist der Heilige Geist und da soll er ruhen und wieder ruhen.
<:6>Nû biten wir des unsern lieben herren got, daz wir alsô ruowen in ime und er in uns daz sîn lob und sîn êre daran sî. Des helf uns got. Âmen.
<:6>Nun bitten wir unseren lieben Herrn, Gott, auf dass wir ruhen in ihm und er in uns, damit sein Lob und seine Ehre darin sei, dazu helfe uns Gott. Amen.



[1] J. Quint, Die Überlieferung der deutschen Predigten Meister Eckeharts textkritisch untersucht (1932), 578.
[2] Isa. 11:1-2: ‘(1) egredietur virga de radice Jesse, et flos de radice ejus ascendet. (2) Et requiescet super eum spiritus Domini’.
[3] i.E. die Liebe.
[4] Vgl. den parallelen Gedanken in Eckhart, Hom. 66* [Q 71], n. 17: ‘Dennoch, nime ich ez, dâ ez ûzbrichet, des selben ûzbrechennes muoz ich beroubet werden; ich sol ez nemen, dâ ez in im selben swebende ist. Dennoch spriche ich, im ist unreht: ich sol ez nemen weder, dâ ez rüerende ist noch ûzbrechende ist noch in im selben swebende, wan ez ist noch allez wîse’.
[5] Vgl. Cant. 3:4: ‘4 Paululum cum pertransissem eos, inveni quem diligit anima mea: tenui eum, nec dimittam, donec introducam illum in domum matris meae, et in cubiculum genetricis meae’.
[6] Vgl. Cant. 8:10: ‘Ego murus, et ubera mea sicut turris, ex quo facta sum coram eo, quasi pacem reperiens’.
[7] Vgl. hierzu Eckhart, Hom. 81* [Q 60] and Hom. 114* [Q 15].
[8] i.e. der Bewegung.
[9] Vgl. Boethius, De consolatione philosophiae III 9 (Moreschini 79,3): ‘stabilisque manens das cuncta moveri’; on this see Eckhart, Hom. 114* [Q 15], n. 8: ‘Boecius sprichet: got ist ain vnbeweglich gu°t, in im selber still staend, vnberueret vnd vnbewegt vnd aellu´ ding bewegend’.








Predigt T2,3* [Pfeiffer, Tr. III, Strauch VII, Pahncke, 1909]




<:1>Isaias sprichet usser der wurtzele von Jesse entsprang eyn rude. uff der ruden entsprangk eyne blume, uff der blumen ruwet der geyst gottes myt sieben gaben wißheyt vernunftigkeyt myldigkeyt stircke unde furcht kunste
<:1>Jesaias spricht: ‘Aus der Wurzel Jesse soll ein Zweig entspringen und von dem Zweig wird eine Blüte wachsen und auf der Blüte soll der Geist des Herrn ruhen’ mit sieben Gaben: ‘Weisheit’, ‘Vernunft’, ‘Milde’, ‘Stärke’, und ‘Furcht’, ‘Begabung’.[1]
<:2>wir begene eyn zit die heysset advent advent betudet als viel als eyn zukunfft wir lesen von drierley zukunfft die eyn das got uff erterich kquam an syner menschheyt zu unser lieben frauwen und komet noch degelichs zu der zartten selen und wil kommen zum jungsten dage
<:2>Wir begehen eine Zeit, die Advent heißt. Advent bedeutet so viel wie eine Zukunft. Wir lesen von drei Arten von Zukunft: Die eine, dass Gott auf die Erde kam in seiner Menschheit zu unserer lieben Frau, kommt aber auch täglich zu den zarten Seelen, und wird kommen am jüngsten Tag.
<:3>wir lesen von drierley geburte das der sone von dem vatter geboren ist ewiglich und wart geburn in der zijt von unser lieben frauwen und wurdt geborn degelichs in der seligen selen
<:3>Wir lesen von dreier Art Geburt, dass der Sohn von dem Vater ewig geboren wurde, und in der eit von unserer lieben Frau geboren wurde und täglich in den seligen Seelen geboren wird.
<:4>advent betudet sich als viel als eyn zukunfft zukunfft betudet als viel als eyn gebort gebordt betudet als viel als eyner der sich ingußet alles das der vatter hait das gemeynet er dem sone ane das alleyn er ewigliche geboren ist und nun geboren wurdt also sol er ewiglich geboren werden
ich gieng herinne und enwere zit nach stat nach materie so het ich on underlaiß gestanden da der sone ingußen wardt da ingußen sich alle creaturen mit dem sone und enwere der sone nit ingußen so enweren alle creaturen nit mochte die sunne yren schyn entziehen dem erterich so wurden alle creaturen zu nicht der buchstabe den ich schriben wil enist in myner sele nyt eyn buchstabe er ist aber in myner selen sele der zymmerman der eyn huß buwen wil das huß ist geystlich in syner selen wanne das huß geystlich vollenkomen ist in syner selen so mag er baß sprechen dieß ist myne sele dan diß ist eyn huyß
<:4>Advent bedeutet so viel wie ‘eine Zukunft’. Zukunft bedeutet so viel wie ‘eine Geburt’. Geburt bedeutet so viel wie jemand, der in sich hinein all das, was der Vater besitzt, was er mit dem Sohn teilt, außer, dass dieser allein ewig geboren wurde, jetzt geboren wird und so ewiglich geboren werden wird.
Ich kam hierher, doch gäbe es weder Zeit noch Raum noch Materie, hätte ich unablässig gestanden. Als dem Sohn eingegossen wurde, hätten sich alle Kreaturen selbst eingegossen zusammen mit dem Sohn, doch wenn das Eingiessen des Sohnes nicht stattgefunden hätte, würde keine Kreatur existieren. Wenn die Sonne ihren Strahl der Erde entziehen würde, würden alle Kreaturen zu nichte werden. Der Buchstabe, den ich schreiben werde ist in meiner Seele kein Buchstabe, sondern er ist Seele in meiner Seele. Der Zimmermann, der ein Haus bauen will, der hat das Haus geistig in seiner Seele. Ist das Haus geistig vollkommen in seiner Seele, kann er wirklich offen sagen, dies ist meine Seele anstatt dies ist ein Haus.
<:5>sanctus Jheronimus spricht ee alle creaturen geschaffen wurden da[s] waren alle creaturen in gode got nement eyn glichnisse an der sonnen also alt als die sonne ist also alt ist der schyn were die sonne ewig so were der schin auch ewig
<:5>Der heilige Hieronymus sagt: Bevor jegliche Kreatur geschaffen war, waren alle Kreaturen Gott in Gott. Nehmt etwa als Gleichnis die Sonne. So alt wie die Sonne ist, so alt ist der Sonnenschein. Wäre die Sonne nicht ewig, wäre auch der Sonnenschein nicht ewig.
<:6>Zum andern male wurdt er one underlaiß geborn darumbe ist sin geburdt allezit nuwe als auch der vatter spricht zu dem sone hude hann ich dich geboren die wurtzel die entphehet die fuchtigkeyt von dem erteriche und gußet sie furwardt in den stam des baumes und in die zwige und die zwiger giessent sie furwerdt in die blume und wort davon der appel und der appel hat ußwendig eynen stant an dem baum und ist geystlich in deme baum und die wile der appel in dem baume ist so ist er eyne mit dem baum hie von sprichet eyn kriechschmeystere der von dem glauben nit enwiste enwere zit nach stat nach materie so were vatter und kindt von naturen eyn in got da enist zit nach stat nach materie darum wurde der sone one underlaiß geborn von dem vatter sunder zit und stat und materie darumbe ist der sone in dem vatter eyn one underscheit und alle creaturen werlichen als ferre als icht ist als ferre ist es in godde
<:6>Zweitens, er wird ununterbrochen geboren. Darum ist seine Geburt allzeit eine neue, wie auch der Vater zu dem Sohn sagt: ‘Heute habe ich Dich geboren’.[2] Die Wurzel empfängt die Feuchtigkeit von dem Boden und reicht sie weiter in den Stamm des Baumes und in die Zweige, und die Zweige reichen sie weiter in die Blüte und hiervon entsteht der Apfel, und der Apfel hat außen einen Stengel des Baumes und ist geistig in dem Baum, und während der Apfel in dem Baum ist, ist er eins mit dem Baum. Hiervon spricht ein griechischer Meister, der nichts vom Glauben wusste: Gäbe es weder Zeit noch Raum noch Materie, so wären Vater und Kind von Natur aus eins. In God ist weder Zeit noch Raum noch Materie, darum wird der Sohn ununterbrochen geboren von dem Vater ohne Zeit und Raum und Materie, weshalb der Sohn und alle Kreaturen in dem Vater eins sind ohne Differenz. Und wahrlich insofern etwas ist, insofern ist es in Gott.
<:7>zum dritten male ist er geboren mit aller volkomenheit zumale want der vatter engesprache nye keyn wordt me dann eyn wordt das was der sone und in yme alle dinck als man pruven mag bij gliche mochte der schuwerdt de vollekomenheyt aller schuwe wircken an eyme schuwe so endurffte er keynen schuch me machen mochte man han die volkomenheyt aller pherde an eyme pherde so endurffte man keynes me mochte ich alle myne meynunge bewisen mit eyme wortte so endurffte ich nyt dann eyne wordt sprechen also ist es zumale an unserm herren Jhesu Christo were icht volkomenheyt die an yeme nyt enwere so enmochte uns an yme nit gnugen darumbe hat uns der hymmelsche vatter gegeben alle volkommenheyt an syme sone das wir nyt enbedorfen dan eynes menschen zu erfullungen alle unser unfulkommenheit
<:7>Drittens, ist er geboren in gänzlicher Vollkommenheit, denn der Vater sprach nie ein anderes Wort als dieses Wort. Dieses war der Sohn und in ihm alle Dinge, wie man an einem Beispiel ablesen kann. Wenn der Schumacher die Vollkommenheit aller Schuhe in einem einzigen Schuh herstellen könnte, könnte er keinen weiteren Schuh mehr machen. Wenn man die Vollkommenheit aller Pferde in einem einzigen Pferd besäße, bräuchte man kein weiteres mehr. Wenn ich meine Überzeugung mit einem einzigen Wort unter Beweis stellen könnte, wäre es mir nicht erlaubt, auch nur mehr als eines zu sprechen. So ist es gänzlich mit unserem Herrn Jesus Christus. Gäbe es eine Vollkommenheit, die nicht in ihm wäre, wären wir nicht mit ihm zufrieden. Aus diesem Grund hat der himmlische Vater uns alle Vollkommenheit in seinem Sohn gegeben, so dass wir nichts als einen einzigen Menschen brauchen, um all unsere Unvollkommenheiten zu vervollkommenen.
<:8>von der ewigen geburt wie ist er von syme hymmelschen vatter geborn er ist ewiglich geborn und wordt one underlaiß geboren und sal ewiglich geboren werden davon ensprechen ich nu nit me noch von der gebort wie er geboren ist von unsere lieben frauwen in der zit die ist vollenbracht me wie er degelichs geystlich geboren wurdt in der selen das ist bewiset da er spricht
<:8>Von der ewigen Geburt. Wie wurde er von seinem himmlischen Vater geboren? Er wurde ewig geboren und wird ständig geboren und wird ewig geboren werden. Hiervon sage ich jetzt nicht mehr, weder von dieser Geburt, wie er geboren wurde von unserer lieben Frau in der Zeit, die erfüllt ist, stattdessen davon, wie er täglich in der Seele geboren wird. Dies zeigt sich daran, dass er sagt:
<:9>von der worzeln von yesse sol uff gene eyn gertte und uff der gertten sal entspringen eyn blum und uff der blumen sal ruwen der heilige geyst
<:9>‘Aus der Wurzel Jesse soll ein Zweig entspringen und von dem Zweig wird eine Blüte wachsen und auf der Blüte soll der heilige Geist’.
<:10>an diesen wortten sollen wir pruven druwe dinge welches die wurtzel sij von der got geboren wordt in der selen und weliche wiß und weliche nuße ir davon kommet
<:10>An diesen Worten sollen wir drei Dinge ablesen: Was die Wurzel sei, aus der Gott das Wort in der Seele gebar, und auf welche Weise und zu welchen Nutzen sie davon haben würde.
<:11>der erste ist de radice yesse, das ist als viel gesprochen als eyn furige oder frij nature die alles das zu sich zuhet und in sich verwandelt das in sie kommet als der schin der sonnen der sich wurffet in das wasser zu eynem male noch zum andern male soe en gewynt sie das wasser nyt sunder von dem dritten invalle und widerslage so kommet sie under das wasser und zuht es uff zu sich ende in hoer verwandelt ende dan est geestelic so enmogen wir es nit gesehen also ist es umbe alle die elament das enist ir dogent nit das wir sie anesehen sunder et is ir materie also ist es umbe die furige frihe nature unsers herren die die sele zu sich zuhet und in sich verwandelt und wurdt also geboren geistlich an yrme bekentnisse
<:11>Der erste ist ‘de radice Yesse’, was so viel bedeutet wie eine energetische[3] und freie Natur, die alles in sich zieht und alles, was in sie gelangt, verwandelt. Etwa wie der Sonnenschein, der einmal und zweimal in das Wasser reicht, doch so das Wasser nicht für sich gewinnt. Eher von einem weitern Einfallen und darin verharren reicht er unter die Wasseroberfläche und zieht es hinauf zu sich und verwandelt es, so dass es Dampf wird und wir es dann nicht sehen können. So ist es mit allen Elementen, die da existieren. Es liegt nicht in ihrer Macht, dass wir sie sehen, sondern an ihrer Materie. So ist es mit der energetisch-freien Natur unseres Herrn, die die Seele in sich zieht und in sich verwandelt, so dass sie auf diese Weise mental in ihrem Erkennen geboren wird.
<:12>Daz andere is weliche wise Got der enwordt nit gedragen in der selen sunder gewonden als man pruven mag bi dem bilde das enwirt nit gedrucket in das hFltze sunder et wort daer in gewonden wanne man yme die spene abe nymmet die et bedecken. so ist es gantze in dem hultze das ist gropheyt undunglichnisse darumbe ist eyn weerachtich hultze viel boser zu fugen dan eyn schlechtes holt also wurdt got gewonden in der selen wande sie hait eyn gemeyn liecht mit den engelen da sie got ane bekennet und das liecht das ir angeschaffen ist daz ist diu vernunft unde dreget one underlaiß gotliche wißheyt in die selen wanne das sie aber in den lichamen gegoßen wordt so wordt sie verdostert darumbe enbekennet das kint nyt als viel als eyn alt mensche ende dat is von syner fließender naturen das es wesset darumbe enmag sich stedeglich keyn liecht offenbaren in ym es enbesließe mit vergessenheit von der unstedigkeyt der naturen ye der mensche alder wurdt so sin nature steder wurdt so gotlich liecht me in yem geoffenbart wort und in dem liecht bekennet man got und an yme alle dingk Daer om ist dat daz der kusche mensch me bekennet dann eyn andere mensch in dem slaiff so dreget das gotlich liecht und drucket zukunfftige dinck in die sele
<:12>Der andere ist, auf welche Weise. Gott wird nicht in die Seele getragen, sondern herausgewunden, wie man an dem Bild erkennen kann. Dieses wird nicht in das Holz hineingedrückt, sondern es wird von dort drinnen herausgewunden, wenn man die Spänen abhackt, die es bedecken. Ist es folglich noch vollkommen in dem Holz, ist es grob und nicht greifbar. Darum ist es schwieriger, mit einem knorriges Holz zu schnitzen als mit einem schlechten Holz. Entsprechend wurde Gott der Seele entwunden, da sie ein gemeinsames Licht mit den Engeln hat, durch das sie Gott kennt. Und ohne Unterbrechung trägt das Licht, das in ihr geschaffen wurde und der Intellekt ist, die göttliche Weisheit in die Seele. Als sie aber in den Körper geschüttet wurde, verdunkelte sie sich. Darum erkennt ein Kind nicht soviel wie ein erwachsener Mensch. Doch es lernt, weil es sich von Natur aus weiter bewegt. Darum kann sich kein Licht beständig in ihm offenbaren, es sei denn es verlerne die Unbeständigkeit der Natur. Wenn der Mensch älter wird, wird sein Wesen beständiger, umso mehr wird folglich das göttliche in ihm geoffenbartes Wort, und in diesem Licht erkennt man Gott und in ihm alle Dinge. Darum ist es so, dass der tugendhafte Mensch mehr erkennt als ein anderer Mensch. Auf dieser Spur wirkt also das göttliche Licht und drückt die künftigen Dinge in die Seele.
<:13>nu mogen wir dencken das manig alt mensch wenig gotlichs liechtes hayt das komet von unrechter furchten und van onrechten hoffnungen ende liebe und leydt Ende darumbe ist das daz daz fließende wasser keyn bilde entphehet von der unstedigkeyt des wassers besehen ich mich in eym stillen wasser da vinden ich myn bilde gentzlich inne also ist es zumale an den menschen die wile das er mit ußerlichen dingen beworren ist so enmag got nit in yme geoffenbaret werden also man pruven mag bi glichnisse


das den manne das heubt blois sal sin und der frauwen bedecket also sal es sin an der selen das die oberste krafft der selen bloiß sal sin one underscheit zuschen got und synen gaben Ende darumbe weiß der hane me von der zit wann er mynner beworren ist dan die hene darumbe sleht es ym in das heubt das er schrihet und kundiget die zit das sich daz weder wandelet das enweiß die hene nyt wande si beworren ist mit legene und mit heckene
<:13>Nun mögen wir meinen, dass sehr alte Menschen wenig vom göttlichen Licht ausstrahlen. Das kommt davon, dass sie zu Unrecht furchtsam sind, sich falsche Hoffnungen machen, ohne Liebe und Leid sind. Und folglich geschieht es, dass ein fließendes Wasser wegen der Unbeständigkeit des Wassers kein Bild hervorbringen kann. Wenn ich mich in einem stillen Wasser betrachte, finde ich vollends mein Bild darin. So ist es mit diesen Menschen: während einer von äußerlichen Dingen verunsichert ist, kann Gott nicht in ihm offenbart werden, wie man aus einigen Beispielen ablesen kann:
Wie beim Mann das Haupt unbedeckt sein soll und bei der Frau bedeckt, so soll es mit der Seele sein. Die oberste Kraft der Seele soll unbedeckt sein, nichts darf zwischen Gott und seine Gaben kommen. Darum kennt der Hahn die Zeit besser, da er weniger durch Geschäfte aufgehalten ist als die Henne. Darum trifft es ihn direkt von oben auf den Kopf, damit er kräht und die Zeit ankündigt. Dass sich die wieder verändert, dies weiss die Henne nicht, denn sie ist beschäftigt mit Eierlegen und Ausbrüten.
<:14>das got also in unser selen geboren werde unde geoffenbaret werde, des helfe uns die lutter gude gottes. Amen
hi ons. Amen
<:14>Dass Gott so in uns offenbart werden wird, helfe er uns. Amen.




[1] Isa. 11:1-2: ‘(1) egredietur virga de radice Jesse, et flos de radice ejus ascendet. (2) Et requiescet super eum spiritus Domini’.
[2] Ps. 2:7: ‘Ego hodie genui te’; combined with this verse we have similar thoughts in Eckhart, Hom. 12* [Q 14], n. 9; Hom. 46* [Q 29], n. 11.
[3] On ‘furig’, see Eckhart, Hom. 64* [Q 85], n. 3.



Predigt T2,4* [Löser, 1999, n. 53]


Dominica II in Adventu Domini
 ‘hebt awff ewer hawb wann ewer erl=sung n(hent sich’ (Luc. 21:28)

<:1>[297rb] Der herr ihesus spricht im ewangeli luce xxjo. hebt awff ewer hawbt wann ewer erl=sung n(hent sich.
<:1>Der Herr Jesus sagt im Lukasevangelium 21.: ‘Hebt auf Euer Haupt, denn Eure Erlösung nähert sich.’[2]
<:2>Dy wart sind gesagt von der zSchumft des lesten gerichts. Vber das spricht Boecius es ist grasse not vnd ist gar pilleich das der mensch ein heiligs vnd gar lawters leben hab der altzeit in dem ansehen gots seins richter ist. vnd der nicht allain vnsre vorch peschawot sunder im sind auch offenbar dy haimleichen gedankchen vnsers hertzen. Dar vmb als pald sich der mensch in das Mbel der sünten chert es sey mit gedankchen mit willen oder mit tat so nymbt er sich aws der [297va] gnad gots vnd vertreibt seim engel vnd vnter geit sich dem tewfel.
<:2>Diese Worte sind über das künftige jüngste Gericht gesagt. Hierüber sagt Boethius: ‘Es ist wirklich notwendig und sehr wichtig, dass der Mensch ein heiliges und reines Leben führt, der beständig im Angesicht Gottes, seines Richters, sich befindet und der nicht nur unsere Furcht sieht, sondern dem auch unsere intimsten Gedanken des Herzens offenbar sind.’ Sobald daher ein Mensch sich dem Übel der Sünden zuwendet, sei es in Gedanken, im Willen oder in Taten, nimmt man sich aus der Gnade Gottes und vertreibt den eigenen Engel und übergibt sich dem Teufel.
<:3>Wann als das man von den ewigen frewden sagen vnd gedankchen mag das ist als nichts gegen der rechten warhait. Also ist es auch als das man von der marter der hell sagen vnd gedankchen mag das ist nichts gegen der warhait des leidens das da ist. Wie chlain ein leiden ist solt es ewichleich wern es w(r leidens genueg. Wann solt ettwer m=r pey eim haller tzahen iar an vnter las tzeln er wurd reiher dann chain chünig der erden. Was ist dann nicht an der manigualtigen vnpegreifflichen s(lichait des ewigen raichtumbs.
<:3>Denn was man von den ewigen Freuden sagen oder denken kann, ist nichts, verglichen mit der rechten Wahrheit. So ist es mit dem, was man von der Qual der Hölle sagen oder denken kann, das nichts ist, verglichen mit dem Erleiden der Wahrheit, das da vorhanden ist. So gering das Leiden ist, wenn es ewig ist, wäre es genug Leiden. Denn sollte jemand mehr bei einem Heller zögerlich sein, Jahr um Jahr, er würde reicher werden als ein König auf Erden; was fehlt dann der vielfältigen, unbegreiflichen Seligkeit des ewigen Reichtums?
<:4>Dar vmb spricht der herr hebt awff ewer hawbt. Als ob er spr(ch erchennt das vbel ewer sünten vnd merkcht das lest gericht vnd das vrtail des grechten richter.
<:4>Darum sagt der Herr: ‘Hebt auf Euer Haupt’, als ob er gesagt hätte: Erkennt das Übel Eurer Sünden und denkt an das letzte Gericht und das Urteil des gerechten Richters.
<:5>Hebt awff ewer hawbt vnd pedenkcht dy ewig frewd das ein hawbt ewer sel ist. Dy sel hat weder hawbt noch hennt wie wol wir es nemen müezzen. Sand Augenstin spricht wie snöd ein chlainead ist so hüett man ir vor mail michels mer solten wir der sel vor dem mail der sünten hüetten der wir am minsten achtten.
<:5>‘Hebt auf Euer Haupt’ und denkt an die ewige Freude, das Eure Seele ein Haupt hat. Die Seele hat weder Haupt noch Hände, auch wenn wir dies annehmen müssen. Der heilige Augustinus sagt: ‘Wie armselig ein Kleinod auch ist, wir bewahren es vor großen Beschmutzungen, doch sollten wir vielmehr unsere Seele, auf die wir am geringsten achten, vor Sünden bewahren.’
<:6>Dy maister der natur sprechen ye nahenter dy sunn der erden ist ye mynner sy chrafft hat. vnd ye verrer sy der erden ist ye chreftiger sy ist vnd all stern. W(r die sunn vmb weinachten der erden als verr als zw sunibenten es chund vor hitz nye[297vb]mbt genesen. Vnd w(r sy zw sunibenten der erden als nahent als zw weinachten es w(r als chalt als zw weinachten. Der man der ein hefen des himels ist der ist der erden nahenter dann chain stern vnd hat vil prechen er ist ettwann liecht vnd ettwan vinster. Also ist es vmb dy sel ye nahenter sy den tzeitleichen dingen ist ye vnedler sy ist. Dar vmb spricht der herr hebt awff ewer hawbt. das ist ewer sel von irdischen dingen.
<:6>Die Meister der Natur sagen: Je näher die Sonne der Erde ist, je weniger kräftig ist sie. Und je weiter sie von der Erde ist, desto kräftiger ist sie und alle Sterne. Wenn die Sonne an Weihnachten so weit weg von der Erde wäre wie an der Sonnwende, könnte niemand sich vor Hitze retten. Und wenn sie an der Sonnwende der Erde so nahe wäre wie an Weihnachten, wäre es so kalt wie an Weihnachten. Der Mond, der eine Hefe des Himmels ist, ist der Erde näher als jeglicher Stern, und er hat viele Flecken, ist manchmal erleuchtet und manchmal dunkel. So ist es mit der Seele: Je näher sie den zeitlichen Dingen ist, desto unedler ist sie. Daher spricht der Herr: ‘Hebt auf Euer Haupt’, d.h. Eure Seele von den irdischen Dingen.
<:7>Das hawbt der sel ist dy obrist chrafft. Das hawbt oder dy sel im hawbt strebt an vnterlas in das liecht der warhait. Wann sider das dy sel peschaffen wart was sy nye an das in scheinn der gnaden des götleichen liechts. Jn dem hawbt erchennt dy sel got vnd alle ding vnd ist in ir selber als des enphindleich das sy haben mag. Jn dem hawbt ist der sel stat Rber tzehen tawsent meil als nahent als dy stat da ich yetzund an stee. Jn der chrafft ist der sel dy tzeit dar inn got dz welt peschaffen hat vnd auch der iungst tag als nahent als dy tzeit dar inn ich yetzund red. Rber das möcht ettwer fragen was nutz der sel von dem ch(m so sy sich sambt in der chrafft des hawbts stet.
<:7>Das Haupt der Seele ist die höchste Kraft. Das Haupt oder die Seele im Haupt strebt ohne Unterbrechung zum Licht der Wahrheit. Auch wenn die Seele später geschaffen wurde, war sie nie ohne das Hineinscheinen der Gnade des göttlichen Lichtes.[3] Im Haupt kennt die Seele Gott, alle Dinge und sich selbst, so empfänglich sie sein kann. Im Haupt ist für den Platz der Seele zehntausend Meilen so nah wie der Ort, an dem ich jetzt hier stehe. In dieser Kraft ist für die Seele die Zeit, in der Gott die Welt erschaffen hat und auch der jüngste Tag so nahe wie die Zeit, in der ich jetzt rede. Hierzu könnte jemand fragen, was die Seele davon hätte, dass sie gänzlich in der Kraft des Hauptes steht.
<:8>Vber das sol man wissen das daz der nutz ist den sy da von enph(cht das ir all dy gnad vnd all dy s(lichait dy all heiligen pesezzen haben [298ra] als gemain wirt als ob sy ir aigen w(rn. Vnd als das chünig vnd chaiser von gold ye gewunnen das ist ir als aigen als mir meine awgen aigen sind vnd vil aigner. Vnd dar vmb süllen wir vnser hawbt awff heben vnd süllen erchennen das Rbel vnserer sünten. Wann das ist ein gewisse warhait wer recht in das hawbt ch(m der t(t nymer chain sünt. Jm wurd auch dy ewig frewd so erchannt vnd wurd als gelert das er chainer predig pedarfft.
<:8>Hierzu soll man wissen, dass das der Sinn ist, den sie dadurch erhält, dass ihr alle Gnade und alle Seligkeit, die alle Heiligen besitzen, so Gemeingut sind, als ob sie ihr eigen wären. Und das Gold, das König und Kaiser je gewonnen hätten, das ist so eigen wie mir meine Augen eigen sind, und noch viel eigener. Und darum sollen wir unser Haupt aufheben und sollen das Übel der Sünden erkennen. Denn das ist eine sichere Wahrheit, dass, wer recht in das Haupt kommen würde, der beginge keine Sünde. Ihm wurde auch die ewige Freude so deutlich und er wurde so kundig, dass er keiner Predigt bedarf.




[1] F. Löser, Meister Eckhart in Melk (1999), 232.
[2] Luc. 21:28: ‘levate capita vestra: quoniam appropinquat redemptio vestra.’ The liturgical context is Luc. 21:25-8: ‘25 Et erunt signa in sole, et luna, et stellis, et in terris pressura gentium prae confusione sonitus maris, et fluctuum: 26 arescentibus hominibus prae timore, et exspectatione, quae supervenient universo orbi: nam virtutes caelorum movebuntur: 27 et tunc videbunt Filium hominis venientem in nube cum potestate magna et majestate. 28 His autem fieri incipientibus, respicite, et levate capita vestra: quoniam appropinquat redemptio vestra.
[3] Eine weitere typische Lehre Eckharts, die im Prozess gegen ihn heftig kritisierte wurde, wonach es etwas Ungeschaffenes in der Seele gab.


Predigt T2,5* [Löser 10, 1999]

Dominica II in Adventu Domini
‘Sand pauls spricht zw den Römern xiijo prueder es ist tzeit das wir vom slaff awfsten’ (Rom. 13:11)
  
<:1>[313ra] Sand pauls spricht zw den Römern xiijo prueder es ist tzeit das wir vom slaff awfsten.
<:1>Der heilige Paulus sagt zu den Römern 13[:11]: ‘Brüder, es ist Zeit, vom Schlafe aufzustehen.’[4]
<:2>Dy wart sind vom advent geret vnd pedewt den der chümftig ist. Dar vmb süllen wir erchennen dy ding dar zS vns got peschaffen hat. Da von spricht sand Augenstin vnd ich mit im das got den menschen zw chaim mynnern guet gemacht hat dann er selber ist.

<:2>Diese Worte werden über den Advent gesagt und bedeuten denjenigen, der künftig ist. Darum sollen wir die Dinge kennen, für die uns Gott geschaffen hat. Hiervon spricht der heilige Augustinus, und ich mit ihm, dass Gott den Menschen zu keinem geringeren Gut geschaffen hat als das, das er selbst ist.
<:3>Awfsten pedewt ein vnpechumerts hertz in dem wir got mit grözzerm fleizz suehen süllen dann vns selber. ZS chümft pedewt das der mensch in im selber mit erchantnus wanung [313rb] hab vnd erchenn was er vermüg in dem adel dar zS in got natürleich gemacht hat vber alle creatur. Vnd was er vermüg von gnaden an alle creatur vnd was er von lieb wegen vermüg an all tugent nach dem pild vnd nicht nach dem wesen. ZS chunft pdewt Got mit vns vnd ist an mittel chümftig in vns.
<:3>‘Aufstehen’ zeigt ein unbekümmertes Herz an, in welchem wir mit großem Fleiß eher Gott als uns suchen sollen. ‘Zukunft’ meint, dass der Mensch in sich selbst durch Erkenntnis wohnen soll und erkenne, wessen man in dem Adel, zu dem ihn Gott über alle Kreatur hinaus geschaffen hat, fähig ist. Und was er von Gnaden ohne jegliche Kreatur vermag, und was er aus Liebe ohne jegliche Tugend nach dem Bild und nicht nach dem Wesen vermag. ‘Zukunft’ bedeutet, Gott mit uns, und ist ohne Medium künftig in uns.
<:4>Das wart awfsten ist dreyerlay als dy lerer sprechen.
Das ain ist natürleich das ander gnadsam das dritt götleich.  
<:4>Das Wort ‘Aufstehen’ ist auf dreierlei Weisen zu verstehen, wie die Lehrer sagen.
Die eine ist natürlich, die zweite gnadenhaft, die dritte göttlich.
<:5>Das natürleich sten ist nach dem synn das der mensch eins st(ten gueten willens sey aws seiner verstentichait sich zw erchennen nach der edlisten creatur dy got in der tzeit an im peschaffen hat.
<:5>Das natürliche Stehen meint, dass der Mensch einen stets guten Willen besitzt aus seinem Intellekt, mit dem er sich als edelste Kreatur erkennt, die Gott in der Zeit in ihm geschaffen hat.
<:6>Das ander sten ist in gnaden aws der ein mensch erchennen sol das im dy gnad dar vmb geben ist das er sein vernuft dar inn pesitz zw eim awfsten Rber sich selber dy gnad ze suehen vnd lieb ze haben. Gnad ist ein pild der vernufft aws zedringen mit der verstentichait dy pechumernis der creatur <dar in si> stet.
<:6>Das zweite Stehen geschieht in Gnade, aus der ein Mensch erkennen soll, dass ihm die Gnade darum gegeben ist, dass er seine Vernunft zu einem Aufstehen besitzt, über sich selber hinaus die Gnade zu suchen und Liebe zu besitzen. Gnade ist ein Bild des Intellekts, die Sorgen, in denen die Kreatur steht, zu verdrängen.
<:7>Sten ist in got ein pleiben vnd in mit willen altzeit mer zesuchen dann als das wir in der tzeit pedürffen. Vnd vmb das süllen wir hie in vns chain frömde pildnus lassen awffsten dann das pild ihzm christum.
<:7>Stehen ist ein in Gott Bleiben und ihn willentlich mehr zu ihn zu suchen als nach dem, was wir in der Zeit benötigen. Und hierfür sollen wir nicht irgendwelche fremden Bilder in uns aufstehen, sondern einzig das Bild Jesu Christi.
<:8>ZS chunft ist auch als vil gesprochen das der mensch in sich selber chöm mit eim st(ten anhangen der warhait vnd sol in der lieb von allen prechen zw der vnshuld chömen dar zS er von got gemacht ist. Wann der mensch mit erchantnus zw got [313va] chimbt als er in in dy ewichait erhaben hat dar inn im nye chain creatur gleich ward wil er nach der sel im von gnaden gleich wern so mues dy vernufft in dy erchantnus chömen. Vnd wann das geschiecht so ist sy chömen in ir natürleich pild. Vnd plib sy in dem pild so plib sy an alle natturfft der creatur.
<:8>‘Zukunft’ bedeutet auch, dass der Mensch in sich selbst kommt durch ein stetes Kleben an der Wahrheit, und er soll in der Liebe von aller Schwäche zu einer Unschuld gelangen, für die er von Gott geschaffen worden ist. Wenn der Mensch durch Erkennen zu Gott kommt, weil er ihn in die Ewigkeit erhoben hat, ist ihm darin keine Kreatur gleich geworden. Wenn er ihm der Seele nach von Gnaden gleich werden, so muss die Vernunft zur Erkenntnis gelangen. Und wenn dies geschieht, ist sie in ihr natürliches Bild gekommen. Und wenn sie in dem Bild bliebe, so bliebe sie ohne jedes Bedürnis der Kreatur.
<:9>Es ist vnter den lerern ein frag ob got vermöcht hiet dy sel von dem selben guet ze machen das er selber ist an weis vnd aigenschafft nicht von sein selbs wesen. Wann in der selben weis w(r dy sel got vnd chain creatur. Vber das halten dy lerer gemainchleich von der sel wann got zw ir chöm so werd sy vergott vnd got in dem liecht dar inn dy person würchen. Aber ich sprich mit Dionisio wann got chümftig zw der sel chümbt so würcht er ir aigen werch das ist ein liebhaben in der sy sich in ir aigne natur erhebt. Hie ist sy dy lieb vnd libt doch nicht vnd got ist in ir an ir wissen vnd erchennt sein nicht wie wol er ir natürleich ist dann sy ir selber ist.
<:9>Es gibt unter den Lehrern eine Frage, ob Gott die Seele von dem selben Gut schaffen konnte, das er selbst ist, und zwar nach Art und Eigenschaft, nicht dem eigenen Wesen nach. Denn wäre es derselben Art nach, wäre die Seele Gott und keine Kreatur. Diesbezüglich, was die Seele betrifft, sind die Lehrer übereinstimmend der Meinung, dass, wenn Gott zu ihr käme, sie vergöttlicht und Gott werde in dem Licht, in dem die Personen wirken. Doch ich sage mit Dionysius: Wenn Gott künftig zu der Seele kommt, wirkt er sein eigenes Werk, nämlich ein Liebhaben, in der sie sich in ihre eigene Natur erhebt. Hier ist sie die Liebe und liebt doch nicht, und Gott ist in ihr, ohne ihr Wissen, und er erkennt sich nicht, auch wenn er ihr natürlicher ist als sie sich selbst ist.
<:10>Nw fragen dy maister der theloien wann er sich also in dy sel gesenkcht hat zw sehen ir natur ob got wesenleich oder natürleich in im selber würch anders dann er in der sel tuet. Sy fragen auch ob dy sel in das werch mügleich oder wesenleich chöm. Vnd sprechen sy chöm selber im wesen des pilts der heiligen drüvaltichait das sy wesenleich vnd natürleich en[313vb]thalten wirt. Nicht von dem wesen irer wesenleichait sunder got geit dy wesenleichait seins aigen pilts in der er es wesenleich aws lieb der sel vernufft antwurt. Nicht aws irer natürleichen natur. Wann naturet sy sich selber so w(r sy got vnd nicht ein creatur. Wann als got sein natürleiche natur ist also ist dy sel ir natürleiche natur dy sy von got hat. Wann sy hat nicht mer rechts dann zw ir selber aber nicht in dem vermügen irer natürleichen substants sunder in substantzleicher mügleichait. Jch sprich in der warhait wer dy ding recht verstüend im w(r dy lieb nicht ein tugent von gnaden sunder sy w(r im natürleich als sy got natürleich ist. Vnd got müest in im den awsflus würchen seiner götleichen gothait das er sich awfft(t vnd das got aws im erschinn.
<:10>Nun fragen die Meister der Theologie: Wenn er sich so in die Seele gesenkt hat, um ihre Natur zu schauen, wirkt Got dann auf wesenhafte oder auf natürliche Weise anders in ihm selbst als er es in der Seele tut? Sie fragen auch, ob die Seele auf mögliche oder wesentliche Weise in diesen Akt kommt. Und sie sagen, dass sie selbst in das Wesen des Bildes der heiligen Trinität kommt, so dass sie wesentlich und natürlich gehalten wird, jedoch nicht durch das Wesen ihrer Wesenhaftigkeit, sondern dass Gott die Wesenhaftigkeit seines eigenen Bildes gäbe, in welchem er es wesentlich beantwortet aus Liebe für die Natur der Seele, nicht aus ihrer natürlichen Natur heraus. Denn hätte sie sich selbst geschaffen, wäre sie Gott und keine Kreatur. Denn wie Gott seine eigene natürliche Natur ist, so ist die Seele ihre natürliche Natur, die sie von Gott hat. Denn sie hat kein Recht auf mehr als auf sich selbst, doch nicht dem Vermögen ihrer natürlichen Substanz nach, sondern der substantiellen Möglichkeit nach. Ich sage in der Wahrheit, wer diese Dinge recht versteht, dem wäre die Liebe keine Tugend von Gnaden, sondern sie wäre im so natürlich wie sie Gott natürlich ist. Und Gott müsste in ihm den Ausfluss seiner göttlichen Gottheit bewirken, dass er sich öffnete und dass Gott aus ihm erschiene.
<:11>Vnd dar vmb dy menschen dy einer chlainen verstentichait sind vnd zw got nicht mer lieb enphahen dann das er in tzeitleich guet vnd ewigs leben geb. Den selben offenbart sich got durch dy sel vnd geit sich in wie sy wellen als einen süezzen vnd milten got. Aber ich sag euch in der warhait dy got selber ist das dy menschen wol zw grasser ler ewiger s(lichait chömen den sich got also nach irm hertzen geben mues durch das awsfliezzen seiner grassen lieb dy er zw vns hat [314ra] nach der er sich vns hat gleich gemacht nach dem nydristen tail menschleicher natur.
<:11>Doch weil die Menschen, die von kleiner Auffassungsgabe sind und Gott nicht mehr lieben, als dass er ihnen zeitliche Güter und ewiges Leben gibt, offenbart sich ihnen Gott durch die Seele und gibt sich selbst in sie so, wie sie es sich wünschen, als ein süßer und milder Gott. Doch ich sage Euch in der Wahrheit, die Gott selbst ist, dass die Menschen vielmehr zu großer Lehre ewiger Seligkeit kommen, denen sich Gott so ihrem Herz gemäß geben muss durch das Ausfließen seiner großen Liebe, die er zu uns hat, dergemäß er sich uns gleich gemacht hat auf den niedrigsten Teil der menschlichen Natur hin.
<:12>Aber man sol wissen das dy menschen von den wo gesagt ist als verr von den andern da oben von gesagt ist in der gothait gesundert sind als der himel von der erden. Ich sprich auch mer das ir vnterschaid verrer ist dann das man icht vnd nicht haist vnd sind doch alle chinder der ewigen s(lichait vnd also sind dy ersten als verr Rber dy lesten als dy ewichait Rber alle tzeitleiche ding geverrt ist.
<:12>Doch soll man wissen, dass in der Gottheit die Menschen, von denen hier die Rede ist, so fern von den Menschen sind, von denen zuvor die Rede war, wie der Himmel von der Erde. Ich sage noch weiter, dass deren Unterschied größer ist als das, was man ein Etwas und ein Nichts nennt, und dennoch sind sie alle Kinder der ewigen Seligkeit, doch sind die Ersten so weit jenseits der Letzten wie die Ewigkeit jenseits aller zeitlichen Dinge ist.
<:13>Dar vmb wer nw zw den ersten chömen well den got natürleicher ist dann sy in selber der merkch dy wart sand pauls. wir süllen awfsten. Das ist wir süllen an vns nemen einn anvang geistleichs lebens ze pringen in ein guets entt. Wann so ein mensch mit sölhmm fleizz suehen t(t wes er enpern solt vnd wol tuen möcht durch gots willen als wir mit fleizz suehen wes wir pedürffen vnd halt ettwann mer dann wir pedürffen. Vnd wer sich auch mit sölhemm fleizz in der lieb gots Mbet als wir vns Mben in der lieb des fleischs wir pegriffen vil erchantnus gots der wir sünst mangeln müezzen. Vnd wer das vntz her nicht tan hat der peger sein noch mit gantzem hertzen also das im dy pegier pas smekch von ewigen dingen dann als das sich in im erpilden mag von den dingen der creatur vnd volig got in der selben lieb als ob er seinn aller lieb[314rb]sten willen erchant. den er gern erfüllen wolt. Vnd volig im auch der selben mainung in der er in vermant vnd maint so glaub ich das im des nichts werd ab genomen dar zS in got peschaffen hat vnd fürgesehen.  
<:13>Wer darum zu den Ersten kommen will, denen Gott natürlicher ist als sie sich selbst sind, höre die Worte des heiligen Paulus: Wir sollen aufstehen. Das bedeutet, dass wir für uns einen Anfang geistlichen Lebens machen sollen, um ihn zu einem guten Ende zu bringen. Denn wenn ein solcher Mensch mit solchem Fleiß danach suchte, wessen er um Gottes Willen entbehren soll und Gutes tun kann, wie wir danach suchen, was wir bedürfen und oft auch mehr als wir bedürfen, und wer sich auch mit solchem Fleiß in der Liebe Gottes übt, wie wir uns in der fleischlichen Liebe üben, wir würden viel von der Gotteserkenntnis begreifen, die uns sonst fehlen muss. Und wer uns das hier nicht getan hat, soll seiner noch mit ganzem Herz begehren, so dass ihm die Begier für ewige Dinge so voll schmeckt, wie die Bilder von den Dingen der Kreatur, die in einem selbst entstehen, und er Gott in der selben Liebe nachfolgt, als wenn man seinen höchst geliebten Willen erkannt hätte, den er zu erfüllen liebt, und folge ihm auch in der selben Absicht nach, in welcher er ihn ermahnt, und meint, so glaube ich, dass nichts von ihm genommen wird, wofür Gott ihn geschaffen und was er für ihn vorgesehen hat.




[1] F. Löser, Meister Eckhart in Melk (1999), 245-7.
[2] DW II 581, n. 1.
[3] K. Ruh, Meister Eckhart (1989), 190-1.
[4] Rom. 13:11: ‘hora est jam nos de somno surgere.’


Predigt T3/6,1* [Jundt 13]

Feria VI Tertia temporum in Adventu Domini
‘Als Maria úber daz birg gieng’ (Luc. 1:39)

 

<:1a>[201]

Maria stu°nd uf und gieng snell in daz gebirg.
<:1b>(270) [243v] Als Maria über daz birg gieng. Maria stu°nd uf und gieng snelle in daz gebirge.
<:1a>

‘Maria stand auf und ging schnell in das Gebirge.’[7]
<:1b>Als Maria über den Berg ging, ‘stand Maria auf und ging schnell in das Gebirge.’

<:2b>Die maister der hailigen geschrift sprechend daz an dem usflusse der creature; üs dem (271) ersten ursprungen; sei en cirkeliches widerbögen des endes; uf den begin oder anfang; wann als das usfliessen der personen; usser gote ist; ain formleich bilde des ursprunges der creaturen; also ist es och ain vorspiel der widerfliessende creatur in got; als Augustinus sprichet.

<:2b>Die Meister der Heiligen Schrift sagen, dass in dem Ausfluss der Kreaturen aus dem ersten Ursprung ein Zirkelreflex des Endes auf den Beginn oder Anfang gegeben sei, denn wie der Ausfluss der Personen aus Gott ein förmliches Bild des Ursprungs der Kreaturen sie, so sei es auch ein Präludium des Rückflusses der Kreaturen in Gott, wie Augustinus sagt.

<:3b>Die geschiht wenne das wort gotes sich personliche güsset in die sele; mit dem hailigen gaiste, und er es uns us dem runse der ersten gabe der sele schenket; davon die sele geraisset wird; nach [244r] ze volgende mit den gaben an den personen; da die sele gaistlichen ufgetragen wirt; ze des ersten wesendes bloshait anblike; wider der glorien glantze. Da zu° furdert der gnaden liecht das die sele pur machet von frömder formen und gelichnisse;

<:3b>Das geschieht, wenn das Wort Gottes sich persönlich in die Seele gießt zusammen mit dem Heiligen Geist, und er es uns aus dem Rinnsal der ersten Gabe der Seele schenkt, wovon die Seele gezogen wird, mit dem Gaben in die Personen zu folgen, da die Seele geistlich erhoben wird zur Schau der Nacktheit des ersten Wesens im Glanz der Herrlichkeit. Hierzu dient das Licht der Gnade, das die Seele rein macht von all fremden Formen und Gleichnissen.

<:4b>dise zu°gabe die da uf tragent die sele; nach den personen, das ist bechantnüs götlicher wishait, darinne das ewige wort des vaters entgossen ist dar von wirt es götlichen smakende in die sele. Die ander gabe flüsset von der ersten nach des hailigen gaistes art dem das wort von im entgusset; und heiset mynne des gaistes.

<:4b>Diese Zugabe, die die Seele zu den Personen erhebt, is die Kenntnis der göttlichen Weisheit, in welche das ewige Wort des Vaters gegossen wurde, durch welche es einen göttlichen Geschmack in der Seele wurde. Die andere Gabe fließt von der ersten gemäß der Art des Heiligen Geistes, der das Wort von ihm ausgießt und Liebe des Geistes genannt wird. 























<:5b>Mit disen gaben wirt geformet die vernuft der sele und och der wille. Wille swinget in die frömden forme des frigen wesendes gotes; so ist alle die sele vollenfu°rt dazu si got geschaffen hat, [244v] in ze bekennende und ze mynnende und ze versmächende die welt und undertreten. Da von sprichet sanctus Paulus unser wandlung sol sein in dem himele; nit in der welte; das maint och Augustinus da er sprichet Wenne wir ewig ding bechennen und mynnen, so sein wir gesatztet us der welte; und da von sprichet das ewangelium das Maria stu°nd uf.

<:5b>Mit diesen Gaben werden der Intellekt und auch der Wille der Seele geformt. Der Wille schwingt in die fremden Formen des freien Wesens Gottes, so dass die gesamte Seele vollkommen dazu geführt wird, wofür sie Gott geschaffen hat, ihn zu erkennen, ihn zu lieben und die Welt zu verachten und sie niederzutreten. Hiervon sagt der heilige Paulus: ‘Unsere Wohnung soll im Himmel sein’,[8] nicht in der Welt. Das meint auch Augustinus, wenn er sagt: ‘Wenn wir ewige Dinge kennen und lieben, sind wir außerhalb der Welt gestellt’. Und das meint das Evangelium, dass ‘Maria aufstand.’[9]
<:6a>Maria bezaichent ain erlüchtete sel an bekantniss die von gottes personlicher inwonung swanger worden ist. Dise sel stät mit gerunge uf geriht ze aim widerwurf gegen dem hoch gelobten gu°t gottes.
<:6b>Maria bezaichent aine erläuchtende sele an bekantnisz, die von gotes personlicher inwonunge; swanger worden ist. Dise sele stat mit begeru°nge ufgerichtet ze aim widerwu°rfe; gegen dem hochgelobten gu°te gotes; si stat geheftet in dem mitel puncten; überrennet aller wesende. Das ist in dem überswanke gölticher volkömenhait; wann die sele sprichet in dem bu°che der weishait, das ir wonunge sei in der follende der [245r] hailigen; das ist in dem ursprunge alles gu°tes.
<:6a>‘Maria’ bezeichnet eine durch Erkenntnis erleuchtete Seele, die durch Gottes persönliches Einwohnen in ihr schwanger geworden ist. Diese Seele steht auf mit dem Begehren nach einem Objekt des hochgelobten Gutes Gottes.
<:6b>‘Maria’ meint eine durch Erkenntnis erleuchtete Seele, die durch Gottes persönliches Einwohnen in ihr schwanger geworden ist. Diese Seele steht auf mit dem Begehren nach einem Objekt des hochgelobten Gutes Gottes. Sie steht fest gemacht am Mittelpunkt und reicht über alle Wesen. Das geschieht in dem Überschwang göttlicher Vollkommenheit,[10] denn die Seele sagt im Buch der Weisheit,[11] dass ihre Wohnstätte in der Fülle der Heiligen sei, d.h. in dem Ursprung von allem Guten.  
<:7a>


Hie bi ist uns bezichnet ain frihait von allen dingen die mit creaturlichen bilden in die sel getragen [202] werdent bis daz die sel sich entschüttet von allem anvall liplicher bilden und daz zu° über des libes kreft sich uf rihtet an daz luter gänsterlin der sele ze erbietende sich in luterm liecht der vernünftikait gottes gegenwürtikait.
<:7b>Dar nach volget das ander stuke, das Maria stu°nd uf; bei disem uftragende; ist uns begriffen; ain freihait von allen dingen, die mit creaturlichen bilden; gotes unglichait in die sele getragen werdent; bis das die sele sich entschutet; von allem anvalle leiplicher bilde und darzw°; über des leibes chrefte; sich ufgerichtet; an das lauter gesterlin der sele; ze erbietende sich in lauterm liechte der vernüftichait gotes gegenwürtichait.
<:7a>


Hiermit wird uns die Freisein von allen Dingen gegeben, durch die mit kreatürlichen Bildern die Ungleichheit Gottes in die Seele getragen wird, bis die Seele sich selbst von dem Anfall aller körperlichen Bilder befreit und sich außerdem selbst über die Kräfte des Körpers in den reinen Funken der Seele erhebt, um sich dem reinen Licht des Intellekts von Gottes Gegenwart anzubieten.
<:7b>Hier folgt der zweite Teil, dass ‘Maria aufstand’. Mit dieser Erhebung wird uns die Freisein von allen Dingen gegeben, durch die mit kreatürlichen Bildern die Ungleichheit Gottes in die Seele getragen wird, bis die Seele sich selbst von dem Anfall aller körperlichen Bilder befreit und sich außerdem selbst über die Kräfte des Körpers in den reinen Funken der Seele erhebt, um sich dem reinen Licht des Intellekts von Gottes Gegenwart anzubieten.
<:8a>Dis mainet unser herre da er uns manet daz wir uns unser selbes verzihen ob wir im volgen wellen nit allain frömde creature.
<:8b>Dis mainet unser herre da er uns manet das wir uns unser selbes verzeichen; ob wir im volgen wellen, da er us nit allaine haisset verzeichen tötliche und frömde creature; sunder er haisset uns das (272) wir unser selbes verzeichen und das wir uns über uns selber tragent; in götlich wesen [245v] das sich uns noch mer erbietende ist; denn wir an uns selber sein. Und in der bloshait; als er stat in im selber; so stat er och in uns. Doch so entreit er nit üs sich selber; so er sich vernüfticlichen güsset in mich durch den umbevang seines wesendes; über alle gaiste; als das bu°ch saget des weishait.
<:8a>Das meint der Herr, wenn er uns ermahnt, uns selbst zu verleugnen, wenn wir nicht nur fremden Kreaturen, sondern ihm folgen wollen.
 <:8b> Das meint der Herr, wenn er uns ermahnt, uns selbst zu verleugnen, wenn wir nicht nur fremden Kreaturen, sondern ihm folgen wollen, doch er  bittet uns, uns selbst zu verleugnen und uns selbst über uns selbst zu erheben in das göttliche Sein, das uns mehr bietet, als was wir selbst in uns sind. Und in dieser Nacktheit, in er selbst steht, steht er auch in uns. Aufgrund des Zirkels seines Seins über allen Geist hinweg, stellt er sich jedoch nicht außerhalb seiner selbst, wenn er sich intellektuell in mich gießt, wie das Buch der Weisheit sagt.[12]
<:9a>Maria das ist ain erlüchti sele die stät uf wenn si got swinget uss ir selber in sich. Wer des bevindet der wider saget der welt valschen trost.
<:9b>Maria, das ist ain erläuchte sele, die stet uf; wenne si got swinget; us ir selber in sich. Wer des bevindet, der widersaget der welte falsche tröstung; wenne aber die gebruchunge ain liechte der nunft ist an ende, und durch seines gelantze richen wesen des grundelosen abgrundes; als santus Johannes und Dyonisius schreibent; und och die unversigne flüsz des über süzen gaistes gotes, von dem der abegezognen lautern sele gerunge geraiget und geloket wirt, das si tu°t als ob si wütende sei.
<:9a>‘Maria’ bezeichnet eine erleuchtete Seele, die ‘aufsteht’, wenn sie Gott aus ihr selbst in sich hinein laufen lässt. Wer dies spürt, verleugnet die falschen Vertröstungen der Welt.
<:9b>‘Maria’ bezeichnet eine erleuchtete Seele, die ‘aufsteht’, wenn sie Gott aus ihr selbst in sich hinein laufen lässt. Wer dies spürt, verleugnet die falschen Vertröstungen der Welt, doch wenn die Freude ein Licht des Intellekts ohne Ende ist und ein reiches Sein des grundlosen Abgrunds durch den Reichtum seines Glanzes und Dionysius schreibt: ‘Und auch die niemals austrocknenden Flüsse des übersüßen Geistes Gottes, durch die die abgeschiedene, reine Seele gereizt und gelockt wird, so dass sie tut, als ob sie wild geworden wäre’.
<:10a>Nun merkent daz [246r] wort daz Maria mit ainer gähde gieng in daz gebirge. Was ist das gebirg. Waz ist daz gebirg daz ist die über substancielich höhi der göltichen maiestät [203] die allen creaturen ist über swenckende wan uns der vorhank der vinsterniss vor den ogen hanget.
<:10b>Nun merkent das [246r] wort das Maria mit ainer gäche gieng in das gebirge. Nun sond wir merken welches das gebirge sei; in das Maria gieng. Das ist die über substancieliche höhi der göltichen maiestat, die alle creature ist überswenckende; wann uns der vorhang der vinsternise vor den augen hanget, doch begert die sele; in der mynne bu°ch, diese höhi ze schowende und sprichet: herre züche mich nach dir; wann ane sein hantgelaite mügen wir dar nit geraichen.
<:10a>Nun bemerke das Wort, dass Maria schnell in das Gebirge ging. Welches Gebirge ist es? Welches Gebirge ist es? Das ist die übersubstantielle Höhe der göttlichen Majestät, die über allen Kreaturen schwebt, denn der Schleier der Dunkelheit hängt vor den Augen.
<:10b> Nun bemerke das Wort, dass Maria schnell in das Gebirge ging. Welches Gebirge ist es? Welches Gebirge ist es? Das ist die übersubstantielle Höhe der göttlichen Majestät, die über allen Kreaturen schwebt, denn der Schleier der Dunkelheit hängt vor den Augen. Doch im Buch der Liebe begehrt die Seele, diese Höhe zu schauen und sagt: ‘Herr, ziehe mich zu Dir’,[13] denn ohne das Geleit seiner Hand können wir dorthin nicht gelangen.
<:11a>Daz nun Maria mit ainer gähde gieng in daz gebirg da verstän ich der götlichen personen drivaltikait die in aines wesens ainikait ständ doch mit personlichem underschaid daz ist vater und vaterlichait sun und gaist.
<:11b>Nun sprichet das ewangelio; das Maria mit ainer gäche gieng; in das gebirge. Do verstan ich der götlichen personen drivaltichait die in eines wesendes einikait stant, doch mit personlichem underschaide, das ist vater und vaterlichait sun und gaist.
<:11a>Dass Maria in Eile in das Gebirge ging, verstehe ich als die Trinität der göttlichen Personen, die in einem einzigen, wesentlichen Einssein steht, doch mit Unterschieden der Personen, d.h. des Vaters und der Vaterschaft, des Sohnes und des Geistes.
<:11b>Nun sagt das Evangelium, dass Maria in Eile in das Gebirge ging. Hierunter verstehe ich die Trinität der göttlichen Personen, die in einem einzigen, wesentlichen Einssein steht, doch mit Unterschieden der Personen, d.h. des Vaters und der Vaterschaft, des Sohnes und des Geistes
<:12a>Nun merkent die höhi des gebirges. Augustinus sprichet daz der vatter sie ain ursprung al der gothait, des sunes und des gaistes beide personlich und wesenlich. Und sprichet Dyonisius daz in dem vatter sie ain usflütende oder ain river schenkende die gothait nach runs [204] der nature in dem wort des sunes und nach fluss der miltikait des willen in dem gaist.
<:12b>Nun merkend die höhi des gebirges. Augustinus sprichet, das der vater sei ain ursprung al der gothait, des sünes und des gaistes; beide personliche und wesliche. [246v] So saget Dionisius das in dem vater si ein usflu°tende oder ain river schenkende die gothait nach rünse der nature; in dem worte des sunes; und nach flüsse der miltekait des willen in dem gaiste.
<:12a>Nun bemerke die Höhe des Gebirges. Augustinus sagt, dass der Vater ein Ursprung der gesamten Gottheit sei, des Sohnes und des Geistes, sowohl persönlich wie wesentlich. Und Dionysius sagt, dass da im Vater ein Ausfließen oder ein Fluss sei, das die Gottheit anbiete, gemäß dem Fließen der Natur im Wort des Sohnes und gemäß dem Fluss der Güte des Willes im Geist.
<:12b> Nun bemerke die Höhe des Gebirges. Augustinus sagt, dass der Vater ein Ursprung der gesamten Gottheit sei, des Sohnes und des Geistes, sowohl persönlich wie wesentlich. Und Dionysius sagt, dass da im Vater ein Ausfließen oder ein Fluss sei, das die Gottheit anbiete, gemäß dem Fließen der Natur im Wort des Sohnes und gemäß dem Fluss der Güte des Willes im Geist.
<:13a>Nun merkent wie dem si ze dem usfluss des wortes usser des vatter hertzen und vernunft mu°ss daz sin daz got mit liecht sines bekentnisses uff sich selber blickte ain ainer wider bögugn uff göltich wesen so enmöht daz wort enpfangen und niht gezogen da von niht got gesin sunder es wär ain creatur und daz wär falsch.
<:13b>Nun merkent wie dem sei ze dem usflusse des wortes usser des vaters hertzen und vernunft: mu°s das sein das got mit liechte seines bekantnisse; uf sich selber blickte; an ainer widerbógugne; uf göltich wesen; so enmöchte das wort enpfangen und nit gezogen; da von nit got gesin; sunder es were ain creatur und das were falsch.
<:13a>Nun bemerke, wie es um das Ausfließen des Wortes aus dem Herz und dem Intellekt des Vaters steht. Wenn Gott mit dem Licht seiner Erkenntnis in einer Reflexion sich selbst auf das göttliche Wesen schauen muss, dann könnte das Wort empfangen, doch nicht anziehen. Darum wäre es nicht Gott, sondern eine Kreatur, was falsch wäre.
<:13b> Nun bemerke, wie es um das Ausfließen des Wortes aus dem Herz und dem Intellekt des Vaters steht. Wenn Gott mit dem Licht seiner Erkenntnis in einer Reflexion sich selbst auf das göttliche Wesen schauen muss, dann könnte das Wort empfangen, doch nicht anziehen. Darum wäre es nicht Gott, sondern eine Kreatur, was falsch wäre.

<:14b>Ze dem andern mal; das von dem widerwürfe götliches istes oder wesünge; so mu°s die vernuft des vaters sich bilden; oder sprechen in ainer nachfolgunge einer natürlichen gleichait, wann one das so enwere das wort nit ain sun; wann aber [247r] in diser geburd des wortes; die vernunft des vaters und der widerblick des widerwürfes, das ist gotlike substancie; und das usgrünende wort, dise drye sind ain an dem wesende; und das wir heten ainen underschaid; an den personen; so sprichet Iohannes: Das wort was in dem beginne bei gote; und da briefent mir des underschaides zaichen.

<:14b>Zweitens, über den Reflex göttlichen Seins oder Wesens. Darum muss der Intellekt des Vaters sich selbst formen oder natürlicher Gleichheit sprechen, denn ohne dies wäre das Wort nicht Sohn, außer jedoch in dieser Geburt des Wortes. Der Intellekt des Vaters und die Reflexion des Objekts, dies ist göttliche Substanz. Und das Ausblühen des Wortes, diese drei sind eins im Wesen, so dass wir einen Unterschied in den Personen haben. So sagt Johannes: ‘Das Wort war am Anfang bei Gott’, und es zeigt mir den Unterschied an.

<:15b>Zem dritten male mu°s das widerbögen und das widerbliken gotes uf sich selber in ainer ewigen stete uf das höchste (273) gespannen; gegenwürtige werke und übunge, da von die geburt ewig ist, wann und liesse got seine vernuft on ain geistliche mu°skait; ob ich das von im gesprechen tórste, von disem widerbliken ain stunde; so vergienge aller der drivaltikait underschaid; und bleibe nit me denn ain blos got on underschaid; als die iuden und haiden an got glaubent die der personen usflusses laugnent.

<:15b>Drittens muss das Zurückbiegen und das Reflektieren Gottes auf sich selbst in einer ewigen Beständigkeit auf das höchste gespannt sein, eine gegenwärtige Aktion und Übung, durch die die Geburt stattfindet. Denn wenn Gott seinen Inellekt auch nur für einen Moment ohne vernünftige Notwendigkeit ließe – soll ich dies von ihm zu sagen wagen –, würde aller Unterschied in der Trinität vergehen und es bliebe nichts als der nackte Gott ohne Unterschied, wie Juden und Heiden, dass Gott ist, die das Ausfließen der Personen läugnen.

<:16b>Von disem dritten [247v] stucke; ist das wort des vaters ewickliche; in dem ursprunge seiner geburt, und in dem iste der geburt, und in dem ende der geburt, da von ist er imer enpfangen, und ist geborn und wirt geborn. Der nement ain bilde in der lüchtuge; der luft, da ist ursprung der clarhait und des tages wesenhait; und des endes volkomenhait allein. Das ist das dritte stucke.

<:16b>Von diesen dreien ist das Wort des Vaters ewig im Ursprung seiner Geburt, im Sein der Geburt und im Ende der Geburt, durch die er ewig empfangen ist, geboren wurde und geboren wird. Nimm ein Bild vom Licht: Die Luft ist da der Ursprung des Lichts und lässt den Tag entstehen und ist allein das vollkommene Ende. Dies ist die dritte Sache.
<:17a>Dar nach merk wie wir den hailgen gaist vinden in disem gebirg. Daz merkent alsus. Dü substancie dü vernunft ist ain bekantniss die mu°ss och haben naigung nach der forme die in der vernunft [205] enpfangen ist in ir ende. Dis naigung daz ist wille.
<:17b>Dar nach mercke wie wir den hailigen gaist; vinden in disem gebirge. Das secht und merkent also. Die substancie der vernuft ist ain bekantnisse die mu°s och haben neigunge nach den formen, die in der vernünft enpfangen sind in ir ende. Diese neigunge, das ist wille; dise werk gerunge ist lüst und süssikait und gnieten sich des besten.
<:17a>Hiernach bemerkt, wie wir den Heiligen Geist in diesem Gebirge finden. Bemerkt dies auch. Die Substanz des Intellekts ist eine Erkenntnis, die auch eine Neigung zu den Formen haben muss, die letztlich im Intellekt empfangen werden. Diese Neigung ist der Wille.
<:17b> Hiernach bemerkt, wie wir den Heiligen Geist in diesem Gebirge finden. Bemerkt dies auch. Die Substanz des Intellekts ist eine Erkenntnis, die auch eine Neigung zu den Formen haben muss, die letztlich im Intellekt empfangen werden. Diese Neigung ist der Wille. Das Begehren dieser Aktion ist Lust und Süße, und sie genießen das Beste.

<:18b>Nun merkent der vorwurf der mynne; nicht nach dem gleichnisse der formen der [248r] nature; als der widerwurf der vernuft bekent in dem liechte des bekantnisse und, wenne dis wort flüsset us dem usblike des vaters, nach der formen der nature; mit personlichem underschaide; so haisset sein entgiessung von dem vater ein geburt. Wann aber dise weise an dem usrunse des willen und der mynne nit enist, da von die persone, die nach der mynne flu°te entgossen ist; von des vaters und des usgedrukes bildes in ewigem abgrunde; enmag weder sun haissen noch geborti wann aber die mynne vernuft ist in dem willen; in das das er mynnet; aber einer lebenden substancie von irm innerosten gehört an dem innersten, dar umb füge gote, des ursprung ist nach der mynne runse und des willen, das er gaist heisset.

<:18b>Nun bemerke das Projekt der Liebe. Nicht gemäß der Gleichheit der natürlichen Formen, wie das Objekt des Intellekts erkennt, sondern wenn das Wort aus dem Prospekt des Vaters fließt gemäß der natürlichen Formen mit dem Unterschied der Personen, dann heißt sein Ausfließen vom Vater eine Geburt. Wenn jedoch dieses Rinnen aus Willen und Liebe nicht so ist, durch welches die Personen, die gemäß dem Fluss der Liebe und vom Eindruck des Bildes in einem ewigen Abgrund aus dem Vater ausgeflossen sind, kann man weder vom Sohn noch von einer Geburt sprechen. Wenn allerdings Liebe Intellekt ist, der in dasjenige hinein will, das er liebt, doch einer lebendigen Substanz seines Innersten, die dem Innersten gehört, dann, Gott bewahr, ist dieser Ursprung ein Rinnen der Liebe und des Willens, das Geist genannt wird.
<:19a> [248v]



Paulus sprichet: Wer von dem gaist gottes getriben ist der ist gottes sun ob er dem tribere willeklichen volget.
<:19b> [248v] Da von gibet Paulus unserm gaiste ain innwendig und zu° tribende manunge und sprichet: wer vom geiste gotes getriben ist, der ist gotes sun; ob er dem triber williclichen volget. Nun han ich mit churtzen worten usgesprochen, die ewigen gebirges höhi und seinen ursprung.
<:19a>



Paulus sagt:[14] ‘Wer vom Geist Gottes getrieben ist, der ist Gottes Sohn’, wenn man willentlich demjenigen folgt, der treibt.
<:19b>Hierzu gibt Paulus unserem Geist eine innere und antreibende Ermahnung und sagt:[15] ‘Wer vom Geist Gottes getrieben ist, der ist Gottes Sohn’, wenn man willentlich demjenigen folgt, der treibt. Nun habe ich in wenigen Worten die ewige Höhe des Gebirges und seines Ursprungs erklärt.
<:20a>Nun son wir och merken wie die sele zu° disem gebirge geklimmen muge. Dis ist der berg uff dem Moyses mit got wonte in dem vinsterniss des unbegriffelichen glantzes der götlichen klarhait da sprach er im zu° als ain fründ redet mit sinem fründe und wont mit im vierzig tag von antlitze ze antlitze ane liplich spise.
<:20b>Nun sond wir och mercken wie die sele her zu° geklimmen müge. Das ist der berg; uf dem Moyses mit gote wonte; in der vinsternisse, des unbegriffenliches glantzes, der götlichen clarhait. Da sprach er im zw° als ain fründ redet mit seinem fründe, und wonte mit ime vierzig tage, von antlitze ze antlütze, ane leipliche speise.
<:20a>Nun sollen wir also verstehen, wie die Seele diesen Berg erklimmt. Dies ist der Bergö, auf dem Moses mit Gott in der Dunkelheit des unbegreiflichen Glanzes der göttlichen Herrlichkeit gewohnt hat. Dort sprach er mit ihm, wie ein Freund zu einem Freund spricht, und er blieb vierzig Tage bei ihm ohne leibliche Speise.
<:20b> Nun sollen wir also verstehen, wie die Seele diesen Berg erklimmt. Dies ist der Bergö, auf dem Moses mit Gott in der Dunkelheit des unbegreiflichen Glanzes der göttlichen Herrlichkeit gewohnt hat. Dort sprach er mit ihm, wie ein Freund zu einem Freund spricht, und er blieb vierzig Tage bei ihm ohne leibliche Speise.
<:21a>Nun sond ir wissen gu°ten kind wenn die sele gaistliche in dis gebirg gat daz ist so si mit ainer vergessenen sinichait sich uf getrait ane [206] die hohen der obersten krefte der sele in dem si vindet ainen widerglantz des überweslichen liechtes.
<:21b>Nun sond ir wissen gu°ten kind, wenne die sele gaistlich in dis gebirge gat, das ist so si mit einer vergessenen sinchait sich ufgetreit; in die hohen der obersten chreften der sele; in dem [249r] si vindet ainen widerglantze des überweslichen liechtes.
<:21a>Nun sollt Ihr wissen, gute Kinder, dass die Seele geistlich in dieses Gebirge geht, wenn sie zu den höchsten Kräften der Seele aufsteigt mit einem sinnlichen Vergessen, wo sie eine Reflexion des überseienden Lichts findet.
<:21b> Nun sollt Ihr wissen, gute Kinder, dass die Seele geistlich in dieses Gebirge geht, wenn sie zu den höchsten Kräften der Seele aufsteigt mit einem sinnlichen Vergessen, wo sie eine Reflexion des überseienden Lichts findet.
<:22a>Dirre berg ist ain us gedruket bild der hailgen drivaltikait beide wesenlich und personlich.

<:22b>Der berg ist ain usgedrucket bilde der heiligen drivaltichait; baide wesliche und personliche. Hie von sprichet die alte geschrift: die sunne warf ir liecht in das verguldete schilt; und da von widerschinen die berge. Dise sunne ist das liecht der substancie des götlichen wesendes, das (274) sprichet; sein liecht glentzet us dem vater; in die guldene schilte der götlichen clarhait, das ist in dem sun und in dem hailigen gaist, und da von widerschinen die berg, das sind die höhen selen; an dem bilde der hailigen drivaltikait.
<:22a>Dieses Gebirge ist eine ausdrückliche Gattung der gesamten Trinität, sowohl der wesentlichen wie der persönlichen.

<:22b> Dieses Gebirge ist eine ausdrückliche Gattung der gesamten Trinität, sowohl der wesentlichen wie der persönlichen. Hiervon sagt das Alte Testament:[16] ‘Die Sonne warf ihr Licht auf einen goldenen Schild und dieses reflektierte es auf die Berge.’ Diese Sonne ist das Licht der Substanz des göttlichen Wesens, d.h.: Sein Licht scheint aus dem Vater auf einen goldenen Schild des göttlichen Glanzes, das ist auf den Sohn und auf den Heiligen Geist, und diese reflektieren es auf die Berge, das sind die höheren Seelen im Bild der heiligen Trinität.

<:23b>Da von sprichet Augustinus das an dem obrosten taile der sele das da mens oder gemu°t haisset, da hat got geschepfet mit der sele wesende; eine chraft die die maister haissent ain schlos oder ain schrein gaistlicher formen; und [249v] formlicher bilde. Dise chraft bildet dem vater der sele durch sein usfliessende gothait; von der er entgüsset allein den hort götliches wesendes in sein wort und in den gaist; doch mit personlichem underschaide, als das gehügnisse den chreften der sel us güsset den schatz der bilde.

<:23b>Hierzu sagt Augustinus, dass im höchsten Teil der Seele, die Mens oder Verstand genannt wird, dort habe Gott zusammen mit dem Wesen der Seele eine Kraft geschaffen, die die Meister ein Schloss oder ein Kästchen der geistigen Formen und förmlichen Bilder nennen. Der Vater schafft diese Kraft der Seele durch die ausfließende Gottheit, von der er einzig in den Hort des göttlichen Seins ausgießt, in sein Wort und in seinen Geist, und zwar mit dem Unterschied der Personen, wie die Erinnerung den Schatz der Bilder in die Kräfte der Seele ausgießt.

<:24b>So die sele in der kraft schowet der ussersten creaturen bilde, ioch aines engels und ioch irs selbes; noch denne ist das bilde des vaters nit lauter usgedrucket in der sele. So aber die wesliche vernuftiger in got us der sele <flüsset> so vindet si got mit wesunge ligende gegenwürtig in der chraft beslossen, als das servilen gotes weslicher in wonunge von dem ersten puncten seiner geschepfnisse; mochte man noch itel sein of eens niet en moege sijn aen dander out der cracht. Doe wort verwerc een ander cracht in hoer die heit vernuyfticht.

<:24b>Wie die Seele in dieser Kraft die Bilder der äußeren Kreaturen schaut, auch eines Engels und auch von sich selbst, so ist das Bild des Vaters in der Seele nicht rein ausgedrückt. Wenn jedoch das intellektuelle Wesen in Gott aus der Seele ausfließt, dann findet sie Gott mit dem Wesen eingeschlossen in diese Kraft liegend und dort gegenwärtig. Da das geringere Wesen Gottes von dem ersten Punkt seiner Kreaturen einwohnt, könnte man noch verstiegen sein, ob es nicht noch eine andere Kraft geben könne. Diese Überlegung verwirft eine andere Kraft in ihr, die Intellekt genannt wird.

<:25b>Hier in ontgietet die ziele dat ewige wort mitten vader dat in den vader ewich is enn et doch die ziele tijtlic ontfact. Out desen tween gedenckenins enn vernuyfticheit voer erreysinge behagen enn een wonlike gelust die wecket een neyginge der vernüyfticht dat is des willen. Van den orspronc daer af die geest outgoten is van den vader enn van den worde. Enn dan mit desen willen enn mit al den crachten der zielen keert hem die mensche in got enn beginnet hen enn dan soe bekennet si hoe hoer belde of yegelic belde in gade ewelic glauyt hebben hem gelijt enn got mit gade enn oek hoe got sijn belde in hor gedenct hevet. Der is gegaen in dat geberge daer die maiesta moent soe wie hier toe comen wil die moet iagen enn zelen. Dit sprict dat wort dat maria giut in dat geberge komes du tot desen soe vergeet dy anxt enn sorge.

<:25b>Hierin gießt die Seele das ewige Wort, das ewig im Vater ist, zusammen mit dem Vater, doch welches die Seele in der Zeit entlässt. Aus diesen beiden, Erinnerung und Intellekt, entsteht ein Behagen und eine wohnliche Lust, die die Neigung des Intellekts erweckt, die der Wille ist. Vom Ursprung, in welchem der Geist aus dem Vater und aus dem Wort gegangen ist, und dann zusammen mit diesem Willen und mit allen Kräften der Seele, kehrt der Mensch heim zu Gott. Und wenn sie dann beginnt, dann erkennt sie hier ihr Bild, da jegliches Bild in Gott ihm gleich zu sein scheint, und Gott mit Gott ist, und Gott so sein Bild in sie gesetzt hat, dieser ist in das Gebirge gegangen, von dem die Meister sprechen wollten. Wer hierzu kommen will, der muss die Seele jagen. Das bezeichnet der Vers, dass Maria in das Gebirge ging. Wenn Du dessen stirbst, vergehen Angst und Furcht.

<:26b>Daer toe help ons got. Amen.

<:26b>Dass Gott uns hierzu helfe. Amen.




[7] Luc. 1:39: ‘Exsurgens autem Maria in diebus illis, abiit in montana cum festinatione’.
[8] Phil. 3:20: ‘Nostra autem conversatio in caelis est’.
[9] Luc. 1:39: ‘Exsurgens autem Maria.’
[10] Vgl. Eckhart, Hom. T42,1* [56*; Q 20a], n. 7: ‘Daz kumet von dem überswanke der lûterkeit sînes wesens’.
[11] Vielleicht Sap. 7:27: ‘Et cum sit una, omnia potest; et in se permanens omnia innovat: et per nationes in animas sanctas se transfert; amicos Dei et prophetas constituit.’
[12] Vgl. Sap. 13.
[13] Cant. 1:3: ‘Trahe me, post te.’
[14] Rom. 8:14: ‘Quicumque enim Spiritu Dei aguntur, ii sunt filii Dei’.
[15] Rom. 8:14: ‘Quicumque enim Spiritu Dei aguntur, ii sunt filii Dei’.
[16] I Macc. 6:39: ‘Et ut refulsit sol in clypeos aureos et aereos, resplenduerunt montes ab eis’.

Predigt T6,2* [Pfeiffer 17]

In nativitate Domini ad maiorem Missam
‘In principio erat verbum’ (Ioh. 1:1)

<:1>In principio erat verbum.
<:1>In principio erat verbum.[3]
<:2>Die meister sprechent von dem êwigen worte. Got gesprach nie kein wort mê danne einz und daz selbe ist noch ungesprochen. Daz sol man alsô verstân. Daz êwige wort ist daz wort des vater und ist sîn einborn sun, unser herre Jêsus Kristus. In dem hât er gesprochen alle crêatûren âne anevang und âne ende. Dâ wirt bewêrt, daz daz wort noch ungeborn ist, wand ez ûz dem vater nie enkam. Diz wort sulle wir verstân in vierhande wîse.
<:2>Die Meister sprechen vom ewigen Wort. Gott hat niemals mehr als ein einziges Wort[4] gesprochen und dieses ist immernoch unausgesprochen. Dies hat man wie folgt zu verstehen: Das ewige Wort ist das Wort des Vaters, und es ist sein eingeborener Sohn, unser Herr Jesus Christus. In ihm hat er ohne Anfang und ohne Ende alle Geschöpfe geäußert. Das wird damit gestützt, dass das Wort noch ungeboren ist, denn es kam nie aus dem Vater heraus. Dieses Wort müssen wir auf vierlei Weise verstehen:
<:3>Daz erste ist ûf dem altar zwischent des priesters henden. Dâ sulle wir das êwige wort bekennen unde minnen, als wir in dem êwigen worte dem himelischen vater erschînen suln.
<:3>Erstens, auf dem Altar zwischen den Händen des Priesters. Dort sollen wir das ewige Wort wissen und lieben, wie wir dem himmlischen Vater im ewigen Wort erscheinen sollen.
<:4>Ze dem anderen mâle suln wir bekennen das êwige wort, daz dâ fliuzet von dem meister ûf dem stuole. Wir sullen ez nemen in sîner eigenschaft als daz wazzer fliuzet dur den kenel, alsô fliuzet daz êwige wort dur den meister. Wir sullen niht ansehen, ob der meister stât in dekeinem gebresten: wir suln daz êwige wort ansehen in sîme wesenne, als ez êwiclîche gevlozzen ist ûz dem grunde sîn selbes.
<:4>Zweitens, sollen wir das ewige Wort erkennen, das dort von des Meisters Stuhl herabfließt. Wir sollen es aufnehmen in der Art, wie Wasser durch einen Kanal fließt, so fließt das ewige Wort durch den Meister. Wir dürfen kein Ansehen darauf ahben, ob der Meister irgendwelche Unzulänglichkeiten hat, sondern wir sollen auf das ewige Wort und sein Sein achten, wie es ewig aus dem Grund seiner selbst geflossen ist.
<:5>Ze dem dritten mâle sulle wir daz êwige wort verstân an allen den friunden unsers herren, die dem êwigen worte gevolget habent und daz bewêret ist in dem êwigen lebende und och die, die ime nâch volgent in der zît, daz sint alle die dâ stênt mit lebenne in unserm herren Jêsû Kristô.
<:5>Drittens, sollten wir das ewige Wort durch alle Freunde des Herrn erkennen, die dem ewigen Wort gefolgt sind und im ewigen Leben für es zeugen, doch auch durch diejenigen, die ihm in der Zeit gefolgt sind, wie all diejenigen, die hier in unserem Herrn Jesus Christus leben.
<:6>Ze dem vierden mâle sulle wir verstân daz êwige wort, daz dâ wirt gesprochen in die blôzen sêle von der blôzen gotheit; daz ist unwortlich, wan diu sêle enkan sîn niht geworten.
<:6>Viertens, wir sollen das ewige Wort dadurch erkennen, dass es durch die nackte Gottheit in die nackte Seele gesprochen wurde;[5] dies geschieht ohne Worte, denn die Seele kann ihn nicht in Worte fassen.
<:7>Ir sulnt wizzen, daz daz êwige wort sich selber gebirt in die sêle, sich selbe selber, und niut minre sunder underlâz. Wizzent, daz diu sêle daz ewig wort baz bekennet denne alle meister geworten künnen. Waz man geworten mac, daz ist alzekleine, dâ von hât si daz êwige wort bî einer stunde verrihtet. Hie sprechent die meister, daz wir billîche sullen îlen zuo der schuole, dâ der heilige geist lesemeister ist. Und wizzent, wâ er lesmeister ist und sîn sol, dâ wil er studenten wol bereitet vinden, daz si sîne edele lêre wol verstân mügen, diu ûz des vater herzen fliuzet.

<:7>Ihr sollte wissen, dass das ewige Wort sich selbst in die Seele gebiert, sich selbst durch sich selbst, nicht weniger und ohne Unterlass. Bedenkt, dass die Seele das ewige Wort besser kennt als alle Meister es ausdrücken können. Was wir ausdrücken können, is doch zu klein, weswegen sie das Wort in einem Augenblick gefunden hätte. Hierzu sagen sie Meister,[6] dass wir recht zur Schule rennen sollen, wo der Heilige Geist der unterrichtende Meister ist. Und bedenke: Wo der Meister, der unterrichtet, ist und sein soll, dort wünscht er sich Studierende zu finden, die wohl vorbereitet[7] sind, so dass sie seine noble Lehre[8] recht verstehen können, die aus dem Herz des Vaters fließt.[9]
<:8>Nû hât diu sêle, ob si wil, den vater und den sun und den heiligen geist: dâ fliuzet si in die einikeit und dâ wirt ir geoffenbâret blôz in blôz. Und daz sprichet unser meister, daz nieman hie zuo komen mac, die wîle er von nideren dingen als vil anhaftunge hât, als einer nâdelen spitze getragen mac. In die blôzen gotheit mac nieman komen, er ensi denne als blôz, als er was, dô er ûze gote gefloezet wart.
<:8>Nun hat die Seele, ob sie will oder nicht, den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist: und sie fließt in die Einheit, wo ihr nackt durch nackt geoffenbart wird. Und dies sagt unser Meister,[10] dass niemand dieses erlangen kann, solange er sich an niedere Dinge klammert, die eine Nadelspitze tragen kann.[11] Niemand kann in die nackte Gottheit, es sei denn man ist so nackt, wie man war, als man aus Gott ausgeflossen ist.
<:9>Hierumb mGsz sich die sel in dero dise geburt geschehen sol gar lauter halten/ vnd gar adelich leben/ vnd gar eynig vnd innen sein/ nit auszlauffen in die fünff synn/ vnd in die manigfaltikeit der creaturen/ sunder sy sol in dem lautersten wonen vnd sein. <als ich vor mer gesprochen hab>: Das wircken das got wirckt in einer ledigen seel/ die er lauter vnd blosz findet abgescheiden also das er sich in sy geistlichen geberen mag/ das wer got lustlicher/ vnd trûge me gottes in im/ dann daz werck/ in dem er alle creaturen von nüt geschaffen hat.
<:9>Darum muss sich die Seele, in der diese Geburt geschehen soll, völlig rein halten, entsprechend fein leben völlig eins und innerlich sein, nicht sich in die fünf Sinne zu verrennen und in die Vielfalt der Geschöpfe, sondern sie soll in dem Reinsten wohnen und sein. Wie ich es schon gesagt hatte:[12] Gottes Wirken, das er in einer freien Seele wirkt, die er rein, nackt und abgeschieden und die will, dass er sich geistig in sie hineingebiert, gibt Gott mehr Luswt und trägt mehr von Gott in ihn als das Werk, in welchem er alle Geschöpfe aus dem Nichts geschaffen hat.
<:10>Ist ein frag/ was daz meine/ das es im so lustig sey für alle ander werck/ die er ye geschGff an allen creaturen. Das ist darumb/ das gott kein creatur hat/ die also weyten begriff hab/ da got sein macht/ und den grund seins wesens also volkommenlich ynschreyben m=g oder yngiessen/ als in dem werck/ da er sich geystlich gebirt in die sel. Gottes geberen in die sel als ich vor mer gesprochen hab ist nit anders/ dann daz sich gott der sel offenbart in einer neüwen weysz.
<:10>Hier gibt es eine Frage, was es bedeute, dass es eine solche Lust für ihn bereite mit Blick auf alle anderen Werke, die er jemals in allen Geschöpfen getan hat. Der Grund hierfür ist, dass Gott kein Geschöpf hat, das einen so breites Verständnis hat, um Gott zu ermöglichen, dass er sich in dieses einschreiben kann, seine Macht in es eingießt und den Grund seines Seins, als in diesem Werk, in welchem er sich selbst in die Seele gebiert. Gottes Gebären in die Seele, wie ich zuvor sagte,[13] ist nichts anderes als dass Gott sich auf eine neue Weise offenbart.
<:11>Hie ist ein frag/ ob der selen h=chste seligkeit lig in dem werck do sich got geistlichen also in sy gebirt? Nun merckent/ das wer allein/ das got gr=sser wollüst nemm in disem werck dann in allen den wercken die er ye gewirckt hat in hymel vnd vff erden/ in den creaturen. Dannocht ist die seel vil seliger von dem werck do sy sich wider jn gebirt/ wiewol got in sy geboren wirt/ aber das macht sy nit vollen selig/ sonder das macht sy selig/ das sy mit inniger liebe vnd vereinigung volget der bekantnusz die in sy geboren wirt wider in den vrsprung vsz dem sy geborn ist/ vnd der vrsprung ir beider sich haltet vff das sein/ vnd abgat dem iren/ vnd da ist sy nit selig von dem iren/ mer sy ist selig von dem seinen.
<:11>Hier stellt sich die Frage, ob das höchste Glück der Seele in diesem Werk liegt, in welchem sich Gott selbst geistig in sie gebiert? Nun beachte, dass dies alleine bedeuten würde, wenn Gott eine größere Lust an diesem Werk gewonnen hätte als an allen anderen Werken, die er je an Geschöpfen getan hatte,  im Himmel und auf der Erde. Dennoch ist die Seele viel glücklicher durch das Werk, wenn sie sich wieder in ihn gebiert, auch wenn Gott in sie geboren wird. Doch dies macht sie noch nicht vollends glücklich. Wenn sie aber in intimer Liebe und Vereinigung der Kenntnis folgt, die in sie zurück geboren wurde, in ihren Ursprung, von welchem sie geboren wurde, dies macht sie glücklich, und der Ursprung der beiden verweist darauf, was sein ist, und das Ihre verschwindet, und darum ist sie nicht glücklich aufgrund dessen, was ihr ist, sondern vielmehr ist sie glücklich durch das Seinige.
<:12>Hie sprechent die meister und gent uns einen wîsen rât, daz wir gote sîn êre lâzen und enpfâhen von ime alliu dinc sunder mitel unde niht von den crêatûren. Alsô lâzen wir gote sîn êre unde lâzen in würken swie er wil und swenne er wil unde sîn wir lidig unde blôz. Wand wir sullen daz bekennen, daz got tuot alliu dinc umbe daz beste. Hie sulle wir doch gote helfen alle sin êre behalten als verre ez an uns ist.
Ein meister sprichet, daz ein künic niht vil ahtet ûf die knehte, die ime würkent nideriu werc, mêr: er ahtet der, die dâ sint in sîner heimlîchen kameren, und tuot den alzemâle iren willen. Alsus tuot got mit sînen ûzerwelten friunden, die dâ sint in sîner verborgenen heimlicheit: den verseit got einheiner bete. Die meister sprechent, daz vil liuten ze himelrîche kome, die götlîcher heimlicheit niht mêr enbrûchent ûf ertrîche, denne als einer der liehten sunnen in einem vinsteren walde.
<:12>Hierzu sagen die Meister,[14] indem sie uns weisen Rat geben, Gott seine Ehre zu belassen und von ihm alles zu empfangen, ohne Vermittlung, auch nicht von Geschöpfen. Folglich lassen wir Gott seinen Ruhm haben, lassen ihn handeln, wie er will und wann er will, und stehen bloß und nackt. Denn wir sollen wissen, dass Gott alles zu unserem Besten tut. Also sollen wir Gott helfen, soweit wir es vermögen, um ihm seine Ehre zu lassen.
Ein Meister sagt, dass ein König sich nicht so sher um sene Diener kümmert, die die niederen Tätigkeiten verrichten, sondern vielmehr nach denjenigen Dienern schaut, die in seinen Privatgemächern anwesend sind,[15] und denen er insbesondere seine Wünsche erfüllt. So tut Gott mit seinen Freunden, die nicht von dieser Welt sind, sondern die in seinen verborgenen Gemächern sind:[16] ihnen verwehrt Gott keinen Wunsch. Die meister sagen, dass viele Menschen ins Himmelreichkommen, die nicht länger die göttliche Vertrautheit auf Erden benötigen, im Unterschied zu denen, die eine gleisende Sonn in einem dunklen Wald [brauchen]. 
<:13>Her umbe sulle wir begern ûf daz aller hoehste unde daz vollebringen mit lebenne unde mit grôzem willen. Âmen.
<:13>Darum sollten wir das Höchste begehren und es mit einem entschiedenen Willen im Leben vollbringen. Amen.



[1] Eine ähnliche Idee, dass Gott Lust daran verspürt, sich selbst in das, was ihm gleich und selbig ist, auszugießen, findet sich in Eckhart, Hom. 90* [Q 12], n. 9: ‘Hie ist gote als lustlich in dirre glîcheit, daz er sîne natûre und sîn wesen alzemâle durchgiuzet in der glîcheit in im selber. Daz ist im lustlich; ze glîcher wîse, als der ein ros lât loufen ûf einer grüenen heide, diu zemâle eben und glîch wære, des rosses natûre wære, daz ez sich zemâle ûzgüzze mit aller sîner kraft mit springenne ûf der heide, daz wære im lustlich und wære sîn natûre. Alsô ist gote lustlich und genuoclich, dâ er glîcheit vindet. Ez ist im lustlich, daz er sîne natûre und sîn wesen alzemâle dâ giezende ist in die glîcheit, wan er diu glîcheit selber ist’.
[2] Vgl. on Eckhart’s interpretation of this verse, predominantly in his Latin works, C.M. Wojtulewicz, Meister Eckhart on the Principle (2017).
[3] Ioh. 1:1.
[4] Vgl. die Parallele in Eckhart, Hom. 111* [S 106], n. 5: ‘Got engesprach nie kein wort mê dan einez’, was ein Zitat aus Iob 33:14 ist: ‘Semel loquitur Deus et secundo id ipsum non repetit’. ‘Meister’ könnte hier Ijob meinen.
[5] Vgl. Eckhart, Hom. 60* [Q 21], n. 6: ‘Diu sêle in ir selber, dâ si obe dem lîchamen ist, ist sô lûter und sô zart, daz si niht ennimet dan blôz lûter gotheit’; Hom. 61 [Q 7], n. 7: ‘Die besten meister sprechent, daz diu vernünfticheit schele alzemâle abe und nimet got blôz, als er lûter wesen ist in im selben’; Hom. 62* [Q 83], n. 3: ‘Swenne aber alle bilde der selen abegescheiden werden vnd <si> allein schowet das einig ein, so vindet das bloze wesen der selen das blose formlose wesen gotlicher einkeit’; Hom. 64* [Q 85], n. 6: ‘In der widerwende laufint einen lauf di luterin geiste zu der blozheit godis’; Hom. 72 [Q 40], n. 3: ‘Dar umbe sô scheidet gote allez daz abe, daz in kleidende ist, und nemet in blôz in dem kleithûse’; ibid. n. 9: ‘Und alsô ist diu geberunge des menschen alle zît in gote ze nemenne nâch dem, daz der mensche mit sînem bilde liuhtende ist in gotes bilde, daz got blôz nâch der wesunge ist, mit dem der mensche ein ist’; Hom. 76* [Q 11], n. 7: ‘eine edele kraft der sêle, diu ist sô hôch und sô edel, daz si got nimet in sînem blôzen eigenen wesene’; Hom. 78* [Q 23], n. 8: ein blôz verstân âne mittel in gote’; Hom. 114* [Q 15], n. 8: Ain ainualtig verstantniss ist so luter in im selber, das es begriffet das luter blos goetlich wesen sunder mitte’.
[6] Vielleicht Ps. 118:99: ‘Super omnes docentes me intellexi’; Vgl. hierzu die Weihnachtspredigt Eckhart, Hom. 13* [S 102], n. 10: ‘Wan alzehant sô got den grunt gerüeret inwendic, mit der vart sô wirfet sich daz lieht in die krefte und kan der mensche mê underwîlen, dan in ieman gelêren mac. Alsô sprichet der prophête: ‘ich hân verstanden über alle, die mich ie gelêrten’.
[7] Vgl. der negative, dennoch parallele Gedanke in Eckhart, Hom. 3* [Q 68], n. 15: ‘got ist sêre vlîzic dar nâch, daz er alle zît bî dem menschen ist und lêret in, daz er in her în bringe, ob der mensche wolde volgen. Ez enbegerte nie mensche einiges dinges sô sêre, als got des begert, daz er den menschen dar zuo bringe, daz er in bekenne. Got ist alzît bereit, mêr: wir sîn sêre unbereit;’. Es ist dieselbe Predigt, in der wir, wie oben gezeigt, auch den Rückverweis auf die Predigt hier finden.
[8] Zu ‘edele lêre’, vgl. Eckhart, Hom. 9* [S 101], n. 18: ‘diu edel lêre’.
[9] Zum Herz des Vaters als göttlicher Quelle, die in die Seele fließt, vgl. Eckhart, Hom. 118* [Q 81], n. 6: ‘Diu gnâde entspringet in dem herzen des vaters und vliuzet in den sun, und in der vereinunge ir beider vliuzet si ûz der wîsheit des sunes und vliuzet in die güete des heiligen geistes und wirt gesant mit dem heiligen geiste in die sêle’.
[10] Vielleicht Augustinus, De discipl. christ. c. 14 n. 15 (PL 40, 678): ‘Christus est qui docet; cathedram in caelo habet’; id., In epist. Ioannis ad Parthos tr. 3 n. 13 (PL 35, 2004): ‘Cathedram in caelo habet qui corda docet’; on this Vgl. Eckhart, Hom. 107* [Q 42], n. 4: ‘Sant Augustînus sprichet: »swer dâ lêret, der hât gesetzet sînen stuol in den himel«. Swer gotes lêre enpfâhen wil, der muoz ûfgân und übergân über allez, daz ûzgespreitet ist: des muoz er sich verzîhen. Swer gotes lêre enpfâhen wil, der muoz sich samenen und însliezen in sich selber und sich kêren von allen sorgen und kumbernissen und von dem gewerbe niderr dinge. Die krefte der sêle, der alsô vil ist und sich alsô wîte teilent, die sol er übergân dannoch, dâ sie sint in den gedenken, swie doch der gedank wunder würket, dâ er in im selber ist. Disen gedank sol man übergân, sol got sprechen in die krefte, die niht geteilet ensint’.
[11] Vgl. den parallelen Gedanken in Eckhart, Hom. 31* [Q 59], n. 4: ‘niht ûz blîbet als grôz als einer nâdel spitze’.
[12] Vgl. die bereits weiter oben zitierte Parallel Eckhart, Hom. 111* [S 106], n. 5 (‘Got engesprach nie kein wort mê dan einez. Und daz ist im alsô lustlich, daz er niemer kein anderz gesprechen enwil’).
[13] Vgl. die andere bereits zitierte Parallele Eckhart, Hom. 13* [S 102], n. 5: ‘Got ist in allen dingen wesenlîche, würklîche und gewalticlîche, mêr: er ist aleine gebernde in der sêle’.
[14] Vgl. Aristoteles, Metaphysica XII c. 8 (1073a14-b11).
[15] Vgl. Eckhart, Hom. 5* [Q 22], n. 15: ‘... heimlîcher triskamer’.
[16] Vgl. die voranstehende Anm.

Predigt T10,4* [Pfeiffer 105; Löser 1, 1999]

In epiphania Domini

‘Stand awff iherusalem vnd wirt erlewcht’ (Is. 60:1)

 

<:1>[69vb] Stand awff iherusalem vnd wirt erlewcht.

<:1>‘Steh auf, Jerusalem, und werde erleuchtet.’[7]

<:2>Dz wart wern zS gleihent der hachtzeit vnser frawn als sy irn sun vnsern herren ihesum christum in dem tempel hat geopphert vnd gehörn eim yeden menschen zS der sich in den ebenpilden vnser frawn pegert ze Mben. wann das selb ist dy grözzt er dy man ir ertzaigen mag.

<:2>Dieser Vers ist der Hochzeit unserer Frau gewidmet, als sie ihren Sohn, unseren Herrn Jesus Christus, im Tempel geopfert hatte, doch sie gehören einem jeden Menschen, der das Vorbild unserer Frau annehmen will, denn dies ist die größte Ehre, die man ihr erweisen kann.

<:3>pey den ersten warten sol man dreyerlay awffsten von vnserer frawn merkchen. Des ersten stuend sy awff in eim gantzen willen got in allen dingen genueg ze sein dy er von ir haben wolt mit seim insprechen. Dar vmb nam sy tzwischen ir vnd got also zS das sy des ersten lusts den sy von got enphieng in irm hertzen nye vermisst durch chainer creatur willen. wann ir smekchen alle tzeitleiche ding so gar Mbel das sy von der tzeit vnd sy sich mit irm willen zw got chert sich mit chain creatur pechumert. Dar vmb wer ir well nach volgen der gleich sich nach seim vermügen [70ra] irm rainen gueten leben.

<:3>Bezüglich der ersten Worte soll man ein dreifaches Aufstehen unserer Frau bemerken. Erstens stand sie auf, völlig entschieden Gott in allem zu genügen, das er von ihr wollte, indem er in sie hinein sprach. Aus diesem Grund wuchs sie in ihrer Beziehung zwischen ihr und Gott, so dass sie niemals das erste Begehren, das sie von Gott in ihrem Herzen empfing, wegen irgendeiner Kreatur aufgab.[8] Denn alle zeitlichen Dinge sind ihr so zu wider, dass sie sich willentlich von der Zeit und von sich selbst ab- und Gott zuwandte, ohne um irgendeine Kreatur bekümmert zu sein. Wer also ihr folgen will, der gleiche sich ihrem reinen und guten Leben an, soweit er kann.

<:4>zwm andern mal stuend maria awff in einer inprünstigen pegier all menschen zw tziehen zw Mben vnd zw pringen dy ding zw würchen dy got von in pegert. Dar vmb ist ir leben ein straff gwesen aller prechleichen ding. wann sy hat dar vmb mit den menschen ir wanung gehabt das sy durch ire guete ebenpild zw got tzogen wurden. Sy hat tröst dy petruebten vnd gesterkcht den glauben vnd versagt nyembt irn rat.

<:4>Zweitens stand Maria auf in einem glühenden Begehren, alle Menschen dazu zu bringen, die Dinge anzunehmen und zu praktizieren, die Gott von ihnen will. Darum war ihr Leben ein Tadel aller schwachen Dinge, denn sie hatte ihre Wohnung bei den Menschen, damit diese durch ihr gutes Vorbild zu Gott gebracht würden. Sie hat die Betrübten getröstet und den Glauben gestärkt und hat niemandem ihren Rat versagt.

<:5>Aber nw fliehen guet scheinig lewt in chlöster vnd in chlausen das sy ledig wern der anvechtung leipleicher ding. Es ist guet ob sy got dar inn lawter mainen aber es ist ze fürchten der ettleich mainen sich selber mer dar inn dann got. Söleich sind weder Junchfrawn noch geistleich lewt noch geperer gueter ding. Maria was ein Junchfraw vnd ein geistleicher mensch vnd ein gepererinn gots.

<:5>Nun fliehen jedoch scheinbar gute Leute in Klöster und in Klausen, um frei von Anfechtungen leiblicher Dinge zu werden. Dies ist gut, wenn sie dadurch ausschließlich Gott im Blick haben, doch es ist zu befürchten, dass viele eher an sich denken als an Gott. Solche sind keine Jungfrauen oder geistliche Leute, noch Gebärer guter Dinge. Maria war eine Jungfrau, und ein geistlicher Mensch und eine Gottesgebärerin.

<:6>Sy was ein Junchfraw wann chain creatur het rue in irer sel dann got allein. Sy was ein geistleicher mensch wann alle ire werch dy sy tzwischen ir vnd got waricht die volpracht sy nach den aller edlisten tugenten dy sy verstuend vnd dar zS sy von got vermant wart. Sy was auch ein gepererinn gots wann sy gots in [70rb] irer sel mit t(gleicher gnad nye vermisst. Dar vmb wer mariam der Junchfrawn well nachuolgen vnd ir leben ern vnd zw irm lob chömen wil der mues ein Junchfraw sein. Das ist er mues sein selbs vnd aller ding ledig sein so er sich in der creatur mer vintt dann in got. Vnd wer auch mariam rechtern wil der mues ein geistleich mensch sein. Das ist er mues durch gots willen altzeit dy ding lieber lassen dann dy er von aigem willen lieber pehielt. Auch wer ein gepererinn gots well sein der mues der lieb gots in seim hertzen nymer an sein also das er sich scham so in ein ander in tugenten vor get.

<:6>Sie war eine Jungfrau, denn keine Kreatur hat einen Ruheplatz in ihrer Seele, sondern alleine Gott. Sie war ein geistlicher Mensch, denn alles, was sie tat in der Beziehung zwischen ihr und Gott, erfüllte sie der edelsten Tugend gemäß, die sie verstand und zu der sie von Gott angeleitet war. Sie war auch eine Gottesgebärerin, denn aus täglicher Gnade hat sie von Gott nie in ihrer Seele abgelassen.[9] Wer folglich Maria folgen will, ihr Leben ehren und zu ihrem Lob kommen will, muss eine Jungfrau sein, d.h., er muss frei von sich selbst und allen Dingen sein, falls er sich eher in der Kreatur als in Gott findet. Und wer es auch Maria recht machen will, der muss ein geistlicher Mensch sein, d.h., man muss eher Dinge loslassen um Gottes willen, als sich zuliebe an Dingen festhalten. Wer auch eine Gottesgebärerin sein will, darf nie ohne Gottes Liebe im eigenen Herz sein, so dass man sich schämte, wenn man eine andere Tugend bevorzugte.

<:7>zwm dritten mal stuend maria awff in warer diemuetichait vnd in dem vernichten aller creatur. wann sy ward mit willen noch mit pegier noch mit pöser mainung nye periiert das ir yembt solt vntertan sein noch dienn durch irer heilichait willen. Sölcher diemuetichait gehörn drew ding zS.

<:7>Drittens stand Maria auf in wahrer Demut und in Verneinung jeglicher Kreatur. Denn sie wurde nie vom Willen, vom Begehren oder von üblen Absichten berührt, so dass For she was never touched by will, by desire or by bad intention, so dass ihr niemand untertan sein soll oder ihr wegen ihrer Heiligkeit dienen sollte. Zu solcher Demut gehören drei Dinge.

<:8>Das erst ist icht. Der sol icht sein der sich in tugenten wil Mben also das er als das im leben pesezzen hab was er von got verstet vnd erchennt ee er es yembt offenbart.

<:8>Das erste ist Etwas. Der soll ein Etwas sein, der Tugenden so üben will, so dass er all das im Leben besessen hat, was er von Gott versteht und erkennt, bevor er es jemand erklärt.

<:9>Das ander das der diemuetichait zS gehört ist nicht. Das ist das wir vns als des guets das got in vns würcht als vmb einn awgenplich vns selber nichts süllen zS aigen ob wir es halt nach seim allerliebsten willen [70va] volpringen. wann es ist sein vnd nicht vnser.

<:9>Das zweite, das der Demut zugehört, ist Nichts, d.h. dass wir von dem Guten, das Gott in uns tut, wir keinen Augenblick es als Eigenes betrachten, wenn wir es tatsächlich seinem Willen gemäß erfüllen, denn es ist das Seine und nicht das Unsere.

<:10>Das tritt das zw der diemuetichait gehört ist nichts nicht. Das ist ein geistleichen menschen sol vasst missuallen so ander an im geergert wern von seins groben leben willen. vnd vmb das sol er sich tiemuetigen vnd sol der aller diemuetigisten Junchfrawn marie diener vnd nachuolger sein von der dy ersten wart sprechen. wirt erleucht. wann sy ward löbleich erlewcht da sy den willen gots volchömenleichen erchannt in dem volpringen der ee gesetz da sy als am hewtigen tag Jesum irn sun in den tempel opphert des sy zw chainer rainigung nicht pedarfft noch schuldig was.

<:10>Das dritte, das zur Demut gehört, ist Nichts des Nichts, d.h. ein geistlicher Mensch soll das Fasten missfallen, auch wenn andere Menschen sich wegen des ungehobelten Lebens ärgern. Und darum soll man sich selbst demütigen und der demütigste Diener der Jungfrau Maria werden und ein Nachfolger dessen sein, was die ersten Worte bedeuten: ‘werde erleuchtet’. Denn sie war auf lobende Weise erleuchtet, da sie vollkommen den Willen Gottes erkannte, als sie das Gesetz des Alten Testaments erfüllt, wenn sie am heutigen Tag ihren Sohn, Jesus, im Tempel opfert, auch wenn sie keinerlei Reinigung brauchte oder ihrer schuldig war.

<:11>Maria dy Jundhfraw ward auch erlewcht da sy sich in rechter lieb aws ir selber zw got erhueb Mber alle creatur vnd Mber ir aigen vermügen. vnd vmb das enphieng sy ein sölhe freihait von got das sy chain sünt tuen mocht.

<:11>Maria, die Jungfrau, wurde auch erleuchtet, als sie sich über alle Kreaturen und über ihr eigenes Vermögen hinaus in rechter Liebe zu Gott erhob. Und hieraus erhielt sie eine solche Freiheit von Gott, dass sie nicht sündigen könnte.

<:12>Sy ward auch erlewcht da sy in dem liecht gots erhaben ward in dem sy ir verstentichait in chainer mynnern lieb volpracht dann ob sy in dem selben punkcht solt gestarben sein. Dar vmb wer mariam dy Junchfrawn well ern der sol aws lieb den willen gots also pesitzen was er leidens vnd widerw(rtichait vber in verhengt das er des nymmer peger ledig ze sein. wann man list nyndert von ir das sy got peten hab das er sy leidens Mberhüeb.

<:12>Sie wirde auch erleuchtet, als sie in das Licht Gottes erhoben wurde, in welchem sie ihr Wissen in keiner geringeren Liebe vervollkommnete, als wenn sie genau in diesem Augenblick gestorben wäre. Wer also Maria, die Jungfrau, ehren möchte, soll den Willen Gottes auf eine Weise besitzen, dass, welches Leid und welche Widerwärtigkeit er auch immer über ihn verhängt, er nie darum bitte, davon frei zu sein. Denn man liest nirgends von ihr, dass sie Gott darum gebeten hätte, sie über das Leid hinaus zu heben.[10]

<:13>Der namen Jerusalem pedewt tzwayerlay ein stat des frits vnd ein stat des ge[70vb]sichts. Vnd dy tzway hat an ir gehabt maria dy Junchfraw. wann sy hat in der warhait gantzen frid gehabt vnd ist auch dy stat in der got nach allem seim willen geworcht hat. Sy hat auch ein lawters peschawn gehabt im Mben der tugent werch wie sy got aws rechter lieb möcht genueg tuen. Im puech der lieb spricht dy prawt. Mein lieb ist mir vnd ich pin im. Das ist got ist einer liebhabunden sel so gar genueg das sy so pald nymmer pegern mag oder got sey ir ee peraitter ze geben, Als sand Augenstin spricht Got ist mir nahenter dann ich mir selber pin. vnd also ist der alm(chtig got vnser frawn so nahent gwesen das er das wesen irer sel ee geledigt hat von dem vermügen mit dem sy sich mit prechen möcht veraint haben ee dann sy es pegert vnd suecht.

<:13>Der Name Jerusalem hat zwei Bedeutungen, einen Ort des Friedens und einen Ort der Offenbarung. Und Maria besaß beide in sich. Denn, in Wahrheit, sie hatte vollkommenen Frieden, und sie ist der Ort, an welchem Gott seinem ganzen Willen gemäß handelt. Sie befand sich auch in einer reinen Schau, während sie die Werke der Tugend tat, da sie Gott aus rechter Liebe heraus genügen wollte. Die Braut sagt im Buch der Liebe:[11] ‘Mein Liebhaber gehört zu mir und ich zu ihm’, d.h. dass Gott genügt einer liebenden Seele so sehr, dass sie bald nicht mehr begehren kann, oder dass Gott eher ihr zu geben bereit ist,[12] wie der heilige Augustinus sagt:[13] ‘Gott ist mir näher als ich mir selber bin.’ Darum war der allmächtige Gott unserer Frau so nahe, dass er ihre Seele von der Möglichkeit befreit hat, sich mit Schwächen zu vereinen, noch bevor sie es sich gewünscht oder darum gebeten hätte.

<:14>Vnd zw dem hat sy wol sprechen mügen dy awgen meins frewnts haben mich anplikcht wann es haist wol ein anplikchen so sich das liecht gots in dy sel ergewst. Als Richardus spricht Mber das puech der tugent wann das götleich liecht dy sel durch get so wirt sy ir selber als vngesmach in allen irn wechen das sy sich selber nicht leiden mag in tugent vnd sy tugentleich ist sunder sy halt sich des götleichen gesmachen.

<:14>Und hierzu hätte sie sagen können: Die Augen meines Freundes haben mich angeschaut, denn das ‘Anschauen’ ist erwähnt, wenn das Licht Gottes in die Seele gießt, wie Richard über das Book of Virtues spricht: Wenn das göttliche Licht durch die Seele geht, dann missfällt sie sich in all ihren Aktivitäten, so dass sie sich weder in der Tugend noch im tugendhaft Sein ertragen kann, statt dessen hält sie sich daran, Gott zu mögen.

<:15>Vnd dar vmb hat dy lieb Junchfraw maria wol [71ra] sprechen mügen mit dem weissagen. wer geit mir vedern als einer tawben das ich fliegen müg zw dem der mein sel lieb hat. Vnd ist als ob sy spr(ch wer geit mir sölhe vernufft mit der ich mich Mber alle creatur erhüeb vnd in tzeit Mber alle tzeit. Da von spricht sand Augenstin Mein sel ist da mer da sy lieb hat dann da sy dem leichnam das leben geit. Vnd also hat vnser fraw got als verre gevoligt das sy weder awff ir selber noch awff chainer creatur geruet hat mit chain lusst sunder sy wolt den allain haben zw lust der sich ir geben het.

<:15>Und aus diesem Grund hätte die geliebte Jungfrau Maria mit dem Propheten sprechen können:[14] ‘Wer gibt mir die Federn einer Taube, dass ich zu dem fliegen kann, der meine Seele liebt.’ Und es ist, als ob sie gesagt hätte: Wer gibt mir einen solchen Intellekt, durch den ich mich über alle Kreaturen hinweg und in der Zeit über alle Zeit hinaus erhebe. Hierzu sagt der heilige Augustinus:[15] ‘Meine Seele ist eher, wo sie liebt, als da, wo sie dem Leib Leben gibt.’ Und so ist unsere Frau Gott so weit gefolgt, dass sie ohne Begehren bei sich selbst oder einer Kreatur ruhte, und statt dessen den allein zur Lust haben wollte, der sich ihr gegeben hatte.

<:16>vnd ein sölhe sel dy got so verre gevoligt hat das sy Mber sich selber erhaben ist vnd mit chaim lust awff ir selber noch awff chainer creatur ruet dy wil auch chainn lust haben von dem götleichen influs sunder sy wil got in lust selber haben. wann so dy sel von den dingen erledigt ist des ir gewissen chunschafft hat vnd des pild gots chain enpern hat so hat dy vernuft einn ledigen zS gang in dy ewig warhait. wann dy sunn der ewichait wirfft sich mit irm schein in dy sel vnd durch tringt ir chrefft also das ein yede chrafft perüert wirt mit den zS v(ln materleicher ding von der chikchung als sy natürleich dar zS gefüegt vnd gearnt sind. vnd das lieht der ewigen sunn erhebt all chrefft der sel vnd macht sy im gleich in eim gar vernüftigen pild. vnd wann dy sel das werch wesenleich leitt als es got wesenleich vernüftig würcht so wirt der sel vernufft ein liecht aller werich dy got von gnaden in ir würhund ist vnd wan dy vernuft also erhaben wirt als oben gesagt ist so erhebt sy all chrefft der sel Mber alle tzeitleiche ding das dannoch dy chrefft von den nydern dingen vngehintert pleiben vnd albeg zw nemen vnd nicht ab.

<:16>Und eine solche Seele, die Gott so weit gefolgt ist, dass sie über sich selbst erhoben ist und mit keinerlei Lust auf ihr selbst oder auf irgendeiner Kreatur ruht, diese will auch keine Lust auf göttlichen Einfluss haben, sondern sie will Gott selber lustvoll haben. Denn wenn die Seele auf diese Weise von den Dingen befreit ist, von denen ihr Gewissen eine gewisse Kunde hat, und Gottes Bild nicht entbehrt, hat der Intellekt einen freien Zugang zur ewigen Wahrheit. Denn die Sonne der Ewigkeit wirft sich selbst mit ihrem Schein in die Seele und durchdringt ihre Kräfte, so dass jede Kraft von dem akzidentellen körperlichen Ding durch das Gesandte berührt wird, da sie natürlich hinzugefügt und verdient sind, doch das Licht der ewigen Sonne erhebt alle Kräfte der Seele und macht sie sich selbst gleich in einem vollen intellektuellen Bild. Und wenn die Seele das Handeln dem Wesen nach empfängt, da Gott wesentlich und intellektuell handelt, wird der Intellekt der Seele vollkommen und wahrhaft ein Licht, das Gott gnadenhaft in ihr bewirkt, und wenn der Intellekt so weit erhoben wird, erhebt er alle Kräfte der Seele über alle zeitlichen Dinge hinaus, so dass die Kräfte dennoch von den niederen Dingen unbehindert bleiben und in jeder Hinsicht zu- und nicht abnehmen.

<:17>Dar vmb spricht von ir sand iohanns im puech der tawgen. Ich sach ein weib pechlaitt mit der sunn vnd het den man vnter irn füezzen vnd het awff irm hawbt ein chran von tzweliff stern. wann dy sunn der grechtichait hat sy vmb geben vnd hat geschinn in irm heiligen leichnam vnd hat den man vnter ir füezz treten. Das ist dy alt slangen den tewfel mit allen irdischen dingen. Vnd ist chrönt gwesen mit den tzweliff stern der vadristen tugent. Das ist tiemuetichait. gedult vorcht. miltichait, parmhertzichait. mitleiden. m(ssichait. sterkch. weishait. glauben. hoffnung vnd lieb.

<:17>Darum sagt der heilige Johannes[16] von ihr im Buch der Dunkelheit:[17] ‘Ich sah eine Frau, mit der Sonne bekleidet, und sie hatte den Mond unter den Füßen und hatte eine Krone aus zwölf Sternen auf ihrem Haupt. Denn die Sonne der Gerechtigkeit hat sie umgeben und schien in ihren heiligen Leib und hat den Mond unter ihre Füße getreten.’ Dies ist die alte Schlange, der Teufel, mit allen irdischen Dingen. Und sie wurde gekrönt mit den zwölf Sternen der wichtigsten Tugenden, d.h. Demut, Geduld, Furcht, Milde, Barmherzigkeit, Mitleid, Mäßigung, Stärke, Weisheit, Glaube, Hoffnung und Liebe.

<:18>Dar vmb wer marie well zS gesellt wern der Mb sich in den tzweliff tugenten awff das er ir mFg nachuolgen in das reich der himel vnd dy gab enphach dy got den sein [71rb] peraitt hat vnd sich dem geb der sich im geben hat da mit der geber vnd dy gab der würcher vnd das werch ainig sey. vnser herr ihsus christus der mit dem vater vnd mit dem heiligen geist alm(chtiger got ist Amen.

<:18>Wer also sich zu Maria gesellen will, der übe sich in den zwölf Tugenden, auf dass er ihr nachfolgenkann in das Himmelreich und die Gabe empfange, die Gott den seinen bereitet hat und sich dem gebe, der sich ihm gegeben hat, damit der Geber und die Gabe, der Handelnde und das Werk eins seien, unser Herr Jesus Christus, der der allmächtige Gott ist mit dem Vater und mit dem heiligen Geist. Amen.

 




[7] Is. 60:1. Liturgical context: Epistolar., Arch. 423ra–b. Zum Kontext vgl. Hom. T10,3*.

[8] Vgl. diesen Gedanken in Eckhart, Hom. S28,2* [Pfeiffer 106], n. 25.

[9] Vgl. denselben Gedanken in Eckhart, Hom. 24,1* [Pfeiffer 107], n. 29: ‘wer die geschrift erfüllen wil, der sol sich alsô halten, daz er gotes in sîner sêle niemer vermisse’.

[10] Vgl. die wörtliche Parallele in Eckhart, Hom. S28,2* [Pfeiffer 106], n. : ‘Unt dar umbe list man niendert, daz si got habe gebeten, daz er sî lîdens überhebet hête’.

[11] Cant. 6:2: ‘Ego dilecto meo, et dilectus meus mihi.’

[12] Vgl. denselben Gedanken in Eckhart, Hom. S69,1* [91*, Q 41], n. 11: ‘Sît des gewis, daz got des niht enlæzet, er engebe uns al; und hæte er sîn gesworn, er enkünde sîn doch niht gelâzen, er enmüeze uns geben. Im ist vil nœter, daz er uns gebe, dan uns ze nemenne’; Hom. T7,2* [Jundt 1], n. 11: ‘sit got wol waißt des wir notdurftig sigint vnd me beraitet ist zegebenne denn wir ze nemenne’; Hom. T61,1* [Sievers 24], n. 8: ‘her bereider ist zu geben dan wir bereide sin zu nemen’.

[13] Vgl. Augustinus, Confessiones III c. 6 n. 11 (Verheijen 33,57): ‘Tu autem eras interior intimo meo et superior summo meo’; vgl. auch Eckhart, Hom. 110* [Q 10], n. 2: ‘Als sant Augustînus sprichet: got ist der sêle næher, dan si ir selber sî. Diu nâheit gotes und der sêle diu enhât keinen underscheit in der wârheit. Daz selbe bekantnisse, dâ sich got selben inne bekennet, daz ist eines ieglîchen abegescheidenen geistes bekantnisse und kein anderz. Diu sêle nimet ir wesen âne mittel von gote; dar umbe ist got der sêle næher, dan si ir selber sî: dar umbe ist got in dem grunde der sêle mit aller sîner gotheit’; Hom. 66* [Q 71], n. 16: ‘daz got ein wâr lieht ist und der sêle ein enthalt und ir næher ist, dan diu sêle ir selber sî; Hom. 3* [Q 68], n. 4: ‘Ich bin des sô gewis als, daz ich ein mensche bin, daz mir niht als “nâhe ist als got. Got ist mir næher, dan ich mir selber bin; mîn wesen hanget dar ane, daz mir got nâhe und gegenwertic sî’.

[14] Cant. 2:14-6; 3: ‘14 columba mea, in foraminibus petrae, in caverna maceriae, ostende mihi faciem tuam, sonet vox tua in auribus meis: vox enim tua dulcis, et facies tua decora. 15 [Sponsa.] Capite nobis vulpes parvulas quae demoliuntur vineas: nam vinea nostra floruit. 16 Dilectus meus mihi, et ego il ... quem diligit anima mea.’

[15] Ps.-Augustinus, or rather Bernardus, De praecepto et dispensatione, c. 20, n. 60, ed. Leclerq and Rochais, 292, 24–5: ‘Neque enim praesentior spiritus noster est ubi animat, quam ubi amat’; dasselbe Zitat, auch vermeintlich von Augustinus genommen, findet sich in Eckhart, Hom. T10,2* [13*; S 102], n. 12: ‘Wan sant Augustînus sprichet: “diu sêle ist mê dâ si minnet, dan dâ si in dem lîbe ist, dem si doch leben gibet”’, in einer der Predigten zum selben liturgischen Anlass wie die vorliegende Predigt; auch zu finden in Eckhart, Hom. S59,5* [85*; S 93], n. 9: ‘Sant Augustînus sprichet: “diu sêle ist eigenlîcher dâ si minnet, dan dâ si daz leben gibet”’, und in Hom. C5,2* [103*; Q 6], n. 9: ‘Sant Augustînus sprichet: “dâ diu sêle minnet, dâ ist si eigenlîcher, dan dâ si leben gibet”’.

[16] Denselben Titel gibt Eckhart der Offenbarung des Johannes in Eckhart, Hom. T1,3* [Pfeiffer 67.1], n. 12b.

[17] Rev. 12:1-4: ‘1 Et signum magnum apparuit in caelo: mulier amicta sole, et luna sub pedibus ejus, et in capite ejus corona stellarum duodecim: 2 et in utero habens, clamabat parturiens, et cruciabatur ut pariat. 3 Et visum est aliud signum in caelo: et ecce draco magnus rufus habens capita septem, et cornua decem: et in capitibus ejus diademata septem, 4 et cauda ejus trahebat tertiam partem stellarum caeli, et misit eas in terram: et draco stetit ante mulierem, quae erat paritura, ut cum peperisset, filium ejus devoraret’.



Predigt T17,1* [Pfeiffer 18]


Dominica in Sexagesima

‘Scio hominem in Christo ante annos quatuordecim etc.’ (II Cor. 12:2)

Text and translation


<:1>Scio hominem in Christo ante annos quatuordecim etc. Sant Paulus sprichet ‘ich weiz einen menschen, der wart vor vierzehen jâren verzuket in den dritten himel; weder daz in dem lîbe geschêhe oder niht, des einweiz ich niht, got der weiz ez wol’.
<:1> Scio hominem in Christo ante annos quatuordecim etc.[1] Der heilige Paulus sagt: ‘Ich kenne einen Menschen, der vor vierzehn Jahren in den dritten Himmel gehoben wurde; ob dies im Leib geschah oder nicht, das weiß ich nicht, Gott, der weiß es wohl’.
<:2>Ich spriche: wêre aber Paulus deheine wîle dâ gewesen, sô müeste lîp mit geiste geist worden sîn oder diu sêle müeste von dem lîbe gescheiden sîn. Doch schiet sîn sêle niht von dem lîbe, want si gap wesen dem lîbe, doch sach si got in ir unde sich in ime.
<:2>Ich sage: Wäre Paulus aber alle Zeit dort gewesen, dann wären Leib zusammen mit dem Geist Geist geworden, oder die Seele hätte sich von dem Leib trennen müssen. Doch trennte sich seine Seele nicht von dem Leib, denn sie verlieh dem Leib sein Sein, und sie sah ja Gott in ihr und sich in ihm.
<:3>Diu sêle hat drîe krefte: verstentnisse, wille und zornlicheit. Die drîe kefte einigent sich an die gotheit. Der wille heftet sich an got, daz er alliu dinc vermac; dâ grîfet got in götlich wesen unde gibet ir vermügentheit unde berhaftekeit. Daz verstentnisse heftet sich an den sun, daz si mit dem sune verstêt; denne verstêt si mit dem sune, sô si entbloezet wirt alles verstentnisses. Diu dritte kraft ist diu kriegende kraft, diu heftet sich an den heiligen geist. Diu kraft ist alwege kriegende nâch dem ursprunge, von dem si geflozzen ist, wand der heilige geist ein înleiter ist in die einikeit: dâ erfüllet er der sêle winkele alzemâle, dâ verliuset si zît unde stat in êwikeit, dâ ist si in der zît ob der zît und enhât doch diu sêle niht genüegede; und hête sie genüegede, sô hête si zît für êwikeit.

<:3>Die Seele besitzt drei Kräfte:[2] Vernunft, Wille und Zürnerin. Diese drei Kräfte sind in der Gottheit vereint. Der Wille heftet sich an Gott, so dass er alles vermag; dann greift Gott in das göttliche Sein und gibt ihm[3] Potentialität und Fruchtbarkeit.[4] Die Vernunft heftet sich an den Sohn, so dass sie mit dem Sohn erkennt; denn wenn sie mit dem Sohn versteht, wird sie von allem Verstehen entleert. Die dritte Kraft ist die zürnende Kraft, die heftet sich an den heiligen Geist. Diese Kraft strebt beständig auf hin zum Ursprung, aus dem sie kam, denn der heilige Geist ist ein Einlasser in das Einssein.[5] Dort füllt er jeden Winkel der Seele,[6] und sie verlässt Zeit und Raum in Ewigkeit, da ist sie in der Zeit und jenseits der Zeit, doch die Seele ist nicht damit zufrieden, denn wäre sie zufrieden, so hätte sie Zeit statt Ewigkeit.
<:4>Unt dar umbe sol man niht abe lâzen. Ez ist niht des menschen schult, swenne er stât in guoter bereitschaft und in vereinunge des willen, ob sich got denne birget und er mit im alliu dinc niht vermag und er tuot doch daz sîne, als diu sunne lât ûz ir lieht unde daz fiur lât ûz sîne hitze. Ein holzöpfellî mac sich niht enthalten, ez lâze ûz sîne siure, aber got vermac daz wol, daz er sich etwenne einer begerender sêle erziuhet, sô er ir doch vil nâhe ist. Dar umbe sol si doch niht verzwîvelen, si sol mit herzeclîcher begirde dicke ze gote sprechen: friunt aller liebester, wie lange sol ich dîn beiten?
<:4>Darum soll man nicht ablassen. Es ist nicht des Menschen Schuld, wenn man ordentlich vorbereitet da steht und in Einheit mit dem Willen, doch Gott verbirgt sich selbst und man kann nichts mit ihm anfangen, und er das Seine tut,[7] gerade wie die Sonne ihren Licht scheinen lässt und das Feuer seine Hitze ausstrahlt. Ein Holzapfel kann nicht anders als seine Bitterkeit herauszulassen, doch Gott kann es, er kann sich zurückhalten gegenüber einer verlangenden Seele, auch wenn er ihr ganz nahe ist. Darum soll sie nicht verzweifeln, sondern vielmehr in einer Herzensbegierde mutig zu Gott sagen: ‘Mein teuerster Freund, wie lange soll ich auf Dich warten?’[8]

<:5>Nû sprichet er: dem lieben Kristô wart gegeben ein niuwer name: der ein von dem engel, der ander von sant Paulen, der dritte von dem himelschen vater. Der engel gab ime den namen Jêsû Kriste. Mit dem namen nande in Joseph unde Mariâ unde der name ist als vil gesprochen als das heil der welte. Der name wirt gegeben eime verwundeten menschen. Wir zarten joch ze vil. Danne wêre man heil von aller gebrechlicheit, sô man wêre ûf erhaben unde în geholt; denne wêre man ûf erhaben, sô man blôz und abegescheiden wêre. Wande an dem obersten gensterlîn, dâ man gotlich lieht enpfâhet, daz gescheidet sich niemer von gote unde wirt niht gemitelt. Swie doch liep und leit unde pîne zuovallet, daz berüeret niht wan die nidersten krefte.
<:5>Nun sagt er:[9] Christus wurde ein neuer Namen gegeben: einer durch den Engel, ein zweiter vom heiligen Paulus, der dritte vom himmlischen Vater. Der Engel gab ihm den Namen Jesus Christus. Joseph und Maria riefen ihn bei diesem Namen, und der Name bedeutet ‘Heil der Welt’.[10] Der Name wird einem Menschen gegeben, der verwundet ist. Ach, wir sind so gebrechlich! Denn wenn wir von allen Schwächen gerettet wären, wären wir erhoben und zurückgebracht worden; und wenn man aufgestanden wäre, wäre man nackt und abgeschieden. Denn der oberste Funke,[11] in welchem wir das göttliche Licht empfangen, trennt sich nie von Gott ist wird auch nicht vermittelt.[12] Was auch immer uns an Liebe, Leid und Leiden überkommt, diese berühren doch lediglich die niederen Kräfte.[13]
<:6>Sant Paulus gab im drîe namen unde sprach, er wêre ein widerglanz des vater. Er sprichet: der verwunten sêle wirt gegeben daz verborgen himelbrôt. Wâ von ist si wunt? Daz ist von begirde. Waz ist begirde? Daz ist minne. Waz ist edeler denne begirde? want swaz man got bitet mit dêmuot unde mit begirde, des mag er niht versagen: er leitet die gerunge, diu mit dêmuot geverwet ist, in die triskamer der heiligen drivaltekeit.
<:6>Der heilige Paulus gab ihm drei Namen und nannte ihn ein Abglanz des Vaters,[14] er sagt, der verwundeten Seele wurde das verborgene himmlische Brot gegeben.[15] Woher kommen ihre Wunden? Sie kommen von der Begirde. Was ist Begirde? Sie ist Liebe.[16] What ist nobler als Begierde? Um was wir Gott aus Demut und Begierde bitten, kann er nicht verweigern.[17] Er führt die Begirde, die demütig gefärbt ist, in die Privatgemächer der heiligen Trinität.[18]
<:7>Paulus nante in ouch unde sprach, er wêre ein berhaftekeit des vater unde gelîcheit in dem vater, wand er mit dem vater würket und ouch die persône gebirt. Ich spriche für wâr: diu sêle mac persône gebern, sô got lachet in sî und sî wider lachet in in. Bî eime gelîchnisse: als der vater lachet in den sun unde der sun wider in den vater unde daz lachen birt lust unde der lust birt fröide unde diu fröide birt minne unde diu minne birt persône unde persône birt den heiligen geist: alsô birt er mit dem vater.
<:7>Paulus nannte ihn auch die Fruchtbarkeit des Vaters und das Abbild des Vaters,[19] da er mit dem Vater handelt und die Personen hervorbringt.[20] Ich sage wahrlich, die Seele kann Personen gebähren, wenn Gott in sie hinein lacht und sie ihn zurück anlacht. Oder in einem Beispiel: wie der Vater in den Sohn lacht, und der Sohn zurück lacht in den Vater,[21] und dieses Lachen Lust hervorbringt, und Lust Freude macht und Freude Liebe entzündet und Liebe Personen zeugt, und Personen den heiligen Geist gebähren, auf diesem Weg gebirt er mit dem Vater.
<:8>Der dritte name was, dô er sprach, er wêre ein majestât der substancie gotes. Diu majestât ist daz wesen der substancie gotes, diu substancie ist diu ursprunglicheit der drîer persônen. Denne heizet diu sêle majestât, sô si wesen begibet: dâ sol man bekennen vater und vaterlicheit unde sun und sunlicheit und ir beider persône in einekeit begriffen. Der vater gab ime fünf namen âne wort.
<:8>Den dritten Namen, den er gab, war die Majestät der göttlichen Substanz.[22] Die Majestät ist das Sein der göttlichen Substanz. Diese Substanz ist der eigentliche Ursprung der drei Personen. Darum ist die Seele Majestät genannt, wenn sie Sein gibt: dann wird man den Vater und Väterlichkeit erkennen, den Sohn und die Sohnschaft, und beider Personen werden in Einem begriffen.[23] Der Vater gab ihm fünf Namen ohne Wort.
<:9>Daz uns got blôz behalte in im, des helf uns got. Âmen.
<:9>Auf dass uns Gott nackt in ihm hält,[24] möge Gott uns helfen. Amen.




[1] II Cor. 12:2; vgl. Eckhart, Hom. 48* [Q 61], n. 4: ‘Dise rede bediutet sant Augustînus und sprichet: daz sant Paul gezücket wart in den dritten himel, daz enbediutet niht mê wan drîer hande bekantnisse an der sêle’; vgl. Augustinus, De Genesi ad litteram XII, c. 34, ed. Zycha, 432, 1–10: ‘Si ergo caelum primum recte accipimus hoc omne corporeum generali nomine quidquid est super aquas et terram, secundum autem in similitudine corporali quod spiritu cernitur … tertium uero quod mente conspicitur ita secreta et remota et omnino abrepta a sensibus carnis atque mundata ut ea, quae in illo caelo sunt, et ipsam dei substantiam uerbumque deum, per quod facta sunt omnia, per caritatem spiritus sancti ineffabiliter ualeat uidere et audire: non incongruenter arbitramur et illuc esse apostolum raptum’; vgl. also Hom. 55* [Q 80], n. 5: ‘Ich enspriche niht von gnædiclîchem verstânne, wan ein mensche möhte als verre gezogen werden von gnâden, daz er verstüende, als sant Paulus verstuont, der in den dritten himel gezucket wart und sach sôgetâniu dinc, diu man niht volsprechen enmuoz noch enmac’; Hom. 78* [Q 23], n. 8: ‘Sant Paulus wart gezücket in den dritten himel’; Hom. 84* [Q 86], n. 12: ‘Ich spriche getürsticlîche: hæte sant Pêter got âne mittel gesehen in natûre, als er dar nâch tete und als Paulus, dô er in den dritten himel gezucket wart, im wære des obersten engels gespræche alze grop gewesen’.
[2] Vgl. Eckhart, Hom. 93* [Q 32], n. 7: ‘Der hœhsten krefte der sêle der sint drî: diu êrste ist bekant-nisse, diu ander irascibilis, daz ist ein ûfkrie-gendiu kraft; daz dritte ist der wille ...’; Hom. 12* [Q 14], n. 3: ‘De myster inde de heylgen sprechent gemeynlichen, dat de sele haue dri creften, dar an sy gelich sy der dryueildicheit. De eirsten craft is gehochnysse, de ment eyne heymeliche, verborgen konst; de nennet den vader. De ander craft heyscht inteligencia, dat is eyne intgegenwordicheit, eyn bekennen, eyne wysheit. Dey dirde crafte de heysset wylle, eyn vloit des heylgen geistes. hey by in wylen wir neit bleuen, want it in is neyt nuwe materie’; In Ioh. n. 111 (LW III 95,14-5): ‘... appetitus  scilicet concupiscibilis et irascibilis’; the threefold psychology is found in Augustine, De Trinitate X, c. 11, n. 18 (ed. Mountain and Glorie, 330, 29–331, 63). See also Eckhart, Sermo II/1, n. 3 (LW IV 6, 4–5): ‘memoria, intellectiva et voluntas’; Sermo XXXIV/3, n. 348 (LW IV 302, 3): ‘sicut Augustinus docet de memoria, intellectiva et voluntate’. Note the difference between intellectiva (LW IV) and intelligentia. In Hom. 9* [S 101], n. 11: ‘verstantnisse … gehugnisse … willen’.
[3] i.e. Kraft des Willens.
[4] Vgl. Eckhart, Hom. 18* [Q 1], n. 13: ‘... bekennet si die veterlîche hêrschaft in vruhtbærer berhafticheit und die weselîche isticheit nâch einvaltiger einicheit âne einigen underscheit’. Der Text könnte auch andersherum gelesen werden: Dann ergreift Gott das göttliche Sein des Geistes und gibt ihm Potentialität und Fruchtbarkeit.
[5] Vgl. zum heiligen Geist als Führer und Einlasser: Eckhart, Hom. 78* [Q 23], n. 5: ‘Und mit dem bilde und mit dem heiligen geiste wirt si durchgevüeret und îngevüeret in den grunt’.
[6] Zu den Ecken der Seele vgl. Eckhart, Hom. 13* [S 102], n. 16: ‘in einen winkel sîner sêle’; see Anselmus, Proslogion, c. 1, ed. Schmitt, 97, 4–6: ‘Eia nunc, homuncio, fuge paululum occupationes tuas, absconde te modicum a tumultuosis cogitationibus tuis. Abice nunc onerosas curas, et postpone laboriosas distentiones tuas’; Hom. 94* [S 95], n. 4: ‘Ein meister sprichet, daz diu sêle sî ein ort oder ein ecke, dar ane sich stœzet beide zît und êwicheit’.
[7] Vgl. Eckhart, Hom. 15* [S 103], n. 20: ‘Er mac sich zöugen, sô er wil, und mac sich bergen, sô er wil’; Hom. 16* [S 104], n. 7: ‘Und wan unser herre daz wol weiz, dar umbe muoz er sich underwîlen verbergen wan diu sêle ist ein einvaltigiu forme des lîbes’.
[8] Vgl. Cant. 5:6: ‘Anima mea liquefacta est, ut locutus est; quaesivi, et non inveni illum; vocavi, et non respondit mihi’.
[9] Dies scheint eine Glosse zu sein, die in den Text gedrungen ist, da es keinen Bezug gibt.
[10] Vgl. Matth. 1:20-21: ‘(20) Haec autem eo cogitante, ecce angelus Domini apparuit in somnis ei, dicens: Joseph, fili David, noli timere accipere Mariam conjugem tuam: quod enim in ea natum est, de Spiritu Sancto est. (21) Pariet autem filium: et vocabis nomen ejus Jesum: ipse enim salvum faciet populum suum a peccatis eorum’.
[11] Zu ‘gensterlîn’ vgl. Eckhart, Hom. 54* [Q 67], n. 3: ‘ein spænlîn oder ein kleine ganeistlîn’.
[12] Zur Nichtvermittlung vgl. die Einleitung zu Eckhart, HLY II. De sanctis.
[13] Zu den niedrigen Kräften vgl. z.B. Eckhart, Hom. 94* [S 95], n. 6.
[14] Alle drei Namen finden sich in Hebr. 1:3: ‘cum sit splendor gloriae, et figura substantiae ejus, portansque omnia verbo virtutis suae, purgationem peccatorum faciens, sedet ad dexteram majestatis in excelsis’; eine ähnliche Auslegung des Verses begegnet in Eckhart, Hom. 83* [Q 2], n. 8: ‘Wan Jêsus, daz lieht und der schîn des veterlîchen herzen – als sant Paulus sprichet, daz er “ist ein êre und ein schîn des veterlîchen herzen”’.
[15] Vgl. Ioh. 6:51: ‘Ego sum panis vivus, qui de caelo descendi’; Vgl. hierzu Eckhart, On the Lord’s Prayer (). xxx
[16] Vgl. Eckhart, Hom. 5* [Q 22], n. 12.
[17] Ein ähnlicher Gedanke in Eckhart, Hom. 113* [S 100], n. 5: ‘Ich spriche, daz got alliu dinc vermac: und er envermac des niht, daz er dem menschen iht versage, der dêmüetic und grôzer gerunge ist’. Vgl. auch die parallele Form von ‘gerunge’.
[18] Zu dieser Privatkammer vgl. Eckhart, Hom. 5* [Q 22], n. 15: ‘... heimlîcher triskamer’; Hom. * [Pr. 17 Pfeiffer], n. 12: ‘in sîner verborgenen heimlicheit’.
[19] Hebr. 1:3: ‘cum sit splendor gloriae, et figura substantiae ejus, portansque omnia verbo virtutis suae, purgationem peccatorum faciens, sedet ad dexteram majestatis in excelsis’.
[20] Vgl. Eph. 3:14–5: ‘(14) Huius rei gratia flecto genua mea ad Patrem Domini nostri Iesu Christi, (15) ex qua omnis paternitas in caelis et in terra nominatur’; vgl. auch Is. 54:1: ‘quoniam multi filii desertae magis quam eius, quae habet virum’. Vgl. Eckhart, Hom. 111* [S 106], n. 6: ‘Got sprach: ich hân alliu dinc berhaftic gemachet, war umbe enwære ich denne selber niht berhaftic?’
[21] Vgl. Eckhart, Hom. 23* [Q 51], n. 6: ‘Allez des vaters lust und sîn kôsen und sîn anelachen daz ist aleine in dem sune’.
[22] Hebr. 1:3: ‘cum sit splendor gloriae, et figura substantiae ejus, portansque omnia verbo virtutis suae, purgationem peccatorum faciens, sedet ad dexteram majestatis in excelsis’
[23] Zum Unterschied zwischen Vater und Väterlichkeit, Sohn und Sohnschaft vgl. Eckhart, Hom. * [Pr. 54 Pfeiffer] mit weiteren Parallelen und Lit.
[24] Vgl. Eckhart, Hom. 72* [Q 40]], n. 3: ‘nemet in blôz in dem kleithûse, dâ er entdecket und blôz in im ist. Alsô sît ir blîbende in im’.


Predigt T25,2* [Strauch V 379-82]

Feria V in coena Domini
 ‘Scitis quid fecerim vobis etc’ (Ioh. 13,12)

Text und Übersetzung


<:1>[59a]Scitis quid fecerim vobis etc. Unsere herre Jhesus Christus sprach zu synen jungeren: wißent ir was ich uch getan hann?
<:1>Scitis quid fecerim vobis etc.[1] Unser Herr Jesus Christus sagte zu seinen Jüngern: ‘Wisst Ihr, was ich Euch getan habe?’
<:2>An diesen wortten gibbet er uns zuverstene dru dinge. Das eyn ist das wir wisende sullen sin an dem wortte da er sprach „wisset ir’? Das andere ist, wes wyr wißende sullen sin ann dem wort da er sprach: „wz ich getan han’. Das dritte ist, was das sy, dem er es getan hait an dem wortte da er sprach „uch’.
<:2>Mit diesen Worten gibt er uns drei Dinge zu erkennen: Das erste ist, dass wir Wissende sein sollen,[2] denn er sagte: „Wisst Ihr?’ Das zweite ist, was wir wissen sollen, denn er sagte: ‘Was ich Euch getan habe’, und das dritte ist, wem er es getan hat, denn er sagte: ‘Euch’.
<:3>Crisustimus spricht, das unsere herre zum ersten knyewete fur Judam, der yne verraden sulde, und zwug yme syne fuße. Das zwahen unsers herren syner jungern fuyß was [59b] eyn bereydunge zu dem sacrament, das er yn geben wulde. Da unser herre zu sanct Peter kquam, da enwulde er sich nyt laßen zwahen unsern herren und sprach: du ensalt mir der fuyß nyt zwahen, herre. Beda spricht: unsere herre kqueme zum ersten zu sanct Peter, und Judas hette sich durch synen freuel zu fure gesatzt, daz er zum ersten gezwagen wurde. Eyn andere heilige spricht, das sanct Peter gezwahen wurde zu aller lest, und das die andern jungern alle geswiegen hatten von eynualdigkeyt und von duffe ir wißheyt, want sie wischten das wol, das alle unsers herren wergk in dem besten wurden [60a] gethan. Do so bekantte sant Peter sin große unwirdigkeyt des dinstes von dem herren, darumbe sprach unsere herre: Peter, das ich nu tun, das enweystu nyt, du salt es aber hernach wißen. An den wortten engnungete noch sant Peter nit, sunder da er sprach: entzwahen ich dich nyt, du ensalt (380) | keyn deyl mit mir han.
<:3>Chrysostomus sagt, dass der Herr zuerst vor Judas gekniet habe, der ihn später verraten sollte, und wusch seine Füße.[3] Dass unser Herr die Füße seiner Jünger wusch geschah als Vorbereitung für das Sakrament, das er ihnen schenken wollte.[4] Als unser Herr zum heiligen Petrus kam, wollte dieser nicht, dass ihm der Herr die Füße wusch und sagte:[5]  „Herr, Du sollst mir nicht meine Füße waschen’. Beda sagt:[6] Unser Herr kam zuerst zum heiligen Petrus, doch in seiner Schlechtigkeit hatte sich Judas bereits hingesetzt, so dass er seine Füße zuerst gewaschen bekam. Ein anderer Heiliger sagt,[7] dass Petrus als Letzter gewaschen wurde und dass alle anderen Jünger aus Einfachheit und aufgrund ihrer Weisheit stille geblieben waren, da sie rechterdings wollten, dass das Werk unseres Herrn an dem Besten getan werden sollte. Als der heilige Petrus seine große Unwürdigkeit für den Dienst des Herrn bekannt hatte, sagte unser Herr: ‘Petrus, was ich Dir jetzt tue, das verstehst Du nicht, doch Du wirst es später verstehen’.[8] Da die Worte jedoch für Petrus nicht ausreichten, sagte er: „Wenn ich Dich nicht wasche, kannst Du keinen Anteil an mir haben’.[9]
<:4>nu mochte man fragen, ob an der gotheyt deyle were zu gebene. neyn nit! an der gotheit enist keyn deyle zu gebene, sunder an dem entphaen der creaturen so ist deyle, want an den creaturen da ist mee und mynner. des enist an der gotheyt nyt. da sprach sant Peter: herre, nyt alleyn die fuße, sunder handt und heubt. [60b] da antworttet unsere herre sant Petro und sprach: were gezwahen ist, der endarff nit dann das er die fuße zwahe. By den fußen ist uffgenomen die begerunge des menschen, want als die fuße den lichamen dragent, also dreyt die begerunge des menschen hertze und sele. Darumbe sprach unser herre: enzwahen ich nit din fuß, das ist enkeren ich nyt din begerunge zu mir, so ensaltu keyn deil mit myr hann, das ist, so enmagstu nit wonen in myr, want din begerunge muß dich leyden in mich. Eye, wie dicke die begerunge gereysset wurdt von godde und doch widder vermenget wurdt! [61a] Darumbe sprach sant Peter: herre, nit alleyn die fuyß, sunder auch hende und heubt. Bij der handt ist uffgenomen die verstentenisse und die redelichkeyt, bij dem heubt die meynunge, want die meynunge ist hoi mit allen wercke<n>, und als die wercke mit der hant gewircket werden unde geordent zu yrme ende, also als sie gewer<ck>en sollen liplich, also werdent alle geystlich wergk geordent mit dem verstentenisse und mit der redelichkeyt also als sie gescheen sullen geistlich. unde also als das heubt verderbet alle gliddere, also verderbet die meynunge al des menschen wercke. Alsus ist es, wan das verstentenisse und die redelichkeyt, die die werck zierent, in godde [61b] stediglichen dringent in abgenomenheyt alles hindernisses, so endarff der mensche nyt dann das er die begerunge hude vor anfelligen sachen, das sie nit vermenget werde. Herumbe sprach unsere here zu sant Peter: were getzwahen ist, der endarff nit dann das er die fuyß zwahe.
<:4>Nun könnte man fragen, ob man von der Gottheit Teile geben könnte.[10] Nein, natürlich nicht! Es gibt keine Teile der Gottheit, die weggegeben werden könnten, stattdessen sind das, was Geschöpfe erhalten, Teile, da es bei Geschöpfen ein mehr und weniger gibt. Solches gibt es jedoch nicht bei der Gottheit.[11] Dann sagte der heilige Petrus:[12] „Herr, wasch mir nicht nur die Füße, sondern auch meine Hände und meinen Kopf’. Daraufhin antwortete unser Herr dem heiligen Petrus und sagte:[13] ‘Wer gewaschen ist, der bedarf nichts, außer dem Waschen der Füße’. Mit „Füßen’ wird das menschliche Begehren aufgegriffen, denn wie die Füße den Körper tragen, so bewegt das Begierde das Herz und die Seele des Menschen. Darum sagte unser Herr: ‘Wenn ich nicht Deine Füße wasche’, d.h. wenn ich Deine Begierde nicht auf mich ausrichte,[14] wirst Du an mir keinen Anteil haben, d.h. wirst Du nicht in mir wohnen, denn Deine Begierde muss Dich in mich hinein führen. In der Tat, auch wenn die Begierde von Gott fest herangezogen wird, sie verhängt sich doch wieder! Darum sagte der heilige Petrus: ‘Herr, nicht nur die Füße, sondern auch die Hände und den Kopf’.[15] Mit ‘Händen’ ist das Wissen und das Verstehen gemeint, mit ‘Kopf’ die Absicht, da die Absicht bei allen Handlungen eine Rolle spielt, und da Handlungen ausgeführt und ausgerichtet sind auf ihr Ziel, indem die Hände genutzt werden, da sie körperlich[16] auszuführen sind.[17] So sind alle geistigen Dinge vom Intellekt und Verstand bestimmt, denn diese müssen geistig ausgeführt werden. Und wie der Kopf die Gliedmaßen verdirbt, so verdirbt die Absicht alle menschlichen Handlungen.[18] Daraus folgt, dass dann, wenn der Intellekt und der Verstand, die die Handlungen schmücken, allmählich in Richtung Gott gedrückt werden, indem alle Hindernisse beseitigt werden, muss ein Mensch sich lediglich seine Begierde vor auffälligen Ursachen bewahre, so dass sie sich nicht verhängt. Darum sagte unser Herr zum heiligen Petrus: ‘Wer gewaschen ist, der bedarf nichts, außer dem Waschen der Füße’.[19]
<:5>unsere herre sprach zu eynem male zu synen jungern: ist das ir nyt enessent das fleysche des menschen sones noch drinckent sin bluyt, so enmogent ir keyne leben in uch haben. Des worttes erschracken sin jungern und flohen von ym one sin apposteln, die blieben bij yme. want die jungern beduchte, das er gar dorliche gesprochen hette. Da sprach [62a] unsere herre zu synen apposteln: wollent ir auch von mir? da antwordt sant Peter: herre, was sal ich? wisestu mich von dir? du bist eynborn, ußer dir flußet daz wortte des ewigen lebens. uff das wortte „wisestu mich von dir?’ spricht sanctus Augustinus, so wise mich zu eym andern dich oder zu dir in eyner andern wise. Ylarius spricht: Es enwart nye besser ordenunge da<n> das der vader ist in dem sone und der sone in dem vatter unde sie beyde in dem heiligen geyst unde der heylige geyst in yne beyden und das die middelste persone menschlich nature an sich genomen hat und sie in sich an eyner personen vereynet hait. eyn styme [62b] sprach zu Sant Au(gu)styn: ich bin eyn (381) | spise der großen wash und du salt mich essen und ich ensal nyt gewandelt werden in dich, sunder du salt gewandelt werden in mich. also als die spise verwandelt und vernaturet wirt in dem menschen, also wurt menschliche nature mit der spisen, die got ist, verwandelt und vernaturet in gotlicher naturen. Ignacius, unser frauwen cappellan, wart geworffen in des lewen mundt. Da sprach er: ich bin Christi spise. Du salt mich wol zuriben, das er mich destabaß verdauwen moge. Die gotheit ist eyn condimentum gottes lichamen. Salomon spricht: Eyn cleyn gabe wurdt dicke siebenfalt [63a] also wurt gottes lichame in der selen, want sie entpfecht gotliche nature mit der gotheyt alzumal an dem lichame unsers herren mit dem ewigen lebene das sie entpfecht, want gotliche nature ist eyn burne des ewigen lebens und sie entpfecht eyn sune zwischen ir und godde und sie entpfecht eyn widdermachunge der gebrechen ame geyst. want gottes liachame gibt der selen zubekennen yren gebrechen, der sie vergessen hat, off das sie ir bichte tuwe, oder er gibt ir sicherheit, das sie yr vergeben sin. Er gibbet ir sußigkeyt, want sie  entpfecht von der eynungen synes mit der gotheyt. Er gibbet ir auch eyn gehugnisse Christi von syme sacrament [63b] das sie entpfecht. Er gibbet ir auch ye gegenwordige gnade von der heymelicheyt irs mit yme, als sie yne entpfecht. Er gibbet ir auch in ir selber, eyn glichnisse des ewigen lebens, want er ist der, als der prophete spricht, by dem alle dinge lebent.
<:5>Einmal sagte unser Herr zu seinen Jüngern: ‘Wenn Du weder den Leib des Menschensohnes isst noch sein Blut trinkst, kannst Du nicht Leben in Dir haben’.[20] Diese Worte ließen die Jünger erschrecken und sie flohen von ihm, nicht jedoch die Apostel, die bei ihm blieben.[21] Als die Jünger dachten, er hätte Unsinn gesprochen, sagte der Herr zu seinen Aposteln: „Wollt Ihr auch weg von mir?’[22] Darauf antwortete der heilige Petrus: ‘Herr, warum soll ich? Schickst Du ich weg von Dir? Du bist der Eingeborene, das Wort des ewigen Lebens fließt von Dir aus’.[23] Über das Wort ‘Schickst Du mich weg von Dir’ sagt der heilige Augustinus:[24] „Dann sende mich zu einem anderen Du, oder zu Dir auf andere Weise’. Hilarius sagt:[25] Es gab nie eine bessere Zuordnung als[26] dass der Vater im Sohn ist und der Sohn im Vater und dass beide im Heiligen Geist sind und der Heilige in ihnen beiden ist, und dass die mittlere Person menschliche Natur annahm, und dass sie sich in einer einzigen Person vereint haben. Eine Stimme sprach zum heiligen Augustinus:[27] ‘Ich bin die Speise, die groß ist, und Du sollst mich essen, und ich werde nicht in Dich verwandelt, sondern Du wirst in mich verwandelt’. Und wie dann die Speise verwandelt und im Menschen verdaut wird, so wird durch die Speise, die Gott ist, die menschliche Natur verwandelt und in göttliche Natur hineintransformiert. Der heilige Ignatius, der Hüterin unserer Frau, wurde in die Zähne der Löwen geworfen. Dabei sagte er: Ich bin die Speise Christi. Ihr sollte mich fest zerreiben, auf dass er mich leichter verdauen kann.[28] Die Gottheit ist ein Gewürz von Gottes Körper. Salomon sagt:[29] ‘Eine kleine Gabe wird reichermaßen siebenfach werden’. So wird Gottes Körper in der Seele sein, wenn sie die göttliche Natur mit der Gottheit empfängt, und zwar erkanntermaßen mit dem Leib unseres Herrn zusammen mit dem ewigen Leben, das sie erhält, da die göttliche Natur die Quelle ewigen Lebens ist,[30] und von ihr selbst und Gott empfängt sie einen Sohn, und sie erhält die Widerherstellung der Unzulänglichkeiten des Verstandes.[31] Denn Gottes Körper lässt die Seele ihre Unzulänglichkeiten erkennen, die sie vergessen hatte, so dass sie diese zugeben kann, oder es gibt ihr Sicherheit, dass ihr diese vergeben wurden.[32] Er gibt ihr Süße, wenn sie ihn empfängt, aufgrund seines Einsseins mit der Gottheit. Er gibt ihr auch eine Erinnerung an Christus durch das Sakrament, das sie empfängt. Jedesmal gibt er ihr auch eine gegenwärtige Gnade aufgrund der Intimität von ihr und ihm, wenn sie ihn empfängt. Er gibt ihr auch in ihr selbst ein Gleichnis ewigen Lebens, denn er ist, wie der Prophet sagt,[33] der Eine, durch den alle Dinge leben.
<:6>Unsere herre sprach, er sulde synen getruwen diener setzen uber alles sin gut. Augustinus sprach: Gottes eygen gutt ist sin eygen wesen. Paulus spricht: wer got zuhafftet, der wurdt eyn geyste mit godde. Hie von spricht der prophete: Herre, myn sele hait abgenomen in dem heile. Uff disselbe wort spricht sanctus Ambrosius: alse nymmet die sele abe, das sie seligkeyt verluset und wurdt me geyst dan sele. [64a] want sie magk so sere zunemen an gotlicher liebe, das sie zumale geyst wurdt. Auch spricht sanctus Augustinus, das die sele me sij da sie mynnet dann da sie leben gibbet. In Cantic. stet geschreben, das die liebe starcke sij als der dot, der die sele scheydet von dem libe. Ich sprechen aber, das sie tusentwerbe starcker sij dann der dot, want sie nymmet die sele ußer ir selber. Das spricht sanctus Dionisius, das die liebe setzet die sele ußer ir selber in das daz sie mynnet, want die liebe setzt das gemyntte in das das da mynnet und sie setzet das da mynnet in das gemynte. Auch spricht sanctus Dionisius, das die mynne machet gedeylt dingk eyn unge(64b)deyltes. Alsus eynet die liebe das das die liebe sele eyn wurdt mit godde. Herumbe sprache unsere herre zu synen jungern: wißent ir was ich uch gethan hann? und sprach auch: das ich nu tun, das enwissent ir nyt. ir sollent es aber hernach wißen, als er sprechen sulde, ir sijt mit ußeren und mit groben dingen so verbildet und so verblendet, das ihr der inneren dinge noch nyt erkennen konnent.
<:6>Unser Herr sagt,[34] er soll seine getreuen Diener über all das Seine setzen. Augustinus sagt:[35] Das Seine Gottes ist sein Sein. Paulus sagt: Wer zu Gott steht wird ein Geist mit Gott. Hiervon spricht der Prophet:[36] Herr, das Heil meiner Seele ist geschwunden. Hierzu sagt der heilige Ambrosius:[37] Die Seele schwindet, wenn sie die Glückseligkeit verliert und mehr Verstand als Seele wird. Dann mag sie so sehr an göttlicher Liebe wachsen, dass sie dann Verstand wird. Auch Augustinus sagt, dass die Seele mehr ist, wenn sie liebt, als wenn sie Leben gibt.[38] Im Hohenlied steht geschrieben,[39] dass Liebe stärker als der Tod ist, der die Seele vom Körper trennt. Ich aber sage, dass sie tausendmal stärker als dieser ist, denn sie[40] trägt die Seele aus sich heraus. Dies sagt der heilige Dionysius,[41] dass die Liebe die Seele aus sich heraussetzt in das hinein, das sie liebt, denn Liebe setzt das, was geliebt wird in dasjenige, was es liebt, und sie setzt die Person, die liebt, in dasjenige, was geliebt wird. Der heilige Dionysius sagt auch,[42] dass Liebe eine geteilte Sache in ein ungeteiltes Eines verkehrt. Folglich vereint Liebe dies,[43] so dass die liebende Seele mit Gott eins geworden ist. Darum sagt unser Herr zu seinen Jüngern: ‘Wisst Ihr, was ich Euch getan habe?’[44] Und er sagte auch: ‘Was ich jetzt tue, das versteht Ihr nicht, doch Ihr werdet es später verstehen’,[45] wenn er sagen wird: Ihr seid aufgrund äußerer und grober Dinge so verbildet und verblendet, dass die inneren Dinge noch nicht erkennen könnt.
<:7>Unsere herre sprach auch: das broit daz ich salle geben, das ist myn fleisch. Der (382) | propheta spricht, das der mensch aße der engel broit. Raphael sprach zu dem jungen Dobias: die spise die ich essen, der enmagstu nyt gesehen. Augustinus [65a] spricht: Es enwardt nye nature edeler dann die nature Christi sele. Das ist darumbe, want sie geeynet wardt mit der gotheyt. Es enwardt auch nye seele geschaffen luter creature zu sin, die also edel were na ir nature als der mynste engel der ye geschaffen wardt, want an syner ersten formen magk der engel got ansehen. des enmag die sele nyt. Sie muß zum ersten geeyniget werden in die forme des lichamen. Dionisius spricht: der engel ist eyn offenbarunge gotlichs liechtes, want durch yn schynet das gotlich liecht in die sele. Dionisius spricht auch, der engel sij eyn durchluchtig spiegel. Herumbe wan [65b] wir alle begeben als der engel, so sin wir als der engel luter, clare das gotlich liecht zu begriffen als der engel.
<:7>Unser Herr sagte auch: ‘Das Brot das ich Euch geben werde, das ist mein Leib’.[46] Der Prophet sagt,[47] dass der Mensch des Engels Brot aß. Raphael sagte zum jungen Tobias:[48] Die Speise, die ich aß, kannst Du nicht sehen. Augustinus sagt: Kein Wesen war edler als das Wesen von Christi Seele.[49] Denn es war mit der Gottheit vereint. Doch keine Seele war geschaffen, dass sie einfach nur Geschöpf sein sollte, die so edel ihrem Wesen nach war wie der kleinste Engel, der je geschaffen wurde, denn in seiner ersten Ausformung kann der Engel Gott schauen. Das kann die Seele nicht.[50] Sie muss zuerst mit der Form des Körpers vereint werden. Dionysius sagt: der Engel ist eine Offenbarung von Gottes Licht, denn durch ihn scheint das göttliche Licht in die Seele.[51] Dionysius sagt auch, dass der Engel ein durchsichtiger Spiegel ist.[52] Wenn wir folglich weggeben, wie der Engel, dann sind wir so rein wie der Engel, um das göttliche Licht durchsichtig wie der Engel zu fassen.
<:8>Vier stucke sal der lichame hann nach diesem libe. Subtiligkeyt. want were eyn stein oder eyn andere ding, was das were, also groß als alles erterich und das das ganze were an allen steden und were eyne sele darinne mit dem lichamen nach der ufferstendungen, die daruß wolde, sie fure daruß one alles hindernysse des lichamen. Das andere das ist clarheyt. Er sal siebenstunt clarrer werden dan die sonne wan sie noch siebenstunt clarer wurdt dan sie itzunt ist, ia tusentstunt [66a] wurt er clarrer. Das dritte ist lichtigkeyt, das ist das er uff der lufft gan magk als unsere herre hie bewisete uff dem wassere. Das vierde ist unlidelichkeyt, das ist das yne keyne fure gebornen enmagk noch keyn wassere erdrencken nach keyn wafen gewunden nach keynerley anfelligkeyt enmag yne nyt lidende gemachen. Die ersten dru die hatte unsere herre Jhesus Christus in syme dotlichen libe: subtiligkeyt da er von unsere lieben frauwen libe kquame, clarheyt da er syne<n> jungern uff dem berge erscheyn, lichtigkeyt da er uff dem wassere gingk. Diß hatten auch sin apposteln gesehen und enwischten doch [66b] nyt was es bedute. Des mochte er wol sprechen: wißent ir waz ich uch getan hann? Neyn! ir enwissent es noch nyt. Ir sollent es aber hernach wißen.
<:8>Vier Dinge muss der Körper haben nach diesem Leben. Feinheit. Denn wenn ein Stein oder etwas anderes, was auch immer es ist, so groß wie das ganze Erdreich wäre und an alle Städte reichen würde, und es gäbe eine einzige Seele darin mit einem Körper nach der Auferstehung, und sie wünschte, aus diesem[53] herauszukommen, sie würde sich herausbewegen, ohne durch den Körper gehindert zu werden. Das zweite ist Helle.[54] Er muss siebenmal heller sein als die Sonne, wenn diese siebenmal heller ist als sie es jetzt ist, ja, er wird tausendmal heller sein. Das dritte ist Leichtigkeit. Dass er in der Luft sich bewegen kann, wie es unser Herr auf dem Wasser bewiesen hat.[55] Das vierte ist Leidensunfähigkeit. Das heißt, dass weder Feuer in gebären noch Wasser ihn ertränken kann, noch dass er durch eine Waffe überwunden oder durch irgendein Leiden ergriffen werden kann. Die drei ersten hatte unser Herr Jesus Christus in seinem sterblichen Körper: Feinheit, insofern er aus dem Körper unserer Frau stammt, Helle, als er seinen Jüngern auf dem Berg erschienen war, Leichtigkeit, als er auf dem Wasser ging. Das haben auch seine Apostel gesehen, doch sie konnten nicht ergreifen, was es bedeutete. Das wollte er ausdrücken: ‘Wisst Ihr, was ich Euch getan habe? Nein! Ihr wisst nicht, doch später, sollt Ihr wissen’.[56]
<:9>Das wir uns und got bekennen muszen luterlich nach der ubersten warheit, des helff uns der der die warheyt ist. Amen.
<:9>Dass wir uns und Gott auf reine Weise[57] gemäß der höchsten Wahrheit kennen sollen, dazu verhelfe uns derjenige, der die Wahrheit ist.[58] Amen.



[1] Ioh. 13,12: ‘Postquam ergo lavit pedes eorum, et accepit vestimenta sua, cum recubuisset iterum, dixit eis: Scitis quid fecerim vobis?’ Der liturgische Ort: Evangelistar., Arch. f. 444vb: ‘Feria quinta in cena Domini. Secundum Iohannem [13, 1–15]. In illo tempore [> Vg.] ante diem festum Pasche, sciens Ihesus quia venit eius hora [hora eius Vg.] ut transeat ex hoc mundo ad Patrem: cum dilexisset suos, qui erant in mundo, in finem dilexit eos. Et cena facta, cum diabolus iam misisset in cor ut traderet eum Iudas Symonis Scariothis: sciens quia omnia dedit ei patrer in manus, et quia a Deo exivit, et ad Deum vadit: surgit a cena, et ponit vestimenta sua: et cum accepisset linteum, precinxit se. Deinde misit [mittit Vg.] aquam in pelvim, et cepit lavare pedes discipulorum, et extergere linteo, quo erat precinctus. Venit ergo ad Symonem Petrum. Et dicit ei Petrus: Domine, tu michi lavas pedes? Respondit Ihesus et dixit ei: Quod ego facio, tu nescis modo, scies autem postea. Dicit ei Petrus: Non lavabis michi pedes in eternum. Respondit ei Ihesus: Si non lavero te, non habebis partem mecum. Dicit ei Symon Petrus: Domine, non tantum pedes meos, sed et manus, et caput. Dicit ei Ihesus: Qui lotus est, non indiget nisi ut pedes lavet, sed est mundus totus. Et vos mundi estis, sed non omnes. Sciebat enim quisnam esset qui traderet eum: propterea dixit: Non estis mundi omnes. Postquam ergo lavit pedes eorum, et accepit vestimenta sua: cum recubuisset iterum dixit eis: Scitis quid fecerim vobis? Vos vocatis me magister, et Domine, et benedicitis: sum etenim. Si ergo ego lavi pedes vestros, Dominus, et magister: et vos debetis alter alterius lavare pedes. Exemplum enim dedi vobis, ut quemadmodum ego feci vobis, ita et vos faciatis’.
[2] Vgl. Eckhart, Sermo Paschalis (LW V 144,10-1): ‘ergo agnitio sui ipsius et infirmitatis propriae est unum quod praemittitur ad parandum’.
[3] Vgl. Eckhart, Hom. 32* [S 108], n. 4: ‘Ouch sprichet Bêdâ, daz unser herre ze dem êrsten ze sant Pêtrô kam. Danne Jûdas der hâte sich durch sînen vrevele ze vor gesast. Und dem wurden ze dem êrsten die vüeze getwagen’; DW IV 739 notiert, dass dieses Thema nicht in Bedas Homilien zu finden sei, was korrekt ist, man findet es allerdings in Beda, In s. Joannis evangelium expositio (PL 802C-D). Nachdem diese Passage mit Judas beginnt und auch angemerkt wird, dass Jesus zu Petrus geht, ‘quasi aliquibus jam lavisset, et post eos venisset ad primum’, erklärt sich, warum Eckhart den Faden zwischen Chrysostomus und Beda spannen konnte. Anders als in Hom. 32*, wo Chrysostomus als Name nicht begegnet, werden hier beide, Chrysostomus und Beda erwähnt. Vgl. auch Th. Aqu., Super Evangelium S. Ioannis lectura, c. 13, 6 (ed. Cai, 328b): ‘Secundo exponitur, secundum Chrysostomum, ut scilicet Christus inceperit prius lavare pedes a primis Apostolorum. Sed quia proditor ille stultus erat et superbus, scilicet Iudas, prior ad pedum ablutionem recubuit ante Petrum. Nullus enim aliorum ausus fuisset Petrum praevenire’.
[4] Vgl. die Parallele in Eckhart, Sermo Paschalis (LW V 144,2-3): ‘In signum huius etiam Christus lavit et mundavit pedes discipulorum, ut etiam contagia minima docerentur auferenda’.
[5] Ioh. 13,8: ‘Dicit ei Petrus: Non lavabis mihi pedes in aeternum’.
[6] Zu Bedea, vgl. weiter oben.
[7] Nicht identifizierte Quelle.
[8] Ioh. 13,7: ‘Respondit Jesus, et dixit ei: Quod ego facio, tu nescis modo: scies autem postea’.
[9] Ioh. 13,9: ‘Si non lavero te, non habebis partem mecum’.
[10] Vgl. hierzu Hom. 32* [S 108], n. 2: ‘Ist daz ich dich niht entwahe, sô enhâst dû kein teil mit mir’; zum Vergleich der Gnadengabe Gottes in Teilen und zu der vollkommeneren im Sakrament der Eucharistie vgl. Eckhart, Sermo Paschalis (LW V 141,10-1): ‘Si autem deus dat gratiam per partes, multo fortius in hoc sacramento, in quo latet fons gratiae’.
[11] Vgl. Eckhart, Hom. 66* [Q 71], n. 5: ‘Ein meister sprichet: in gote enist niht minner und mê noch daz und daz’; der erwähnte Meister scheint Thomas zu sein: Th. Aqu., Summa theologiae I q. 2 a. 3.
[12] Ioh. 13,9: ‘Dicit ei Simon Petrus: Domine, non tantum pedes meos, sed et manus, et caput’; Vgl. on this Hom. 32* [S 108], n. 11: ‘Dô sprach sant Pêter: ‘herre, niht aleine entwahe mîne vüeze, sunder hende und houbet’’.
[13] Ioh. 13,10: ‘Dicit ei Jesus: Qui lotus est, non indiget nisi ut pedes lavet’.
[14] Vgl. Eckhart, Sermo Paschalis (LW V 146,13-4): ‘in hac sacra(menti) perceptione debet esse collectio desideriorum unitorum in deum’.
[15] Ioh. 13,9.
[16] Vgl. Eckhart, Hom. 77* [Q 82], n. 3: „wan alliu diu werk, diu der mensche würket mit der hant, diu entspringent in dem herzen und tretent vürbaz in diu glit und werdent volbrâht an der hant’.
[17] Die Hs. hat ‘gewerden’.
[18] Vgl. Eckhart, Hom. 80* [W 30], n. 9: ‘Sehet, diu natûre hât <zwô meinunge>, daz ein ieglich glit dâ würket an dem menschen. Diu êrste meinunge, die ez meinet in sînen werken, daz ist, daz ez dem lîchamen zemâle diene und dar nâch einem ieglîchen glide sunderlîche als im selben und niht minner dan im selben noch enmeinet sich selben niht mê in sînen werken dan ein ander glit’.
[19] Ioh. 13,10.
[20] Ioh. 6,54: ‘Dixit ergo eis Jesus: Amen, amen dico vobis: nisi manducaveritis carnem Filii hominis, et biberitisejus sanguinem, non habebitis vitam in vobis’. Vgl. die Gegenüberstellung von körperlicher und geistiger Speise in Eckhart, Sermo V,3 (LW IV 48,9).
[21] Vgl. Ioh. 13,21: ‘Cum hæc dixisset Jesus, turbatus est spiritu: et protestatus est’; Ioh. 6,61: ‘Multi ergo audientes ex discipulis ejus, dixerunt: Durus est hic sermo, et quis potest eum audire?’; Ioh. 6,66: ‘Ex hoc multi discipulorum ejus abierunt retro: et jam non cum illo ambulabant’.
[22] Ioh. 6,68: ‘Dixit ergo Jesus ad duodecim: Numquid et vos vultis abire?’
[23] Ioh. 6,69-70: ‘(69) Respondit ergo ei Simon Petrus: Domine, ad quem ibimus? verba vitæ æternæ habes: (70) et nos credidimus, et cognovimus quia tu es Christus Filius Dei’.
[24] Vielleicht Augustinus, Confessiones XIII, c. 8 n. 9 (ed. Verheijen, 246, 13–4): ‘da mihi te, deus meus …’; vgl. auch Eckhart, Hom. 56* [20a], n. 5: ‘Sant Augustînus sprichet: herre, nimest dû dich uns, sô gip uns einen andern dich’. Vgl. die Parallele Hom. 32* [S 108], n. 7: ‘Dar umbe sprichet sant Augustînus: herre, nimest dû uns dich, sô gip uns einen andern vür dich’; Hom. 56* [Q 20a], n. 5: ‘Sant Augustînus sprichet: herre, nimest dû dich uns, sô gip uns einen andern dich, oder wir engeruowen niemer; wir enwellen anders niht dan dich’; Hom. 57* [Q20b], n. 3: ‘Nû sprichet sant Augustînus3: herre, benimest dû uns dich, sô gip uns einen andern dich, anders uns engenüeget niht dan an dir, wan wir enwellen niht dan dich’; BgT (DW V 18,3-9): ‘Und anderswâ sprichet er (= Augustinus): ‘wie möhte dem genüegen an gotes gâben an den crêatûren, dem an gote selben niht engenüeget?’ ... Er (= ein guoter mensche) sol alle zît sprechen: herre gôt und mîn trost, wîsest dû mich ûf iht von dir, sô gip mir einen andern dich, daz ich gange von dir ze dir, wan ich enwil niht wan dich’.
[25] Vgl. Hil. Pict., De trinitate VIII 11 (ed. Hurter [Innsbruck, 1887], 309): ‘Tum deinde unitatis profectus exemplo unitatis ostenditur, cum ait: Sicut tu Pater in me, et ego in te, ut et ipsi sint in nobis unum: ut sicut Pater in Filio, et Filius in Pater est, ita per hujus unitatis formam in Patre et Filio unum omnes essent’; und auch ibid. VIII 15 (314-5): ‘cur gradum quendam atque ordinem consummandae unitatis exposuit: nisi ut cum ille in Patre per naturam divinitatis esset, nos contra in eo per corporalem ejus nativitatem, et ille rursum in nobis per sacramentorum inesse mysterium crederetur: ac sic perfecta per Mediatorem unitas doceretur, cum nobis in se manentibus ipse maneret in Patre, et in Patre manens maneret in nobis; et ita ad unitatem Patris proficeremus, cum qui in eo naturaliter secundum nativitatem inest, nos quoque in eo naturaliter inessemus, ipso in nobis naturaliter permanente?’ Vgl. auch Th. Aqu., Catena aurea (ed. S.E. Fretté [Paris, 1876] 650): ‘Hilarius, VII De Trin. post princ. Tum demum unitatis profectus, exemplo unitatis ostenditur cum ait: Sicut tu Pater in me, et ego in te, ut et ipsi in nobis unum sint: ut scilicet sicut Pater in Filio, et Filius in Pater est, ita per hujus unitatis formam in Pater et Filio unum omnes essent’.
[26] dan hs.] das Strauch.
[27] Vgl. Augustine, Conf. c. 10 n. 16, CChr.SL 27 (103,17-104,20): ‘et inveni longe me esse a te in regione dissimilitudinis, tamquam audirem vocem tuam de excelso: ‘cibus sum grandium: cresce et manducabis me. Nec tu me in te mutabis sicut cibum carnis tuae, sed tu mutaberis in me’’; dieses Zitat und die Referenz finden sich auch in Eckhart, Sermo Paschalis (LW V 158,3-5); vgl. auch Eckhart, Acta Echardiana (Proc. Col. II n. 113) (LW V 345,8-10): ‘Verum est, devotum et morale, secundum illud Augustini: ‘cresce, et manducabis me. Nec tu me mutabis in te, sicut cibum carnis tuae, sed tu mutabens In me‘‘; vgl. auch Eckhart, Hom. 32* [S 108], n. 10: ‘dû solt in mich gewandelt werden’; Hom. 56* [Q 20a], n. 6: ‘Dâ von hât er sich bekleidet mit dem rocke der glîchnisse des brôtes, englîches als diu lîplich spîse gewandelt wirt mit mîner sêle, daz enkein winkelîn in mîner natûre niht enist, ez enwerde dar în vereinet’; Hom. 57* [Q 20b], n. 4: ‘Sant Augustînô grûwelte vor dirre spîse; dô sprach im ein stimme zuo in dem geiste: ‘ich bin ein spîse der grôzen; wahs und nim zuo und iz mich. Dû enverwandelst mich niht in dich, mêr: dû wirst gewandelt in mich’.
[28] Vgl. IgnRom. 4; vgl. Hermann von Fritzlar, Heiligenleben 78,6.28ff.
[29] Eccli. 35,13: ‘quoniam Dominus retribuens est, et septies tantum reddet tibi’.
[30] Vgl. Eckhart, Sermo Paschalis (LW V 147,7): ‘Quia ibi stillat fons omnium gratiarum’.
[31] Vgl. Eckhart, Sermo Paschalis (LW V 140,1): ‘Primo ergo commendat hoc pascha, quia hoc tam corpus reficit quam animam’.
[32] Vgl. Eckhart, Sermo Paschalis (LW V 143,8): ‘paratur mundas conscientias habentibus’; und ibid. (146,1-2): ‘ex cognitione propriae infirmitatis consurgit humilitas et gratia’.
[33] Nicht identifiziert, vgl. aber I Cor. 15,22: ‘in Christo omnes vivificabuntur’.
[34] Matth. 24,47: ‘super omnia bona sua constituet eum’; vgl. Eckhart, Hom. 52* [Q 64], n. 3: „nun nim ich ain wörtlin, sprach vnser her: ‘ganc in, getrüwer chnecht, | (88) ich sol dich seczen boben all mein gu°t’’.
[35] Vgl. Augustinus, En. in Ps. 145 n. 11 (PL 37,1891): „Eris tu possessio, et possidebis; possessio dei eris, et possessio tua erit deus: tu eris possessio eius, ut colaris ab eo; et ipse erit possessio tua, ut colas eum’; id., En. in Ps. 32, Sermo 2 n. 18 (PL 36,295): „Possidet ergo (scil. deus), et possidetur, et totum propter nos. Non enim quomodo, ut nos ex illo beati simus, possidetur a nobis, ita et ille, ut beatus sit, possidet nos. Et possidet, et possidetur, non ob aliud nisi ut nos beati simus’; vgl. die parallele Passage, wo auf dieses Zitat verwiesen wird, Eckhart, Hom. 100* [Q 17], n. 7: Augustînus sprichet: swer wil, daz got sîn eigen sî, der sol ê gotes eigen werden, und daz muoz von nôt sîn.
[36] Vielleicht Ps. 72,26: ‘Defecit caro mea et cor meum’.
[37] Nicht identifiziert.
[38] Ps.-Augustinus, oder vielmehr Bernardus, De praecepto et dispensatione, c. 20, n. 60 (ed. Leclerq and Rochais, 292, 24–5): ‘Neque enim praesentior spiritus noster est ubi animat, quam ubi amat’; die gleiche Referenz findet sich in Eckhart, Hom. 13* [S 102], n. 12: ‘Wan sant Augustînus sprichet: ‘diu sêle ist mê dâ si minnet, dan dâ si in dem lîbe ist, dem si doch leben gibet’’.
[39] Cant. 8,6: ‘Fortis est ut mors dilectio, dura sicut inferus (… aemulatio)’; vgl. Eckhart, Hom. 15* [S 103}, n. 27: ‘Der tôt scheidet die sêle von dem lîbe’.
[40] i.e. die Liebe.
[41] Vgl. Ps.-Dionysius, De div. nom. c. 4 § 12. 17 (PG 3,710D): ‘Estque hoc virtutis cujusdam unificae ac collectivae excellenterque contemperantis, quae in pulchro et bono per pulchrum et bonum praeexistit, et ex pulchro et bono propter pulchrum et bonum emanat, continetque quidem aequalia per mutuam connexionem, superiora vero ad inferiorum movet providentiam, inferiora porro per conversionem quamdam superioribus inserit’; 714D: ‘dicamus, unam esse simplicem virtutem, per se moventem unitivam quamdam mistionem ex bono usque ad extremum eorum quae exsistunt, et ab illo rursus consequenter per omnia ad bonum, ex seipsa, per seipsam, et in seipsa seipsam revolventem, et ad seipsam semper eodemmodo revertentem’; zu diesem Zitat vgl. auch Eckhart, In Eccli. (LW II 236,4): ‘amor ex sui proprietate unitivus est’; In Ioh. (LW III 569,9): ‘amor specialiter ex sui natura sit unitivus’; Serm. 6,1 (LW IV 51,4): ‘caritas sive amor est uniens, et quanta est illa unio’; Serm. 44,1 (368,5): ‘amor enim nunquam deserit’. Vgl. auch Iohannes Scottus, Periphyseon II (ed. Jeauneau, 107, 2601–9): ‘Humana siquidem mens notitiam suam, qua se ipsam cognoscit, ueluti quandam prolem sui de se ipsa gignit. Et est sui notitia aequalis sibi, quia se ipsam totam nouit ad similitudinem dei et patris, qui de se ipso filium suum qui est sapientia sua gignit … Ex humana mente procedit appetitus quidam, quo se ipsam quaerit ut suam notitiam pariat …’; vgl. hierzu Eckhart, Hom. 29* [Q 43], n. 11.
[42] Vgl. Ps.-Dionysius, De eccl. hier. c. 3 (PG 3,424C; Dionysiaca 1163,2-1164,1): ‘unaquaque sacra perfectiva actione partitas nostras vitas in uniformem deificationem colligente et diversarum deiformi complicatione ad unum communionem et unitatem donante’ (secundum versionem Iohannis Scotti); die gleiche Referenz steht in Eckhart, Sermo Paschalis (LW V 147, 1-4).
[43] Vgl. die voranstehenden beiden Anmerkungen.
[44] Ioh. 13,12.
[45] Ioh. 13,7. An dieser Stelle unterlief Strauch bei seiner Transkription eine Dittographie, es war folgender Text zu entfernen: ‘das enwissent ir nyt. ir sollet es aber hernach wißen, als er sprechen sulde’.
[46] Ioh. 6,52: ‘et panis quem ego dabo, caro mea est’.
[47] Ps. 77,25: ‘Panem angelorum manducavit homo’.
[48] Tob. 12,19: ‘ego cibo invisibili, et potu qui ab hominibus videri non potest, utor’.
[49] Vgl. Eckhart, Hom. 84* [Q 86], n. 16: ‘Züge got daz sîne abe der sêle Kristî, dâ ir geist geeiniget ist an die êwige persône, Kristus blibe blôze crêatûre. Dâ von bedarf man des éinen wol’.
[50] Vgl. Eckhart, Hom. 16* [S 104], n. 5: ‘Wan aber daz lîden und daz schouwen gotes dem geiste überlestic ist sunderlîche în disem lîbe, dar umbe underziuhet sich got dem geiste underwîlen’.
[51] Vgl. Eckhart, Hom. 24* [Q 19], 3: „des engels lieht überschîne daz lieht der sêle und bereite und vüege sie, daz daz götlîche lieht dar inne gewürken müge’; Hom. 37* [Q 36b], n. 2: „alsô tritet diu sêle ûf mit des engels liehte in götlich lieht’.
[52] Vgl. Ps.-Dionysius, De divinis nominibus, c. 4, § 22 (PG 3, col. 724B; Dionysiaca pp. 269, 3–270, 3): ‘manifestatio occulti luminis, speculum purum suscipiens totam … pulchritudinem boniformis deiformitatis et munde resplendere faciens in se ipso, quemadmodum possibile est, bonitatem silentii, quod est in adytis’ (Vgl. nutzt Eckhart eine Vorlage mit der Lesart ‘abditis’, vgl. Albertus, Super Dionysii De divinis nominibus, c. 4 n. 182 [ed. Simon, 268, 13–4]: quod est in abditis, idest in occultis divinitatis, vel in aditis, idest quae adiri non possunt’); vgl. die Parallele in Eckhart, Hom. 71* [Q 780], n. 5: ‘Dionysius sprichet: ein engel ist ein spiegel âne vlecken’’; vgl. auch Hom. 4* [Q 77], n. 3: ‘Der dritte sprichet, er [der engel] sî ‘ein lûter spiegel; vgl. auch ibid. n. 11.
[53] i.e. dem Erdreich.
[54] Zu ‘clarheyt’, vgl. Eckhart, Hom. 5* [Q 22], n. 7.
[55] Vgl. Matth. 14,25.
[56] Ioh. 13,7.
[57] Vgl. Eckhart, Sermo Paschalis (LW V 143,11-2): ‘Ergo mundis tantum paratur’; vgl. auch Hom. 32* [S 108], nn. 11-4.
[58] Ioh. 14,6: ‘Dicit ei Jesus: Ego sum via, et veritas, et vita’.


Predigt T27,2* [Pfeiffer 57]

In vigilia Paschae
‘Mortui enim estis et vita vestra abscondita est cum Cristo in deo’ (Col. 3:3)
  
<:1>Mortui enim estis et uita uestra abscondita est cum Cristo deo. Ad Colossenses III. Ir seyt todt/ vnd euwer leben ist verborgen mit Christo in got. Ware heiligkeit vnd g=tliche übung enmag keyn mensch in der warheit haben der nit in Christo gestorben ist/
<:1> Mortui enim estis et uita uestra abscondita est cum Cristo deo. Ad Colossenses III.[10] Ihr seid tot und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott. Wahre Heiligkeit und göttliches Handeln kann kein Mensch in Wahrheit besitzen, der nicht in Christus gestorben ist.
<:2a>weger wer ein lebemeyster denne tusent lesemeyster aber lesen vnd leben e got dem mag nieman zG komen Solte ich eynen meyster sGchen von der geschrift den sGchte ich zG paris vnd in hohen schGlen vmbe hohe kunst Aber wolte ich fragen von vollekomenen leben Daz kunde er mir nit gesagen War solte ich danne gan alzGmale mergent danne in ein blos ledig nature die kunde mich vß gewisen dez ich sy fragete ir vorchten lGte waz sGchent ir an den toten gebeyne. War vmb sGchent ir nit daz lebendige heyltGm daz Gch mag geben ewig leben. Waz daz tot hat weder zG geben noch zG nemen. Vnd solte der engel got sGchen Ey got so sGchte er in niender den in eyner ledige blossen abgescheiden creature Alle vollekomenheit lit dar an daz man armGt vnd ellende vnd smacheit vnd widerwerdikeit vnd alles daz gefallen mag in allem trucke willekliche froliche ledekliche begirliche vnd berihtekliche vnd vnbewegenliche mNge lyden vnd do by blyben bitz an den dot ane alle war vmbe
<:2c> van alle synen gebreken lusten enn eygensuckelicheit ende die niet enen auge geuen wille en heuet alle dingen hoe swaer die oeck syn die ophem vallen moegen doer god toe lyden eer hy der vermaninge gods niet gehoersam en solde syn of volbrengen mitten werken derr hy den wil gods in bekenden soe voel syn menschelicke cranckheit gehengt of geleysten mach mer welck mensche in lyden onverduldich wort beuonden sulcke druck enn lyden en brengt hem niet die boosheit toe mer het apenbaert die sunde der onverduldicheit die in hem verborgen was Hem geschyet als enen coperen ouersyluerden pennynck eer hym dat vuer coemt soe schynt hy ganse enn claer syluer toe syn mer wann eer hy coemt in dat vuer dat vuer en maect hem niet coperen dan het bewyst enn apenbaert dat hy niwen dich coperen is
<:2a>Wertvoller wäre ein einziger Lebemeister als tausend Lesemeister, doch weder Lesen noch Leben kann jemand zugeschrieben werden, es sei denn Gott. Sollte ich nach einem Meister der Schrift suchen, würde ich nach ihm wegen der herausragenden Bildung an der Universität in Paris suchen. Würde ich ihn jedoch nach dem vollkommenen Leben befragen, könnte er mir keine Antwort geben. Wohin sollte ich dann gehen? Bemerkt vollends, nirgendwo anders hin als in die blosse, nackte Seele, sie könnte mir erklären, wonach ich sie fragte: ‘Was suchst Du in den toten Gebeinen’.[11] Warum suchst Du nicht nach gelebter Heiligkeit, die Dir ewiges Leben geben kann, was Tod weder geben noch nehmen kann. Und sollte der Engel nach Gott suchen, er würde nach ihm nirgendwo anders suchen als in einer nackten, blossen, abgeschiedenen Kreatur. Alle Vollkommenheit hängt an dem Willen dass man Armut, Elend, Verschmähtsein und Widerstände willentlich, fröhlich, nackt, verlangend, recht und unbewegt zu erleiden und darin zu verharren bis in den Tod ohne jegliches Warum.
<:2c>seiner kranken Lust und Selbstsucht und der keine Aufmerksamkeit richten und haben möchte auf irgendetwas, wie schwer es auch sei. Dies sind auch jene Leute, die oft im Leiden um Gottes willen fallen können, so lange sie Gottes Geboten nicht treu sind, sie in Taten zu erfüllen. Wer kann in der Erkenntnis Gottes so verhangen und belastet von der eigenen menschlichen Schwäche sein, vielmehr, der Mensch, der so ungeduldig im Leiden erfunden wurde, dem dient solcher Druck im Leiden nicht, vielmehr hat das Böse die Sünde der Ungeduld, die in ihm verborgen war, offenbart. Ihm geschieht, wie einem silberbeschichteten Kupferpfennig, der, bevor er ins Feuer gehalten wird, vollkommen wie Silber zu sein scheint. Mehr noch, sobald er ins Feuer gerät, macht das Feuer aus ihm nicht Silber, so dass dies erweist, dass er jetzt vollends Kupfer ist.
<:3>Ein lerer sprichet: ja, richer got, wie wol mir wirt, so min minne fruht gebirt! Unser herre sprichet zuo einer ieglichen minnenden sele ich bin iu mensche worden, daz ir mir got werdent. Werdent ir mir niht göte, als ich uch mensche worden bin, so tuont ir mir unrehte. Mit miner götlicher natiure wonte ich in iuwer menschlicher natiure, also daz mines götlichen gewaltes nieman verstuont unde daz man mich sach wandelen als einen andern menschen. Also sullent ir iuch mit iuwer menschelicher natiure verbergen in mine götlichen nature, daz iuwer menschlichen krankheit an iu nieman bekenne unde daz iuwer leben zemale götlich si, daz man an iu niht bekenne wan got.  
<:2>Ein Meister sagt: ja, reicher Gott, wie wohl wird mir, da meine Liebe eine Frucht gebirt.[12] Unser Herr sagt zu einer jeden liebenden Seele: Ich bin für Euch ein Mensch geworden, damit Ihr für mich Gott werdet. Werdet ihr mir nicht Gott, dann tut Ihr mir Unrecht. Mit meiner göttlichen Natur wohnte ich in Eurer menschlichen Natur, so dass niemand meine göttliche Kraft verstand und man mich wie einen anderen Menschen wandeln sah. Genauso sollt Ihr Euch mit Eurer menschlichen Natur in meiner göttlichen Natur verbergen, so dass niemand Eure menschliche Schwächen in Euch erkenne und dass Euer Leben gänzlich göttlich sei, so dass man in Euch nichts anderes als Gott erkenne.
<:3>Unde daz enlit <n>iht dar an, daz wir süezer worten unde geistlicher geberden sien unde daz wir tragent einen grozen schin von heilikeite vor den lFten unde daz unser name verre und wite getragen werde unde daz wir groezliche geminnet sin von den gotesfriunden unde daz wir von gote also verwenet unde verzartet sien, daz uns des dunke, daz got aller creature vergezzen habe unz an uns alleine, unde daz wir wenen, swes wir von gote begeren, daz ez iezuo allez si geschehen. Nein ez, niht! Diz enist niht, daz got von uns heischet: ez get allez anders.
<:3>Dies aber liegt nicht darin, dass wir süße Worte und geistliche Handlungen gebrauchen und einen großen Anschein von Heiligkeit erwecken und davon, dass unser Name fern und weit getragen wird und dass wir besonders geliebt werden von den Gottesfreunden und dass wir von Gott verwöhnt und verzärtelt werden, so dass es uns erscheint, als vergesse Gott alleine unseretwegen alle Kreaturen und dass wir glauben, dass alles, worum wir Gott bitten, es jederzeit alles geschieht. Nein, dies ist nicht so! So ist es nicht, was Gott von uns will, das ist alles anders.
<:5a>Es ist ein anders daz got von Gch haben wil Er wil daz ir in leiden fry vnd vnbeweget stet. Vnd daz Gch die sprechent ir sint valsch vnd vngerecht vnd


Gch uweren gGten lGmet benement



vnd sy Gch des verzihent daz uwers libes notdurft wol bedank























vnd ir in uwerm grossen vntrost trost sGchet in vnserm lieben herren ihsu christo vnd er sin >gen vor Gch beslGtzet vnd sin antlitz van Gch keret vnd er denne dGt als er Gch weder sehen noch h=ren welle denne sollent ir Gch lan als sich vnser herre ihsus christus lies an dem crFtze






do er sprach got min got myn wie hastu mich gelassen den du vnschuldig weist
<:5b>Er meinet,

daz wir vrilich und unbeweget funden werden, so man uns sprichet, daz wir valsche und unwarhafte liute sien und swaz man von uns gesprechen mac, da mit wir unsers guoten liumden beroubet werden, und niht alleine daz man uns übele sprichet, mer: ouch daz man uns übel tuot und man uns abeziuhet die helfe, der wir zuo unsers libes notdürfte niht enbern mügen, und niht alleine an der notdurft zergenclicher dinge, mer: ouch daz man uns schaden tot an unserm libe, daz wir siech werden oder swaz pine daz ist, diu uns ze liplicher arbeit gefürdern mac, unde so wir in allen unsern werken getuon daz allerbeste, daz wir erdenken künnen, so uns daz die liute kerent zuo dem aller boesten, daz sie erdenken künnent, unde daz wir daz niht alleine von den menschen liden, mer: ouch von gote, also daz er uns enziuhet sinen gegenwürtigen trost unde so er rehte tuot, als ein mure zwischen uns und ime gemachet si, unde so wir mit unsern arbeiten zuo ime komen, trost unde helfe suochen daz er denne gegen uns tuot, als er siniu ougen vor uns beslieze,


also daz er uns weder sehen noch hoeren welle und er uns alleine lat stan vehten in unsern noeten, als Kristus von sinem vater gelazen wart: sehent, hie solte wir uns in siner götlichen nature verbergen, daz wir also ungeneiget stüenden in unserm untroste, uns mit dekeiner sache ze behelfenne wan alleine mit dem worte, daz Kristus sprach vater, aller din wille werde vollebraht an mir.
<:4a>Gott will etwas anderes von Euch haben. Er will, dass ihr frei und unbewegt seid. Und dass ihr selbst denen sehr wohl dankbar seid, die von euch behaupten, dass ihr falsch und unwahrhaft seid und euch eures guten Rufes beraubt




und euch auch das absprechen, das euer Leib braucht























und ihr in eurem großen Untrost Trost bei unserem lieben Herrn Jesus Christus sucht, und er seine Augen vor euch verschließt und sein Gesicht von euch kehrt und er dann so tut, als wolle er euch weder sehen noch hören, und sollt ihr euch lassen wie unser Herr Jesus Christus sich am Kreuz gelassen hat,





als er sprach: ‘Mein Gott, mein Gott, wie sehr hast Du mich verlassen, von dem Du weißt, dass er unschuldig ist’.[13]
<:4>Er will, dass wir frei und unbewegt gefunden werden, wenn man von uns behauptet, wir seien falsche und unwahrhafte Leute und was man von uns behaupten kann, da wir unseres guten Rufes beraubt werden, und nicht allein, dass man von uns übel spricht, sondern auch dass man uns Übles antut und man uns die Hilfe abzieht, auf die wir für die Notwendigkeiten unseres Körpers nicht verzichten können, und zwar nicht nur mit Blick auf die vergänglichen Dinge, sondern auch dass man uns etwas Körperliches antut, dass wir krank werden, oder welch anderer Schmerz uns zu körperlicher Mühe zwingt. Und während wir in all unserem Bemühen das allerbeste tun, was wir uns erdenken können, verdrehen uns die Leute dies zum Schlimmsten, was sie sich erdenken können. Doch dies erleiden wir nicht allein von Menschen, sondern auch von Gott, indem er uns seinen gegenwärtigen Trost entzieht. Und er tut tatsächlich so, als wäre eine Mauer zwischen uns und ihm errichtet, und wenn wir mit unserer Mühe zu ihm kommen, Trost und Hilfe suchen, dann stellt er sich gegen uns, da er seine Augen vor uns schließt, als wolle er uns weder sehen noch hören, und er uns stehen und alleine in unserer Verzweiflung kämpfen lässt, gerade wie Christus von seinem Vater verlassen war: Sehet, in seiner göttlichen Natur sollen wir uns verbergen, dass wir auf diese Weise ungebeugt in unserer Ungetröstetheit stehen und uns nichts anderem bedienen als des Wortes, das Christus sprach: ‘Vater, Deine Wille geschehe in mir’.[14]
<:6a>hier nun war daz grvndlose ellende. Vnd ein vergessen vnd nit wissen aller geschaffener ist es ein vrsprvng gotlicher eynunge

<:6a>Hier nun war das grundlose Elend, und es ist ein Vergessen und ein Nichtwissen aller, die geschaffen wurden, ein Ursprung göttlicher Einung.

<:7a>Es ist kein bilde so g=tlich als dGt dir dryge schaden Es ber?bet luterkeit vnd benymmet friheit vnd verbirget gotliche wenheit vns ist in der sele daz enweis vmbe den lip nit der lip weis auch vmbe es nyt dez darf sich nieman ein nemen daz er es begryffe in sin nature Es gezogen werden durch sin nature vnd Fber alle creature wenn daz wirt geoffenbart vns avemaries lag ich spreche oder vns ?gen blickes lang Do mag man mer applas geben den alle bebeste der heiligen cristenheit die sich hie nye vernomen

<:7a>Kein Bild ist so göttlich, dass es nicht dreifachen Schaden zufügt. Es raubt die Reinheit, nimmt die Freiheit und verbirgt das göttliche Wesen. Es gibt etwas in der Seele, das weiß um den Leib nicht, noch weiß der Leib um dieses. Niemand kann annehmen, dass man es in seiner Natur erfasst. Es ist durch seine Natur und jenseits aller Kreaturen gezogen, wenn es uns für die Länge eines Avemarias, ich sage, für einen Augenaufschlag, offenbart ist. Da kann mann mehr Ablass ausgeben als alle Päpste der heiligen Christenheit, die hierzu nie etwas verlauten ließen.

<:8a>etteliche lGte die kFment vnd wellent alles wort haben vnd minnent mich denne ein iegliches also es ist. Wisten sy waz sy sGchten sy teten sin nit Ein lebender der warheit ist besser denne alle fragen Ein sterber ist mir werder denne alle leber myt eigenschaft gebunden. Eya nement myner worte war durch got daz disen weg niemant mag gan er habe sich denne zG grvnde vernommen vnd verlan

<:8a>Viele Leute kommen und möchten die gesamte Ansprache erhalten und lieben mich für alles, wie es ist. Wenn sie wüssten, wonach sie suchen, sie würden das ihre nicht tun. Ein Mensch der die Wahrheit lebt ist besser als alle, die fragen. Ein Mensch, der stirbt, ist wertvoller als alle, die mit leben, gebunden an ihre Eigenschaften. Ach, versteht meine Worte durch Gott, dass niemand diesen Weg gehen kann, es sei denn man hat gründlich verstanden und sich selbst losgelassen.

<:9a>Der lGte ist gar wenig da die da kFmen Fber verstentliche sch?wunge vnd Gber vernvnftige begryffunge vnd wer doch der menschen eins got worden der da stvnde svnder alle begryffvnge formeklicher b<i>ldvnge denne zehen dusent menschen die ir selber gebruchent inbildelicher sch>wunge vnd in vernvnftiger begryffvnge. Wan die warheit mag sy nit begryffen vor irem behelfe verstanden al vergangen al hat keynen begryf noch keynen versFche in zit noch in ewikeit hie en ist noch liep noch leit aller begryfnGs abewege so han ich daz mynne alles begeben. In diser hohen vollekomenheit begriffent sich die heilige eynikeit zG disem leben han ich mynne Ich armen wa sint mynne synne die so gar ber?bet stan ich habe weder war noch nach enbildete sache du bist bloß in widernemunge ist der dot.

<:9a>Es gibt wenig Menschen, die da über die rationale Schau und über rationales Verstehen hinauskommen, doch der Mensch ist eins mit Gott geworden, der da ohne Begreifen förmlicher Bilder auskommt, anstelle von zehntausend Menschen, die sich selbst erfreuen anhand einer von Bildern geleiteten Schau und einem rationalen Verstehen. Denn man kann die Wahrheit nicht mithilfe ihres Intellekts greifen. Alles, was gänzlich vergangen ist, hat weder Begriff noch Möglichkeit, sei es in der Zeit oder in der Ewigkeit, hier ist weder Liebe noch Leiden. Allen Verstehens beraubt, habe ich all das aufgegeben, was ich bin. In dieser hohen Vollkommenheit hat sich die heilige Einung selbst erkannt. Dieses Leben liebe ich. Ich armer, wo sind meine Sinne, die so beraubt sind! Ich besitze weder die Wahrheit, noch habe ich eine klare Vorstellung. Du bist nackt. Der Tod ist ein Zurücknehmen.

<:10a>Wer diser warheit sol werden innen der mNß haben hohe mynne Er mNß sich haben in vollekvmener luterkeyt vnd in vollekomener abgescheidenheit vnd mGß sich werffen vnder sich vnd vnder got vnd wider alle creaturen. Vnd mGs in mvgelich dvncken daz alle creature wider in sin vnd sol nieman wider in sin den vßgenomen einen senfmFtigen hertzen vnd wer daz hat dem sol offenbar werden daz dem grosten pfaffen verborgen ist der dazG paris in die schFle ye kam der es myt leben nie besas. Wer dise wege sol vinden der mGß hohe sprungen Nber alles das myttel ist daz sich begryffet daz heilige iht. Wie wenig noch daz gewortet ist daz man sol komen von iht in nicht do sich blosheit hat begryffen vnd alle bilde sint gewichen in dirre nehesten vergangenheit da vil lihte nieman zG komen mag oder komet yemant dar zG der mGs allen den verborgen sin die daz nit ensint wan es ist vnbekant dem der es da ist eya wie gar verborgen es denne ist allen den die hie vmbe nit wissen do blosheit ir selbes vergeht daz ist uber alle iht da alle iht endent

<:10a>Wer dieser Wahrheit inne werden soll, der muss die äußerste Liebe besitzen. Sich selbst muss man in vollkommener Reinheit halten und in vollkommener Abgeschiedenheit und sich selbst unter sich und unter Gott und gegen alle Kreaturen werfen. Man muss damit rechnen, dass alle Kreaturen gegen einem sind, und wäre niemand gegen einen, dann wird nur dem, der ein barmherziges Herz besitzt offenbart, was dem höchsten Geistlichen, der jemals an die Universität zu Paris kam, verborgen blieb. Wer diese Wege entdecken will, muss hoch über alles hinwegspringen, was Mittel ist, womit das Heilige etwas ergriffen wird. Wie wenig kann man es aussprechen, dass man vom Etwas zum Nichts kommen soll, wo die Nacktheit sich selbst ergriffen hat und alle Bilder in die nächste Vergangenheit gewichen sind, wohin vielleicht niemand gelangen kann, oder wenn jemand hin gelangen könnte, muss er all jenen unbekannt bleiben, denn es ist dem, der da ist, unbekannt. Ach, wie vollständig ist es all denen verborgen, die nicht von ihm wissen, da Nacktheit sich selbst auslöscht. Dies ist jenseits von allem Etwas, wenn alles Etwas ein Ende findet.  

<:11a>eya wa sol der erleiden da zit helle hymelrich ist vergangen da enmag yemant nyemant erlangen Eya waz man vff disem wege bGtet do alle ding stant vff yrem nye Eya daz yeman so wise were der mir hie helle oder hymelrich neme oder gebe wie gGt dem zG volgen were do man sich nit wider neme sint zefriden in mynen verluste vff ihtes niht han ich ein kosten dein selben wil ich mich lan solte hymel vnd erde vergan wer mich nimet vß slag vnd vß klag verflGchet sy der der daz habe wer verderben welle an mir der stoße baste den rigel fGr vnd sy innen ledig bitz in den dot dar vmb han ich kein not.

<:11a>Ach, was soll der erleiden, da Zeit, Hölle, Himmelreich vergangen sind. Dort kann niemand jemand werden. Ach, was kann man auf diesem Weg anbieten, wo alle Dinge in ihrem Nichts stehen? Ach, wäre doch einer so weise, der mir hier Hölle oder Himmelreich nähme oder gebe, wie gut könnte man dem folgen, da man sich nichts wieder nähme. Ich wäre zufrieden mit dem kleinen Verlust von Etwas. Es kostete nicht einem selbst. Wenn ich mich selbst lassen will, soll Himmel und Erde vergehen, so soll der verflucht sein, der mich weg nimmt von dem Schlag und weg von dem Klagen, der mich verderben will, der soll so gut als möglich den Riegel vorschieben und innerlich nackt sein bis in den Tod. Darum fehlt mir nichts.


<:12b>Got ist ein sogetan wesen, daz man niht baz bekennet denne mit nihte. Wie mit nihte? Daz man abe lege allez mitel, niht alleine die welt versmahen unde tugende haben, mer: ich muoz die tugent lazen, sol ich got sunder mitel sehen; niht also, daz ich die tugent versmehe, mehr: diu tugent sol in mir wesenlich sin und ich sol ob der tugende wesen. Wan so des menschen gedank enkein dinc niht enrüeren mac, dan aller erste rüeret er got.

<:12b>Gott ist ein solches Wesen, das man überhaupt nicht kennt, außer durch das Nichts. Wie durch das Nichts? Auf dass man alle Mittel fahren lässt, nicht alleine, dass man die Welt verschmäht und Tugenden besitzt, sondern vielmehr muss ich auch die Tugenden fahren lassen, wenn ich Gott ohne Medium sehen will. Nicht, dass ich die Tugenden verschmähe, sondern die Tugenden sollen in mir wesentlich sein, und ich soll jenseits der Tugenden sein. Erst dann, wenn nichts mehr das Denken des Menschen berühren kann, dann berührt er Gott.

<:13b>Ein heidenischer meister sprichet, daz nature über nature niht enmac. Da von mac got von keiner creature bekant werden. Sol er bekant werden, daz muoz geschehen in einem liehte über nature.

<:13b>Ein heidnischer Meister sagt, die Natur könne nicht über die Natur steigen. Folglich kann Gott von keiner Kreatur erkannt werden. Wenn er denn erkannt werden soll, dann muss dies in einem Licht jenseits der Natur sein.

<:14b>Die meister habent eine vrage, waz daz meine, so got die sele erhebe über sich selber und über alle creature und er si heim gefüeret in sich selber, war umbe enedelt er denne den lip niht, daz er der irdischen dinge niht bedörfte? Diz berihtet ein meister – und ich wene, ez si sant Augustinus – unde sprichet also: wenne diu sele kumet zuo der götlichen einunge, denne aller erst ist der lip volkomenlich dar zuo komen, daz er alliu dinc niezen mac ze gotes eren. Wan durch den menschen sint alle creature uz geflozzen, unde waz der lip redeliche der creaturen geniezen mac, daz ist der sele niht ein abeval, mer: ez ist ein zuovluz ir wirdekeit, wan diu creature enmöhte edelern widerfluz niht vinden, in ir ursprunc wider ze komenne, denne in dem gerehten menschen, der ie einen ougenblik siner sele gestatte, daz er uf gezogen wart in götlicher einunge. Wan zwischen gote und der sele ist denne dekein hindernüsse, und also verre diu sele gote volget in die wüestenunge der gotheit, also verre volget der lip dem lieben Kristo in die wüestenunge des willigen armüetes, und als diu sele vereinet ist mit der gotheit, also ist der lip vereinet mit würkunge gewerer tugende in Kristo. So mac der himelsche vater wol sprechen ‘diz ist min lieber sun, in deme ich mir selber wol gevalle’; wan er hat niht alleine in die sele geborn sinen eingebornen sun, mer: er hat si selbe geboren sinen einbornen sune.

<:14b>Die Meister haben eine Frage: Was bedeutet es, wenn Gott die Seele über sich selbst und über alle Kreaturen erhebt und sie heim zu sich trägt, warum veredelt er dann nicht den Körper, so dass dieser keine irdischen Dinge mehr benötigte? Dies berichtet ein Meister, und wenn ich mich recht erinnere ist es Augustinus, der wie folgt spricht: Erst wenn die Seele in die göttliche Einung gelangt, erst dann wird der Leib auf vollkommene Weise hinzugefügt, so dass er alle Dinge um Gottes Ehre willen genießen kann. Denn wegen des Menschen sind alle Kreaturen ausgeflossen, und was der Leib zurecht von den Kreaturen genießt, ist kein Abfall für der Seele, im Gegenteil, es erhöht noch ihren Adel, denn die Kreaturen können keinen edleren Rückfluss finden, um zurück in ihren Ursprung zu kommen als in dem gerechten Menschen, der seiner Seele je einen Augenblick erlaubte, in die göttliche Einung gezogen zu werden. Dann gibt es kein Hindernis zwischen Gott und der Seele, und so weit die Seele Gott in die Wüste der Gottheit folgt, so weit folgt der Leib dem geliebten Christus in die Wüste der gewollten Armut, und so weit die Seele mit der Gottheit vereint ist, so weit vereint sich der Leib mit dem Handeln der erprobten Tugenden in Christus. Darum kann der himmlische Vater sehr wohl sprechen: ‘Dies ist mein geliebter Sohn, an dem ich mir selber wohl gefalle’. Denn er hat seinen Sohn nicht nur in die Seele geboren, mehr noch, er hat sie selbst als seinen eingeborenen Sohn geboren.

<:15b>Eya, von dem aller tiefesten herzen! Mensche, waz mac dir herte oder scharpf gesin durch in ze lidenne, wenne du rehte betrahtest, daz der, der da was in der forme gotes und in dem tage siner ewikeit in dem schine der heiligen unde der da vor geborn was ein schin und ein substancie gotes, daz der kam zuo dem karcher unde zuo dem lime diner smeckenden nature, diu also unreine ist, daz alliu dinc, swie reine sie sint diu ir genahent, diu werdent smeckende und unreine, und er doch durch dinen willen genzliche dar in wolte gestecket werden? Waz ist niht süeze durch in ze lidenne, swenne du ze semen liesest alle die bitterkeit und alles des lasters, daz uf in viel? welich schande und laster er leit von den fürsten unde von den rittern und von den boesen knehten unde von allen den, die den weg uf und nider giengen für das kriuze? wie diu klarheit des ewigen liehtes verspiuwen unde verspottet unde geitwizet wart?

<:15b>Ach, aus dem tiefsten Herzen! Mensch, was kann für Dich hart oder scharf sein, für ihn zu leiden, wenn Du recht betrachtest, dass derjenige, der da in der Gestalt Gottes war und am Tag seiner Ewigkeit in dem Schein der Heiligen, und der davor als Abglanz und Substanz Gottes geboren war, dass der in den Kerker kam und zu dem Lehm Deiner übelschmeckenden Natur, die so unrein ist, dass alle Dinge, gleich wie rein sie sind, wenn sie sich ihr nähern, übelschmeckend und unrein werden, und er doch um Deiner Willen wegen gänzlich in sie gesteckt werden wollte? Was ist nicht süß, für ihn zu leiden, wenn Du alle Bitternis und alle Laster sammelst, das ihn befiel? Welche Schande und Laster leidet er von den Fürsten und von den Rittern und von den bösen Knechten und von all denjenigen, die den Kreuzweg auf und nieder gingen? Als der Glanz des ewigen Lichts bespuckt und verspottet und lächerlich gemacht wurde? 

<:16b>Eya, wie ein groz unverschult barmeherzikeit und wol bewertiu minne, diu mir an keiner stat nie volkomenlicher beweret wart als an der stat, da der minne kraft durch sin herze brach! Also mache dir ein gebündelin von myrren van  aller hande bitterkeit dines herren und gotes unde laz ez alle zit zwischen dinen brüsten wonen und sich an unde beschowe sine tugende, wie fürderlich er din heil in allen sinen werken zuo hat braht, unde sich, daz du im mit dem selben gelte widermezzest sinen schemelichen lesterlichen tot und sine pin lidende nature, mit der er ane schulde für dine schulde geliten hat, als ez sin eigen schulde were, als er selber sprichet in dem propheten von siner pine, da er sprichet ‘sehent, diz lide ich von minen schulden’, unde wa er sprichet von der fruht siner werke, da sprichet er ‘sehent, disen richtuom sulnt ir besitzen von iuwern werken!’ unde nennet unser sünde sine sünde unde siniu werc unseriu werc, wan er hat unser sünde gebezzert, gelick als er sie selbe gewürket hete, unde wir besitzen die verdienunge siner werke rehte als wir sie gewürket haben. Unde diz sol unser arbeit ringe machen, wan der guote ritter klaget siner wunden niht, so er den künig an siht, der mit ime durch ine verwundet ist. Er biutet uns ein tranc, daz er vor getrunken hat. Er enbiutet uns niht, er habe ez e vorgetan oder geliten. Dar umbe sulle wir groze minne ze liden han, wan got nie niht anders getet die wile er uf ertriche was.

<:16b>Ach, was für eine große, unverschuldete Barmherzigkeit und wohl bewährte Liebe, die mir an keinem anderen Ort vollkommener geprüft wurde, als die Kraft der Liebe sein Herz durchbrach! Mach Dir folglich ein Bündel aus all der Bitternis Deines Herrn und Gottes und lass es allezeit zwischen Deinen Brüsten wohnen und betrachte und siehe seine Tugend, wie hilfreich er Deine Rettung durch all seine Handlungen bewerkstelligt hat und siehe, dass Du ihm mit derselben Gegenleistung seinen schamvollen, lästerlichen Tod und den Schmerz seiner leidenden Natur zurückbezahlst, mit der er unschuldig für Deine Schulden gelitten hat, wie wenn es seine Schuld wäre, wie er im Propheten von seinem Schmerz spricht, wenn er sagt: ‘Sehet, dies leide ich für meine Schulden’, und wo er von den Früchten seiner Handlungen spricht, wenn er sagt: ‘Sehet, diesen Reichtum sollt Ihr wegen Eurer Werke besitzen’. Und er nennt unsere Sünden seine Sünden und sein Werk unser Werk, denn er hat unsere Sünden gut gemacht, als wenn er sie selbst getan hätte, und wir besitzen den Lohn seiner Handlungen, als wenn wir sie getätigt hätten. Und dies sollte unsere Mühe klein machen, denn der gute Ritter beschwert sich nicht über seine Wunden, während er auf den König schaut, der mit ihm und durch ihn verwundet ist. Er bietet uns einen Trunk an, den er zuvor getrunken hat. Er bietet uns nichts an, es sei denn er habe es zuvor erlitten. Gerade darum sollten wir eine große Liebe zum Leiden haben, denn Gott hat nie etwas anderes getan, als er auf Erden war.

<:17b>Daz wir also unser menschliche nature und alle unser krankheit in götlicher nature verbergen und verlieren, daz an uns niht funden werde dan der luter got, des helf uns got. Amen.

<:10>Auf dass wir unsere menschliche Natur und all unsere Schwächen in der göttlichen Natur verbergen und verlieren, und dass nichts in uns gefunden wird als der reine Gott, des helfe uns Gott. Amen.







[11] Luc. 24:5: ‘Quid quaeritis viventem cum mortuis?’
[12] J. Quint, Die Überlieferung der deutschen Predigten Meister Eckharts textkritisch untersucht (1932), 545 suggests to delete ‘Ein lerer sprichet: ja, richer got, wie wol mir wirt, so min minne fruht gebirt!’ based on his correct view that BT often expands the text of the manuscripts. In this case, however, BT is not only supported by one known manuscript, Ba2, the text also fits the argument, so that the missing of this opening in all other manuscripts is rather due to the potential loss of the opening of the homily which we already noticed with regards to the missing of the core Latin verse and its vernacular translation in all the manuscripts above.
[13] Matth. 27:46: ‘Deus meus, Deus meus, ut quid dereliquisti me?’ It seems that the version that is closer to Eckhart’s thinking is preserved in the B version here.
[14] Ioh. 19:30: ‘Consummatum est.’
[15] Though J. Quint, Die Überlieferung der deutschen Predigten Meister Eckharts textkritisch untersucht (1932), 538 points to Homoioteleuton, it rather seems like a deliberate theological omission.
[16] J. Quint opts here for the rather theological correction that avoided to see the assumed human nature being seen as a burdened, perhaps even sinful one.
[17] This seems to be a theological alteration, as it removes the potential idea via the example that the one wounded has been wounded because of the failure of Christ.

Predigt T29/5,1* [Nemes, 2012]

Feria V post Dominicam resurrectionis Domini

‘Maria stunt uswendig by dem grabe’ (Ioh. 20:11)

 

<:1>[29v] Maria stunt uswendig by dem grabe also stot geschriben in dem ewangelio Johannis

<:1>‘Maria stand außerhalb beim Grab’, wie es geschrieben steht im Evangelium des Johannes.[3]

<:2>NG lossent vns eben lGgen wie maria magdalena stunt vnd wo sF stunt Maria stvnt by den fFssen Jesu v?l ruwen by dem crFtze v?l liebe by dem grabe v?l truwe vnd stetikeit jn der wFste v?l gnode vnd volkummenheit. Daz j waz ein zeichen worer bGsse Daz ij ein zeichen worer minne vnd eines mitlidens Daz iij ein zeichen [30r] worer beharlicheit Daz iiij ein zeichen einer endeberlichen volkummenheit

<:2>Nun lasst uns sehen, wie Maria Magdalena stand und wo sie stand. Maria stand an den Füßen Jesu, voller Ruhe am Kreuz, voller Liebe am Grab, voller Vertrauen und Beständigkeit in der Wüste, voll Gnade und Vollkommenheit. Das erste war ein Zeichen wahrer Buße, das zweite ein Zeichen wahrer Liebe und eines Mitleidens, das dritte ein Zeichen wahrer Beharrlichkeit, das vierte ein Zeichen entbehrender Vollkommenheit.

<:3>Maria wz gestanden in richtGm t=rlich jn sch=ne Mppiklich jn adel hachfertiklich jn jugent nerriklich aber also sF sich bekerte zG dem ersten so bekante si dz Jhsus wz in symonis hus zG dem anderen mol sG kam zG im zG dem dritten sF stunt hindenan zG dem iiij sF viel zG den fFssen Jesu dovon kam nie kein m=nsch on grosse gnade zG den v sF weinete zG den vj sF wGnsch vnd trFcknet vnd salbete zG den vij sF kFssete also bekante sF sich sFchen vnd den artzot vnd schammete sich vor den ?gen Jesun vnd enwete vnd det genGg vnd hette vaste liep

<:3>Maria stand töricht im Reichtum, üppig in der Schönheit, stolz im Adel und närrisch in der Jugend, aber als sie sich bekehrte, erkannte sie erstens, dass Jesus im Haus des Simon war,[4] zweitens kam sie zu ihm,[5] drittens stand sie hinter ihm,[6] viertens fiel si zu Füßen Jesu,[7] dies geschah niemandem ohne große Gnade, fünftens weinte sie,[8] sechstens wischte und trocknete und salbte sie,[9] siebtens küsste sie, folglich wusste sie, dass sie nach dem Arzt suchte und war vor den Augen Jesu beschämt und erkannte und tat genug und hatte eine starke Liebe.

<:4>Maria stunt by dem crFtze in der worheit sF stunt an dem crFtze gecrFtziget wann Jhses Cristus leit dz crFtze an dem rFcken Maria in dem hertzen Cristus [30v] Cristus an sinem libe maria in der selen Jehsus Christus geheftet mit nagelen maria an dz crFtze genegelt mit minne vnd der nagel der got vnd m=nsch zG sammen heftet in ein person der selbe negelte maria an dz crFtze vnd dz ist der einige nagel dar mit ein ieglich andehtige sel sich heftet zG got Also Paulus sprach Ich bin geheftet an dz crFtze vnd der selige ygnatius sprach min minne ist gecrFtziget

<:4>Maria stand am Kreuz der Wahrheit. Sie stand gekreuzigt am Kreuz, denn das Kreuz lag auf dem Rücken Jesu Christi, Christ im Herz Marias, auf dem Körper Christi, in der Seele Marias, Jesus Christus, festgemacht mit Nägeln, Maria an das Kreuz genagelt durch Liebe. Und der Nagel, der Gott und Mensch in einer Person zusammenbindet, derselbe nagelte Maria an das Kreuz, und dies ist der eine Nagel, durch den jede aufmerksame Seele sich selbst an Gott festmacht. So sagte Paulus:[10] ‘Ich bin an das Kreuz geheftet.’ Und der gesegnete Ignatius sagte:[11] ‘Meine Liebe ist gekreuzigt.’[12]

<:5>maria stunt by dem grabe dz wz ein zeichen worer truwe vnd beharlicheit wenn da die jungeren einweg gingen do bleip sF vnd stunt vnd weinete wer stot der ist eines gGten willen vnd wer weinet der bekennet sich vnvolkummen vnd sF neigete sich ein gGt williger m=nsch neiget sich ge[31r]horsam zG sin vnd demFtig maria stunt vnd neigete sich gGter wille ist nit eigen er ist gemein

<:5>‘Maria stand beim Grab’, was ein Zeichen der Treue und Beharrlichkeit war. Während dort die Jünger weggingen, blieb sie und stand und weinte.[13]  Wer steht, hat einen guten Willen, und wer weint, bekennt seine Unvollkommenheit. Und sie verneigte sich. Ein Mensch guten Willens verneigt sich, um gehorsam und demütig zu sein. Maria stand und verneigte sich.[14] Ein guter Wille ist nichts individuelles, sondern etwas gemeinsames.

<:6>vnd sF sach zwen engel in wissen kleideren sitzen einen zG den h=bten Es ist lieht von obenan vnd einen zG den fFssen es ist fFrsFchtikeit hie nidenan Die engel sprochen mulier quit ploras wip war vmb weinestu wo do ist wore vstende der selen do sol man fr=lich sin also dz ewangelium sprichet Es ist fr=de in den engelen wenn sich der sFnder bekert

<:6>Und sie sah zwei Engel in weißen Kleidern sitzen,[15] einer am Kopf, das Licht von oben ist, und der andere an den Füßen, das Sorge für das Untere ist. Die Engel sagten:[16] ‘Mulier, quid ploras’, ‘warum weinst Du?’ Wo ein wahres Verstehen der Seele ist, soll man sich freuen, wie das Evangelium sagt: ‘In den Engeln ist Freude, wenn einer Sünder sich bekehrt.’[17]

<:7>maria sprach sF hant mir minen herren enweg genummen vnd weis nit war sF in geleit haben wer weis wo trost ist so er der selen verborgen ist vnd sF kerte sich vmb vnd sach hinder sich crisostumus der heilge lerer sprichet dz die engel vf stunden vnd ersamklich sich neigeten gegen vnserm herren do [31v] dz maria sach do lGgete sF hinder sich wer do kem gegen den die engel vf stunden vnd sF sach vnsern herren Jhsum ston vnd wuste nit dz es Ihsus wz dig vnd vil ist es die worheit do du nit weist vnd dz machet dinn kleiner gl?be Ijesus sprach wip war vmb weinestu wenn sGchestu maria wande es wer ein gartener also er ?ch ist vnd sF sprach herre hastu in hie dannan genumen so sage mir war hastu in geleit so wil ich in nemen vnd enweg tragen also ob sF wolte sprechen du hast in villFcht nit gern in dinen garten sage mir wo ist er ich habe in gern ich wil dir sin ab helffen

<:7>Maria sagte,[18] Sie haben meinen Herrn weggenommen und ich weiß nicht, wohin sie ihn gelegt haben. Wer weiß, wo man Trost finden kann, wenn er der Seele verborgen ist? Und sie drehte sich um und schaute hinter sich. Chrysostomus, der heilige Lehrer, sagt, dass die Engel aufstanden und sich ehrsam vor unserem Herrn verneigten. Als Maria dies sah, schaute sie hinter sich, wer da kommen würde,[19] für den die Engel aufstünden, und sie sah unseren Herrn Jesus da stehen, aber sie wußte nicht, dass es Jesus war. Die Wahrheit, die Du nicht kennst, ist groß und vielfältig, und das liegt an unserem geringen Glauben. Jesus sagte:[20] ‘Frau, warum weinst Du, wen suchst Du?’ Maria dachte, er könnte der Gärtner sein, was er ja auch ist, und sie sagte:[21] ‘Herr, wenn Du ihn weggetragen hast, sag mir, wohin Du ihn gelegt hast, und ich will ihn wegtragen’, als wollte sie sagen: Du hast ihn vielleicht ungerne in deinem Garten, sag mir, wo er ist, ich habe ihn gerne, ich will dir helfen ihn los zu werden.

<:8>Ijesus sprach maria do sF vnser herre nante do kerte sF sich zG im vnd sprach raby meister Jhsus sprach rFr mich nit an ich bin noch nit vf gangen zG minem [32r] vatter du wilt mich heben vnd nit lassen dz geschiht erst so ich vf kum zF minem vatter gang vnd sage minen brFderen ich wil vf gon zG minem vatter vnd zG uwerem vatter zG minem got vnd zG uwerem got vnd maria verkFndete dz den jungeren vnd sprach also hat er mir geseit dz ist dz ewangelium

<:8>Jesus sagte:[22] ‘Maria’. Als unser Herr sie rief, drehte sie sich zu ihm und sagte: ‘Rabbi, Meister’. Jesus sagte:[23] ‘Berühr mich nicht, denn ich bin noch nicht zu meinem Vater hinaufgegangen. Du willst mich halten und mich nicht gehen lassen, dies wird nur dann geschehen, wenn ich zu meinem Vater gekommen bin, gehe und sag meinen Brüdern, dass ich zu meinem Vater und zu Eurem Vater aufsteige, zu meinem Gott und zu Eurem Gott.’ Und Maria verkündete dies den Jüngern und sagte:[24] ‘So hat er zu mir gesprochen, dies sei das Evangelium’.

<:9>NG kum ich vf den synne miner ersten wort also ich sprach maria stunt maria stunt in einem schowen der worheit in minnen der ewikeit in ab scheiden in der friheit

<:9>Nun komme ich zur Bedeutung meines ersten Wortes, als ich sagte: Maria stand. Ich sagte: Maria stand in einer Schau der Wahrheit, im Liebe der Ewigkeit, in Abgeschiedenheit, in der Freiheit.

<:10>maria stunt in einem schowen der worheit vnd die worheit wart sF jnnen drFveltiklich zG ersten so nam sF die worheit von der vswendikeit der welte oder der besch=pfde wenn die creatur vnd die welt sprichet vnd seit die worheit von ir selber mit irem wFrcken nemlich ich blende dich wenn ich bin liplich dinen willen krFmbe ich wenn ich zFhe dich [32v] zG mir vnder sich vnd din hertze vervnreinige ich vnd din jnnerlicheit ersch=pf ich din hertze mache ich vnfride sam vnd vnstet vnd ber?be den geist siner friheit dz seit die welt von ir selber vnd entpfindet dz ein iegliches dz in der welt vmb got dar vmb stunt maria magdalena in der wFste in ab gescheidenheit

<:10>Maria stand in einer Schau der Wahrheit, und die Wahrheit war in ihr auf dreifache Weise: Erstens nahm sie die Wahrheit von der äußeren Welt oder den Kreaturen, da die Kreatur und die Welt spricht, und die Wahrheit aus sich selbst heraus durch ihre Handlungen spricht: denn ich blende Dich, weil ich körperlich bin, ich beuge Deinen Willen, denn ich ziehe Dich zu mir, unter Dich, und ich beschmutze Dein Herz, und ich schöpfe Dein Inneres aus, ich mache Dein Herz unfriedlich und rastlos und beraube Deinen Geist seiner Freiheit. Dies sagt die Welt über sich selbst und alles in der Welt um Gott bemerkt dies. Darum stand Maria Magdalena in Abgeschiedenheit in der Wüste.

<:11>die ander worheit entpfindet der m=nsch von sinem geist inwendig wenn so der m=nsch noch der selen ist die glichnis der gotheit dz bilde der heilgen drFvaltikeit dar vmb des geistes friheit mit zit nit wurt gemessen an kein stat beslossen vn keiner creatur bezwungen vnd ir apgrunde von keiner creatur ergrFndet vnd ir jnnerlihceit nit denn von got er fFllet dar vmb in ir jnnerlicheit nieman denn got sol sin vnd ir sol got [33r] all ding sin ie neher dem ie worer also wz der geist marie magdalenen also v=l vnsers herren Jhsu dz sF alle zit wz wo vnser herre Jesus wz vnd wast doch nit wo er wz dar vmb wuste su nit wo ir geist wz also sF sich selber nit wuste do erschein ir die worheit Jehsus.

<:11>Ein Mensch spürt die zweite Wahrheit durch den eigenen inneren Sinn,[25] wenn der Mensch der Seele gemäß ist, dem Gleichnis der Gottheit, dem Bild der heiligen Dreivaltigkeit. Darum war die Freiheit des Geistes nicht zeitlich bemessen und ist nicht im Raum eingeschlossen, noch durch irgendeine Kreatur bewältigt, und ihr Abgrund ist nicht durch irgendeine Kreatur ergründet, noch ist ihr Inneres durch irgendetwas anderes erfüllt als Gott. Darum soll niemand in ihrem Inneren sein außer Gott, und für sie soll Gott alles sein, je näher zu ihm, desto wahrer. Folglich war der Geist Maria Magdalenas so von unserem Herrn Jesus Christus erfüllt, dass sie immer dort war, wo unser Herr Jesus war, auch wenn sie nicht wusste, wo er war. Darum wusst sie niciht, wo ihr Geist war. Und als sie selbst nicht um sich wusste, da erschien ihr die Wahrheit Jesu.

<:12>Die dritte worheit ist von obenan von got vnd ist drFvaltig von ersten dz got in keinen beschaffenen mittel ist sFhtiklich volkummenlich zG den anderen dz sich got einem reinen hertzen nit mag verbergen zF dem dritten dz keinem m=nschen wol ist des hertze nit ein faltiklich in got geordent ist

<:12>Die dritte Wahrheit kommt von oben, forn Gott, und ist dreifach: Erstens, dass Gott durch keine geschaffene Mittel vollkommen ersichtlich ist, zweitens, dass Gott sich vor einem reinen Herz nicht verbergen kann, drittens, dass niemand glücklich sein kann, dessen Herz nicht einfältig in Gott angelegt ist.

<:13>NG vmb einer besseren besliessung willen so nim ich drF ding dar jnne des m=nschen volkummenheit stot dz erste ist schowen die worheit dz ander liep haben daz dritte ab scheiden vnd lassen

<:13>Um eines besseren Endes willen greife ich drei Dinge auf, worin die Vollkommenheit des Menschen besteht. Das erste ist die Schau der Wahrheit, das zweite, zu lieben, das dritte, Abscheiden und Loslassen.

<:14>zG dem schowen dienet sitzen rGwe swigen vnd [33v] h=ren Also maria sas by den fFssen Jhsun vnd horte sine wort

<:14>Dem Schauen dienen Sitzen,[26] Ruhe, Schweigen und Zuhören. Darum sagt saß Maria zu Füßen Jesu und lauschte seinen Worten.

<:15>zG volkummener liebe stat sin sel geben vnd im selbes vs gon also maria det in den noch volgen Cristi vnd sGchen also ob sF on in nit m=hte leben

<:15>Zu vollkommenen Liebe gehört es, seine Seele zu geben und aus dem Eigenen herauszugehen, und das tat Maria, indem sie Christus folgte und suchte, als ob sie nicht ohne ihn leben könnte.

<:16>dz gr=ste im abscheiden ist gemeinlich keinen zitlichen keinen irdenschen vnd beschaffenen dingen synne vnd gemGt geben also maria magdalena in der wFste dz leben marien magdalenen entpfFlhe ich dir zG betrachten vnd wie sF tegelich zG vij malen von den engelen erhaben vnd do horte engels gesang vnd wart himmelschlichen gespiset

<:16>Die Größte in der Abgeschiedenheit besteht gewöhnlich darin, weder Sinn noch Verstand auf irgendetwas Zeitliches, Irdisches oder Geschöpfliches auszurichten, wie Maria Magdalena in der Wüste. Ich empfehlt Dir, das Leben der Maria Magdalena zu betrachten und wie sie täglich siebenmal von den Engeln emporgehoben wird und dort den Gesang der Engel hört und himmlisch ernährt wird.

<:17>NG etwz ist zG mercken by den w=rtelin maria vnd etwz by dem w=rdelin raby dz ist meister maria ist also vil gesprochen also erlFhtet wann magdalena also balde sF horte dz wort maria do sprach sF raby dz ist meister wenn er ist der meister der h=hsten [34r] worheit dar vmb an zG schowen der h=hsten gFte dar vmb sol man in lieb han der h=hsten volkummenheit dar vmb sol man im noch volgen

<:17>Nun soll man auf etwas bei Wörtchen ‘Maria’, und auf etwas bei dem Wörtchen ‘Rabbi’, d.h. ‘Meister’, achten. Maria bedeutet so viel wie ‘erleuchtet’, denn sobald Magdalena das Wort ‘Maria’ hörte, sagte sie ‘Rabbi’, d.h. ‘Meister’, denn er ist der Meister der höchsten Wahrheit. Um also das höchste Gut zu schauen, soll man folglich ihn in höchster Vollkommenheit lieben und ihm nachfolgen.

<:18>dar vmb meister der worheit ler mich dich finden meister der gFte ler mich dich liep han meister der volkummenheit ler mich dir noch volgen vnd alle ding durch dinen willen lassen also lere alle dinn leptage vnd las nit abe so ergriffestu in also die andehtige sel sprach Jch han in ergriffen vnd los in nit [34r] bitz er mich in fFret in sinen winkeller des ewigen lustes vnd fr=den amen

<:18>Darum, Meister der Wahrheit, lehre mich Dich zu finden, Meister der Güte, lehr mich, Dich zu lieben, Meister der Vollkommenheit, lehr mich, Dir nachzufolgen und alle Dinge um Deinetwillen zu lassen, also lehre alle Deine Tage und höre nicht auf, dann wirst Du ihn ergreifen. Die aufmerksame Seele sagt also: Ich habe ihn ergriffen, und lass ihn nicht gehen, bis er mich in seinen Weinkeller[27] der ewigen Lust und Freude führt. Amen.



[3] Ioh. 20:11: ‘Maria autem stabat ad monumentum foris, plorans. Dum ergo fleret, inclinavit se, et prospexit in monumentum.’

[4] Vgl. Luc. 7:36-50 (Matth. 26:6-13, Marc. 14:3-9, Ioh. 12:1-8), esp. Luc. 7:37: ‘Et ecce mulier, quae erat in civitate peccatrix, ut cognovit quod accubuisset in domo pharisaei’.

[5] Vgl. Matth. 26:7: ‘accessit ad eum mulier.’

[6] Vgl. Luc. 7:38: ‘et stans retro secus pedes ejus.’

[7] Vgl. Ioh. 11:32: ‘Maria ergo, cum venisset ubi erat Jesus, videns eum, cecidit ad pedes ejus.’

[8] Vgl. Luc. 7:38: ‘lacrimis coepit rigare pedes ejus.’

[9] Vgl. Luc. 7:38: ‘capillis capitis sui tergebat, et osculabatur pedes ejus, et unguento ungebat.’

[10] Vgl. Gal. 5:24: ‘Qui autem sunt Christi, carnem suam crucifixerunt.’

[11] Vgl. also the use of Ignatius in Eckhart, Hom. T25,2* [Strauch V], n. 5.

[12] So IgnRom. 7.

[13] Der gleiche Gedanke, der dem (Pseudo-)Origenes zugeschrieben wird, findet sich in Eckhart, Hom. 29/5,2* [35*; Q 56], n. 2: ‘Origenes sprichet: si stuont. War umbe stuont si, und die aposteln wâren gevlohen?’ (‘Origen says: She was standing. Why did she stand, and the apostles had fled?’); vgl. hierzu Ps.-Origenes, Homilia super ‘Maria stabat’, ed. Basileae, 1545, II 319: ‘Maria autem stabat ad monumentum foris plorans, et quasi desperando sperans, et sperando perseverans. Petrus et Ioannes timuerunt et ideo non steterunt. Maria autem non timebat, quia nihil suspicabatur sibi superesse quod timere deberet. Perdiderat enim magistrum suum, quem ita singulariter diligebat, ut praeter ipsum nihil posset diligere, nihil posset sperare. Perdiderat vitam animae suae, et iam sibi melius arbitrabatur fore mori quam vivere, quia forsitan inveniret moriens, quem invenire non poterat vivens, sine quo tamen vivere non valebat.

[14] Vgl. Eckhart, Hom. 29/5,1 [34*; Q 55], n. 7: ‘Alsô enmac got niht würken dan in dem grunde der dêmuot; wan ie tiefer in der dêmuot, ie enpfenclîcher gotes’ (‘Thus, God cannot act except in the ground of humility; because the more deeply humble, the more receptive one is of God’).

[15] Vgl. Ioh. 20:11: ‘et vidit duos angelos in albis sedentes, unum ad caput, et unum ad pedes, ubi positum fuerat corpus Jesu.’

[16] Vgl. Ioh. 20:13: ‘Dicunt ei illi: Mulier, quid ploras?’

[17] Vgl. Luc. 15:10: ‘gaudium erit coram angelis Dei super uno peccatore poenitentiam agente’ and Luc. 2:10: ‘Et dixit illis angelus: Nolite timere: ecce enim evangelizo vobis gaudium magnum.’

[18] Vgl.Ioh. 20:13: ‘Dicit eis: Quia tulerunt Dominum meum: et nescio ubi posuerunt eum.’

[19] Vgl.Ioh. 20:14: ‘Haec cum dixisset, conversa est retrorsum, et vidit Jesum stantem: et non sciebat quia Jesus est.’

[20] Vgl.Ioh. 20:15: ‘Dicit ei Jesus: Mulier, quid ploras? quem quaeris?’

[21] Vgl.Ioh. 20:15: ‘dicit ei: Domine, si tu sustulisti eum, dicito mihi ubi posuisti eum, et ego eum tollam.’

[22] Vgl.Ioh. 20:16: ‘Dicit ei Jesus: Maria. Conversa illa, dicit ei: Rabboni (quod dicitur Magister).’

[23] Vgl.Ioh. 20:17: ‘Dicit ei Jesus: Noli me tangere, nondum enim ascendi ad Patrem meum: vade autem ad fratres meos, et dic eis: Ascendo ad Patrem meum, et Patrem vestrum, Deum meum, et Deum vestrum.’

[24] Vgl.Ioh. 20:18: ‘Venit Maria Magdalene annuntians discipulis: Quia vidi Dominum, et haec dixit mihi.’

[25] Vgl. Eckhart, Hom. 29/5,1* [34*; Q 55], n. : ‘Dar umbe stuont Marîâ, daz si deste verrer möhte gesehen umbe sich, ob iendert ein bosche wære, dâ got under verborgen wære, daz si in dâ suochte. Daz ander: si was enbinnen sô gar gerihtet in got mit allen irn kreften; dar umbe stuont si von enbûzen’.

[26] Der parallele Gedanke begegnet wiederum in Eckhart, Hom. 29/5,1* [34*; Q 55], n. 7, vgl. weiter oben die Einführung zur Predigt.

[27] See Luc. 22:18: ‘Dico enim vobis quod non bibam de generatione vitis donec regnum Dei veniat.’

Predigt T38,1* [Strauch IX 388-90]

In vigilia Pentecostes
‘Emitte spiritum tuum’ (Ps. 103:30)

Text and translation


<:1>[230a]Emitte spiritum tuum Der prophete sprichit Sende uß dynen geyst
<:1>‘Emitte spiritum tuum’. Der Prophet sagt: ‘Sende aus Deinen Geist’.[3]
<:2>Nu wollen wir sehen wie der prophete ware haben moge Da er sprichet sende uß dynen geyst Man enmag nit senden wen das zusendene ist Ich mag mich selbere wol geben ich enmag mich nit senden Der sone und der heilige geyst sin zusendene und nit der vatter want er von nyemande enist  
<:2>Nun wollen wir sehen, wie der Prophet recht haben kann, wenn er sagt: ‘Sende aus Deinen Geist’. Man kann nicht den senden, der sendet. Ich kann mich wohl selbst geben, doch kann ich mich nicht senden. Der Son und der Heilige Geist sind zu senden, doch nicht der Vater, denn er stammt von niemandem.
<:3>Eyn meyster was der hieß Arrianus Der sprach das der vatter were eyn sache des sones und des heiligen geystes das enmag nyt gesin. Wande was da gesachet wurdt das geht ußer dem der es da sachet und geht in eyn andere nature Du bist eyn [230b] und din wercke das du wirckest get in eyn andere nature Darumb bistu eyn sache des wercks Ist es dan also das die sache eyn ist und das da gesachet wurdt vellet in eyn andere nature Sachte dann der vatter den sone und den heyligen geyste so musten sie auch fallen in eyn andere nature so musten sie mynnere sin dann der vatter so musten sie creature sin in dieseme ist der doit Sanctus Augustinus der deht viel syner macht darzu und er enkonde yen nye bringen ußer diesem unglauben. Unde alle die hie Inne lebent die heyssent noch Arriani
<:3>Es war ein Meister mit Namen Arius.[4] Er sagte, dass der Vater die Ursache des Sohnes und des heiligen Geistes sei. Das kann nicht sein. Denn was verursacht wurde, kommt aus dem, der da die Ursache ist und geht in eine andere Natur. Du bist der eine und das Werk, das Du hervorbringst, wird von einer anderen Natur sein. Darum bist Du die Ursache Deines Werks. Darum ist die Ursache die eine Sache und was verursacht worden ist, ist von einer anderen Natur. Hätte der Vater den Sohn und den heiligen Geist verursacht, hätten diese von einer anderen Natur sein müssen, sie müssten weniger als der Vater sein, sie müssten Kreaturen sein, in denen es Tod gibt. Der heilige Augustinus tat sein bestes, doch er konnte ihn nicht aus diesem Unglauben herausholen. Und all diejenigen, die immernoch in ihm leben, heißen Arianer.
<:4>Nu enIst doch der sone nyt von yme selbser und er enist auch nyt von materien und enIst auch nyt von nydde [231a] sunder er ist von dem vatter komen und ensal ich dann nit sprechen das der vader sij eyn sache des sones Neyn du ensalt es nit sprechen Er enist nyt eyn sache des sones Er ist sin anbedynne
<:4>Nun ist der Sohn weder durch sich selbst noch aus der Materia, noch von Nichts, sondern er ist aus dem Vater gekommen. Soll ich dann nicht sagen, dass der Vater eine Ursache des Sohnes ist? Nein, dies sollst Du nicht sagen! Er ist nicht die Ursache des Sohnes, er ist sein Ursprung.[5]
<:5>Eyn ander meyster der hieß Sabellius der sprach der vader ist nyt eyn sache des sones Sunder der vader get uß als eyn sache in yr werck Also bin ich ußgegangen in die kunst von artzetien So spricht man der lesemeyster ist eyne artzet gen ich aber uß in die kunste von recht so sprichet man der lesemeyster ist eyn vorspreche Also bin ich ußgegangen in myne wercke und bin dasselbe in myme wercke das ich in myr selber byn Alsus [231b]  sprich er dann das der vater sij ußgegangen und hat an sich genomen menschliche nature und da er sprichet das er an sich genomen habe menschlich nature da sij er sone und in yem selber so sij er vatter und da da er uns heyliget da sij er heligeyst und da uß ensij nyt dann personen und alsus wil er das nyt dann eyn persone in der gotheyt sij
Diese zwen widdersprechen cristenglauben Want wir sprechen und gleuben das drij personen sin an der gotheyt
<:5>Ein anderer Meister heißt Sabellius. Er sagte, dass der Vater nicht die Ursache des Sohnes ist, sondern der Vater geht aus als Ursache in ihr Werk. So ging ich aus in die Kenntnis des Mediziners. Folglich sagt man: Der Lesemeister[6] ist ein Mediziner. Wenn ich in die Kenntnis des Rechts ausging, würde man sagen: Der Lesemeyster ist ein Anwalt. So ging ich aus in mein Werk und bin derselbe in meinem Werk, der ich in mir selbst bin. So sagt er, dass der Vater herausgegangen ist und menschliche Natur auf sich genommen hat und wie er sagt, dass er menschliche Natur auf sich genommen hat, sei er Sohn und in sich selbst sei er Vater, und da er uns heiligt, sei er heiliger Geist und daher gibt es keine Personen, sondern folglich will er nicht, dass da mehr als eine einzige Person in der Gottheit ist.
Diese beiden widersprechen dem christlichen Glauben, denn wir sagen und glauben, dass es drei Personen in der Gottheit gibt.
<:6>Er sprichet sende uß Nu merkent den ußgang des sones von dem vater und nement eyn glichnisse in uch selber. Wanne du in dich selber siehest und sichst in eyne warheyt So ist mee warheyt der [232a] du nyt begriffen enhaist in dirre warheyt das kommet von gebrechen Were es aber also das myn kunst begriffen mochte alle die warheyt zumale die myner vernunfft mogelich ist zubegriffene und die warheyt also were das sie erfullen mochte die mogelicheyt der vernunfft so endorffte sie nyt ußer ir selber sehen nach keyner andern warheyt dan were warheyt und kunst glich Also ist der sone ußgegangen von dem vattere Als eyn kunst in der der vatter begriffet alle sin warheit nach sin selbest maiß nyt das er uns gemessen sij er ist uns unmeßig Er ist aber yem selber gemeßig in der kunst begriffet der vatter alle sin warheyt Daz [232b]  ist das wordt des vader das ist warheyt und kunst glich Darumbe enmagk nyt eyn ander sone gesin in der gotheyt
<:6>Er sagt: ‘Sende aus’. Nun achtet auf den Ausgang des Sohnes vom Vater und nehmt ein Beispiel von Euch selbst. Wenn Du in Dich selbst siehst und siehst in eine Wahrheit, so ist mehr Wahrheit in dieser Wahrheit, die Du nicht begriffen hast. Das resultiert aus Schwäche. Geschähe es aber, dass meine Kenntnis alle Wahrheit zusammen ergreifen könnte, die mein Intellekt  ergreifen kann und die Wahrheit so wäre, dass sie das Vermögen des Intellekts vervollkommnen könnte, dann könnte sie nicht über sich hinaus nach einer anderen Wahrheit Ausschau halten. Dann wären Wahrheit und Kenntnis ein und dasselbe. So ist also der Sohn vom Vater ausgegangen als Kenntnis, in welcher der Vater all seine Wahrheit begreift gemäß seinem eigenen Maß, nicht dass er nach uns gemessen würde (uns gegenüber ist er unermesslich), sondern er ist sich selbst gegenüber gemessen. In dieser Kenntnis begreift der Vater all seine Wahrheit. Das ist das Wort des Vaters, da sind Wahrheit und Kenntnis ein und dasselbe. Darum kann kein anderer Sohn in der Gottheit sein.[7]
<:7>Das werck unser vernunfft das ist eyn ander dann unser vernunfft also enist es in godde nyt Der sone der ist geboren in der naturen ußer der personen des vattere davon enist der sone nyt eyn ander dann der vader an der naturen me eyn andere persone. Was machet underscheyt der personen daz duht wercke das scheydet den sone von dem vatter nach der personen Das werg das ist die geberunge des vader das er geberet den sone das driddet den vatter alleyn ane und die geborenheyt die drittet den sone [233a] an on aleyn das scheydet den sone von dem vater
<:7>Die Arbeit unseres Intellekts ist verschieden von unserem Intellekt, doch so ist es nicht in Gott. Der Sohn ist aus der Person des Vaters der Natur nach geboren, wodurch der Sohn der Natur nach nicht ein anderer ist als der Vater, sondern vielmehr eine andere Person. Worin besteht der Unterschied der Personen?[8] Es ist das Werk, das den Sohn vom Vater trennt gemäß der Personen. Das Werk ist das Gebähren des Vaters. Dass er den Sohn gebiert ist dem Vater allein zuzuordnen,[9] und geboren zu werden ist dem Sohn allein zuzuordnen, dies unterscheidet den Sohn vom Vater.[10]
<:8>Nun han wyr zwo personen wo merken wir nu den heyligen geyst als ich edes sprach Das der vatter in syner kunste begriffe alle sin warheyt und der sone widergiht den vatter derselben warheyt wande sie an yme natuerlich uß geboren ist und er sie von dem vatter natuerlich entpfangen haidt wanne dann die warheyt mynniglich ist und gut ist und nyt alleyn gut ist me die gude selber Wande sich dann der vatter und der sone begriffent in eyner warheyt so enmag der begriffe nyt gesin sunder große luste des geht uß der heylige geyst als eyne lustliche gude von yen beiden [233b] Nit von zweyn angengen me von eyme anegeende wande wo wart ye warheyt die werlich were und mynnentlich were sie enmuste gemynnet werden. Wande dan vernunfft vurgeht und mynne nach des muß das bekant ist und gut ist gemynnet werden Nun hann wir drij personen
<:8>Nun haben wir zwei Personen, doch wo sehen wir den heiligen Geist? Wie ich es gesagt habe. Dass der Vater in seiner Kenntnis all seine Wahrheit begreift und der Sohn dieselbe Wahrheit dem Vater spiegelt, denn sie ist natürlich aus ihm geboren und er hat es natürlich vom Vater erhalten, denn dann ist die Wahrheit liebenswert und gut, doch nicht nur got, sondern das Gute selbst. Wenn dann der Vater und der Sohn sich gegenseitig in einer einzigen Wahrheit begreifen, kann das Begreifen nicht ohne große Lust sein, aus der der heilige Geist hervorgeht als ein lustvolles Gutes der beiden. Nicht aus zwei Ursprüngen, sondern aus einem, denn wo da je Wahrheit war, die wahr und liebenswert ist, die muss geliebt werden. Denn wenn der Intellekt vorangeht und die Liebe folgt, muss das, was erkannt und was gut ist geliebt werden. Nun haben wir drei Personen.  
<:9>Hie dragen wir entzwey mit den Kriechen die wollent das der sone sij alleyne von dem vatter und der heylige geyste alleyn von dem sone Die Kriechen vergehen driher personen und wir enfinden nyt dann zwo in yren reden Was scheydet nu den heyligen geyst von dem sone das duht wergk. Were nu der heyligeist alleyn von dem sone so enwere [234a] keyn werck des vatter zu dem heiligen geyst so enwere da nyt underscheydes des vader und des heyligen geystes Alsus enfinden wir nyt dann zwo personen in der gotheyt und die Kriechen vergehen drier personen
<:9>Hierin unterscheiden wir uns von den beiden Griechen, die den Sohn allein aus dem Vater und den heiligen Geist allein aus dem Sohn sein lassen. Die Griechen meiden die drei Personen, und wir finden nicht mehr als zwei in ihren Worten. Was unterscheidet nun den Sohn vom heiligen Geist? Es ist das Werk. Wenn der heilige Geist aus dem Sohn alleine wäre, würde der Vater nicht mit Blick auf den heiligen Geist handeln, folglich gäbe es keinen Unterschied zwischen dem Vater und dem heiligen Geist. Folgich finden wir nicht zwei Personen in der Gottheit, und die Griechen meiden die drei Personen.
<:10>Die anderen Kriechen sprechen der heyligeyst sij alleyn von dem vadere und nyt von dem sone Inguße nu der vadere den heyligen geist alleyne so enwere keyne werck des sones zum heyligen geyst so enwere da nit underscheydes so enwere der sone und der heylige geyst eyne Also enhette wir aber nyt dann zwo personen
<:10>Die anderen Griechen sagen, dass der heilige Geist allein aus dem Vater komme und nicht aus dem Sohn. Wenn der Vater allein sich in den heiligen Geist gösse, würde der Sohn nicht mit Blick auf den Geist wirken, und folglich gäbe es keinen Unterschied und der Sohn und der heilige Geist wären eins. Dann hätten wir nicht mehr als zwei Personen.
<:11>Nu spricht der sone zu dem vatter. Vatter ich bekennen dir dyner gebordt daz du mich geboren haist da enhan [234b] ich nyt (myt) bide zuthun Aber das du den heyligen geyst ingußest daz ist myn also wol alß dyn Und alle die wercke die du wirckest in der gotheyt und an den creaturen die wircken ich myt dir davon engiessen ich den heyligen geyst mit dir
<:11>Nun spricht der Sohn zum Vater: Vater, ich weiss von Deiner Geburt, dass Du mich geboren hast –  da habe ich mit zwei zu tun – doch dass Du Dich in den heiligen Geist gießt, das tue ich wie auch Du. Und all das Wirken, das Du in der Gottheit und in den Kreaturen tust, das tue ich mit Dir, wodurch Ich den heiligen Geist mit Dir ausgieße. 
<:12>Also sprechent unsere meystere das der vader und der sone ingiessen den heiligen geyst nit als zwen angenge Als der personen zwo sin me als eyn eynige angenge und der personen muß doch zwo sin und sint doch nit me dann eyn anegenge des heyligen geistes wande sie beyde ingiessent den heyligen geyst ußer eyner macht
<:12>Folglich sagen unsere Meister, dass der Vater und der Sohn den heiligen Geist nicht als zwei Ursprünge, da es zwei Personen sind, ausgießen, sondern vielmehr als ein einziger Ursprung, auch wenn es zwei Personen sein müssen, doch sind sie nicht mehr als ein Ursprung des heiligen Geistes, denn beide gießen den heiligen Geist aus als eine Kraft.[11]
<:13>Das wir bekennen und mynnen diese warheyt als es [235a] lobelich an uns der ewigen warheyt sij des helff uns die hochgelopte drivaldigkeyt Amen
<:13>Dass wir diese Wahrheit verstehen und lieben, da sie der ewigen Wahrheit lobenswert in uns ist, des helfe uns die hochgelobte Trinität. Amen.




[3] Ps. 103:30.
[4] Die Gegenüberstellung von Arius und Sabellius findet sich mit parallelen Gedanken in Eckhart, In Ioh. (LW III 442
[5] Diese Unterscheidung findet sich in Eckharts lateinischem Sermo II/1 n. 6 (LW IV 8,4-14): ‘In causis essentialibus universaliter, etiam secundo-primis, causa se tota descendit in causatum, ita ut quodlibet sit in quodlibet modo quolibet, sicut in De causis dicitur. In causis autem primordialibus sive originalibus primo-primis, ubi magis proprie nomen est principii quam causae, principium se toto et cum omnibus suis proprietatibus descendit in principiatum. Audeo dicere quod etiam cum suis propriis – Ioh. 14: “ego in patre et pater in me est” – ut non solum hoc sit in illo, quodlibet in quolibet, sed hoc sit illud, quodlibet quodlibet, Ioh. 10: “ego et pater unum sumus”. Pater enim hoc est quod filius. Paternitas ipsa hoc est quod filiatio. Id ipsum est potentia, qua pater generat et filius generatur. Propter quod potentia generandi essentiam in recto significat, sicut dicunt meliores’.
[6] Eine (selbstkritische-)kritische Selbstbezeichnung als ‘Lesemeister’ findet sich in dem berühmten Spruch bzw. wohl eher Predigtfragment, wie F. Löser herausgearbeitet hat (die Authentizität des Textes, die von Löser vorgeschlagen wird, wird nun durch die vorliegende Predigt gestützt): ‘Ez sprichet meister Eckehart: wêger wêre ein lebemeister denne tûsent lesemeister; aber lesen unde leben ê got, dem mac nieman zuo komen. Solte ich einen meister suochen von der geschrift, den suohte ich ze Parîs und in hôhen schuolen umbe hôhe kunst. Aber wolte ich frâgen von vollekomenem lebenne, daz kunde er mir niht gesagen. War solte ich denne gân? Alzemâle niergen dan in eine blôze ledige nâtûre: diu kunde mich ûzwîsen, des ich sî frâgete in vorhten’, so F. Pfeiffer, Deutsche Mystiker des vierzehnten Jahrhunderts 2 (1857 = 1991), 19-26, entnommen Ko1, Koblenz, Handschrift Best. 701 Nr. 169 [recte: 149r] (46v-47r); see F. Löser, ‘Meister Eckhart und seine Schüler’ (2016).
[7] Vgl. Eckhart, In Ioh. n. 517 (LW III  447,5): ‘Filius unus est, non plures, eo quod pater se toto est in filio.’
[8] Vgl. Eckhart, Pr. S32,1* [Pr. VIII Pfeiffer, 1851; W. Preger, 1864], n. 9: waz ist persone in der drivaltikeit daz ist persone daz sich sunderlich unde vernunfticlich beheldet sine eigenschaft gesundert den andern nach vnderscheyde der eygenscheffte iglichs an ym selber her umbe ist ein persone diu ander niht daz werc der personen daz ist daz si uzberen unde geben alliu dinc diu geberunge gehoeret den vater an alleine diu uzgebunge gehoeret die drivaldikeit an gemein waz ist wesen der drier personen in der drivaldikeit das ist das einveldiclich alle dinck zemal an im beslozzen hat nah einvaldikeit unde doch weder enbirt noch engibet an im selber noch mit yme selber. Was das wesen weselich weset iteme dan ym selber das geschicht mit sampt der wirkunge der personen der wesen es ist. Want sie one es widder wircken nach gesin mogen. Want sie enwirckent nit als dry sie wirkent als eyner an allen dingen want sie sint eyn got eyn wesen eyn nature  ... des vermac der vater niht iemans persone ze sin dan sin selbes er gebar ein ander persone uz siner persone niht uz dem wesen mer mit dem wesen in daz wesen daz der vater den sun bern mac mit aller volkomener selden glich im selber volkomener got als er selber got ist daz hat er an sinem natiurlichen wesen da der vater birt den sun da git er im ein ander persone dan sin selbes persone ist er git im aber niht ein ander nature noch ein ander wesen dan sin eigen wesen oder natur ist alsus ist geoffenbaret daz wesen von dem uzgange.’
[9] Vgl. Eckhart, In Ioh. n. 513 (LW III 444,6-8): ‘Sed quia »primum in unoquoque« origo est et productivum ordine quodam omnium »quae post sunt«, hinc est quod ab uno, ut unum et pater, producitur verum sive veritas proles genita a solo patre uno.’
[10] Vgl. Eckhart, In Ioh. n. 516 (LW III 446,14-5): ‘in divinis invenire patrem et filium unum in essentia, distinctos tamen eo solo quod ille gignens, iste genitus.’
[11] Vgl. dass sich nach Eckhart das göttliche Wesen selbst eingießt und dass dieses Ausgehen und Eingießen zunächst im Erkenntnisprozess geschieht, vgl. In Ioh. n. 516 (LW III 447,2-4): ‘Nihilominus ipsa essentia sive esse sub ratione sive proprietate unius et paternitatis redundat germinando, spirando, creando in omne ens, tam creatum quam increatum’, n. 517 (447,11-1): ‘esse enim sive essentia dei cum sua proprietate patris, unitate scilicet, decescendit in omnia a se quocumque modo procedentia’, n. 518 (447,12-448,1): ‘habes ordinem processus sive originis a patre procedentium tam in increatis, ubi filius a solo patre, spiritus sanctus a patre et filio, quam in creatis, ubi primo procedit ens cognitivum et ab ipso descendit ens extra in rebus naturalibus, utpote sub illo et posterius illo.’ 

Predigt T44,2 [Strauch VI 382-3]

Dominica IV post Trinitatem
‘dri gezuge sint in dem hymmel die den hymmel erluchtent’ (I Ioh. 5:7)

Inhalt und Struktur

Der Prediger beginnt, indem er den Kernvers im Mittelhochdeutschen wiedergibt (n. 1), welchem er seine trinitarische Deutung im Anschluss an den Schrifttext anfügt. Er widerspricht schließlich mit seiner Predigt in einer langen Antwort den Meistern, die die Vorstellung von der Trinität aus dem Glauben allein ableiten wollen, während Eckhart, typisch für seine Position, sie aus allen Dingen ableitbar sein lässt, indem er gewiss an Naturwissenschaften, Logik und schriftbasierte Theologie denkt (n. 2). Um dies zu beweisen, beruft er sich auf Hilarius von Poitiers, wie dieser von Augustinus in dessen De trinitate zitiert und ausgelegt wurde.
               Denn nach Augustinus verband Hilarius die Ewigkeit mit dem Vater, die Schönheit mit dem Sohn und das Lebendige mit dem heiligen Geist. Aus dieser dreifachen Benennung leitet sich die Struktur des Rests der Predigt ab (n. 3):
1) Die Ewigkeit des Vaters (n. 3)
2) Die Schönheit des Sohnes (n. 4)
3) Die Lebendigkeit des heiligen Geistes (nn. 5-6)
Die Predigt schließt mit dem wichtigen Hinweis darauf, dass die Seele diesen drei Zeugen im Himmel zugerechnet werden soll (n. 7).
Die Predigt schließt mit einem kurzen Gebet an Vater, Sohn und heiligen Geist. 
               
 

Text und Übersetzung


<:1>[186v] Sanctus Johannes sprichet das dri gezuge sint in dem hymmel die den hymmel erluchtent Der vatter und das wordt und der geyste Die drij sint das eyn got sij
<:1>Der heilige Johannes sagt,[1] dass es drei Yeugen im Himmel gibt, die den Himmel erleuchten: Der Vater und das Wort und der Geist. Diese drei sind so, dass sie ein Gott sind. 
<:2>das bewisent alle dinck Als die meytsre sprechent Aber wie drij personen in eym wesene sij das enwardt noch vonden noch verstanden also als es ist in dieseme leben Me das behalden wir mit unserme glauben
<:2>Das beweisen alle Dinge.[2] Wenn die Meister sagen: Doch wie die drei Personen in einem Wesen sind, das wurde nicht verstanden, wie es in diesem Leben sich verhält, wir lernen es vielmehr aus dem Glauben.  
<:3>Es spricht eyn groß heylige sanctus Ylarius Von den drihen person und gibbet ewigkeyt dem vatter und schonheyt dem sone unde [187r] lustigkeyt dem heiligen geyst Und warumbe aber das sij daz man ewigkeyt dem vader gipt und der sone und der heylige geist als ewigk sint als der vatter Das ist darumbe want der vader eyn ewig angehende ist des sones und des geystes und er keyn (383) begynne von yen enhait Was aber ewigkeyt sij das ist also zuversten das allewege alleyne ist und nymmer anders enwurdt von kunfftigem nach von vergangenen dingen und also ymmer alleyn ist wesende sunder alles wandel Nach dirre ewigkeyt solde sich der geyst glichen dem vadere daran das er auch alleynes beliebe und nymmer gewandelt enwurde von keynen wan[187v]delhafftigen dingen die in der zit sint Also sol der geyst sin gezuge hann an ewigkeyt ußen zit zu wesene der unwandelhafften dinge
<:3>Ein großer Heiliger, der heilige Hilarius, spricht von den drei Personen und schreibt dem Vater die Ewigkeit und dem Sohn die Schönheit und dem Heiligen Geist die Lebendigkeit zu.[3] Warum man nun aber dem Vater Ewigkeit zuschreibt, der Sohn und der Heilige Geist von gleicher Ewigkeit wie der Vater sind,  hängt daran, dass der Vater ewig der Anfang des Sohnes und des Geistes ist, und er selbst keinen Anfang durch sie hat. Was aber Ewigkeit ist, muss man als das verstehen, was immer alleine ist und niemals durch künftige oder vergangene Dinge gewandelt wird, also folglich immer allein und ohne Wandel ist. Gemäß dieser Ewigkeit soll der Geist mit dem Vater gleich sein, indem auch er allein bleibt und niemals durch irgendetwas in der Zeit Wandelbares gewandelt wird. So soll der Geist sein Zeuge haben, außerhalb der Zeit der unwandelbaren Dinge zu sein.
<:4>Das andere das Ylarius sprichet das der sone sij eyn schonheyt des vatter was ist schonheyt Die dinge die groß sint und wol gelidert sin und uberzogen sint mit guder farben Da inne hat der mensch eyn grosser hertz sprichet Basilius wande der mensch hait friheyt des hertzen Diese friheyt enmag man nyt hann dan als des mensche cleyn geachten kan alle vergenckliche dinge Daz kommet von großen hertzen Das horet auch zu schonheit das man wol gelidt sij Die sele enhait keyn gelidt want [188r] sie eyn geist ist Darumbe sind ir gliddere zunemene an den dogenden Wanne das die woil geordent sint an dem geyste so ist die sele schone. Viel lude sint die die reynigkeyt mynnent und ubent sich in hasse und sint starcke an eyner dogende unde sint krang an der andern daz enist nit eyn wolgeordent sele davon enmag sie nit schone geheyssen. Wanne aber die dogende woil geordent sint ir igliche uff yr punckte so verdribent sie alle undogende hievon ist die sele schon Zu schonheit horet auch schon farbe damyt enist es nit gnug das sich der mensch ube in allen dogenden er enube sie in der formen der [188v] mynnen die recht gestelltenisse gibt allen dogenden Das heysset dogende geubet in der mynnen das sie nit an uns geubet enwerden dann durch die luttere gottes mynne
<:4>Das Zweite, was Hilarius sagt: Dass der Sohn eine Schönheit des Vaters ist. Was ist Schönheit? Die Dinge, die groß sind, haben eine feine Gestalt und tragen gute Farben. Hierin, sagt Basilius, hat ein Mensch ein großes Herz, wenn man die Freiheit des Herzens besitzt. Diese Freiheit kann man nur haben, wenn der Mensch alle vergänglichen Dinge als etwas Geringes betrachtet. Das kommt aus einem großen Herzen. Es gehört auch zur Schönheit, dass man eine feine Gestalt besitzt. Die Seele besitzt keinen Leib, denn sie ist ein Geist. Darum sind ihre Glieder die wachsenden Tugenden. Denn wenn diese im Geist wohl geordnet sind, ist die Seele schön. Es gibt viele Menschen, die lieben Reinheit, doch üben Hass und sind stark in einer Tugend, doch schwach in einer anderen. Das ist keine wohl geordnete Seele, und hierdurch wird sie nicht schön genannt werden. Wenn jedoch die Tugenden wohl geordnet sind und eine jede an dem Punkt ist, wo sie sein soll, vertreiben sie die Untugenden und hierdurch ist die Seele schön. Auch Farbe gehört zur Schönheit. Es reicht nicht, dass ein Mensch alle Tugenden übt, man soll sie auch in Form der Liebe üben, die allen Tugenden die rechte Form verleiht. Tugenden in Liebe zu üben heißt, dass sie in uns nur geübt werden aus der reinen Liebe Gottes heraus.
<:5>Das dritte das Ylarius sprichet von dem heiligen geyst dem man die lust gibt daran auch die sele ym zu geglichet wurdt Hie von sprichet sanct Bernhardt Wanne der mensch dar zu komet das yen des lustet das wenig oder nyemant gelustet Das ist schmacheyt unde schande und verworffenheyt und das glich gutlich und frolich verdreget das ist eyn stucke der rechten lust daran die sele geglichet ist dem heyligen geyste
<:5>Das Dritte, das Hilarius sagt: Dass die Seele auch dem heiligen Geist, dem man Lust zuschreibt, gleich geworden ist. Hiervon spricht der heilige Bernhard: Wenn ein Mensch sich dafür begeistert, wofür wenige Menschen oder niemand Lust hat, nämlich beschämt, geschändet und verworfen zu werden, und erträgt dies gleichermaßen gut und freudig, das ist das ein Stück rechter Lust, womit die Seele dem heiligen Geist angeglichen wird.
<:6>Eyn andere punckte der rechten [189r] wolluste Davon auch sanct Bernhardt sprichet Das ist suyßer und eyn zeichen der rechten wollust Wanne der mensch also lebet in dieser wernlt das er stediglich zunymmet in dieser in großheyt der gnaden
<:6>Ein weiterer Punkt der rechten Lust: Auch hiervon spricht der heilige Bernhard: Das ist süßer und ein Zeichen wahrer Lust, wenn ein Mensch in dieser Welt lebt, so dass man ständig in ihr mit Blick auf die Größe der Gnade wächst.
<:7>Also gezugent diese dri in der selen an dem sie ist zugefuget den drihen gezugen die da gezuge sint in dem hymmel von den sanctus Johannes spricht
<:7>Folglich zeugen diese drei in der Seele, indem sie den drei Zeugen hinzugefügt ist, die die drei Zeugen im Himmel sind, von denen der heilige Johannes spricht.
<:8>Das wir mit yme selig sin des helff uns got der vatter und der sone und der heilige geyst Amen
<:8>Dass wir mit ihm selig sind, dazu verhelfe uns Gott, der Vater, und der Sohn und der heilige Geist.. Amen.





[1] I Ioh. 5:7: ‘Quoniam tres sunt, qui testimonium dant in caelo: Pater, Verbum, et Spiritus Sanctus: et hi tres unum sunt.’
[2] This is precisely Eckhart’s explication of the verse in In Ioh. nn. 438-41 (LW III 376,6-378,14), where he deduces the truth of the three witnesses not, as the masters here do, from belief, but from everything in the world.
[3] This is Augustine’s interpretation of Hilarius, see Aug., De trinitate VI c. 10. 11-2 (PL 42, 931): ‘11. ... Quidam cum vellet brevissime singularum in Trinitate personarum insinuare propria, aeternitas, inquit, in Patre species in imagine, usus in munere ... Hilarius enim hoc in libris suis posuit (De trin. II 1); horum verborum, id est, Patris, et imaginis, et muneris, aeternitatis, et speciei, et usus, abditam scrutatus intelligentiam quantum valeo, non eum secutum arbitror in aeternitatis vocabulo, nisi quod Pater non habet Patrem de quo sit, Filius autem de Patre est ut sit, atque ut illi coaeternus sit. Imago enim si perfecte implet illud crjus imago est, ipsa coaegatur ei, non illud imagini suae. In qua imagine speciem nominavit, credo, propter pulchritudinem, ubi jam est tanta congruentia, et prima aequalitas, et prima similitudo ... ad identidem respondens ei cujus imago est ... ac non potius ideo facta sunt vel mutabilia, quia immutabiliter ab eo sciuntur. Ille igitur ineffabilis quidam complexus Patris et imaginis non est sine perfruitione, sine charitate, sine gaudio. Illa ergo dilectio, delectatio, felicitas vel beatitudo, si tamen aliqua humana voce digne dicitur, usus ab illo appellatus est breviter, et est in Trinitate Spiritus sanctus, non genitus, sed genitoris, genitique suavitas, ingenti largitate atque ubertate perfundens omnes creaturas pro captu earum, ut ordinem suum teneant et locis suis acquiescant’; instead, Hilary only speaks of the the eternity of the Father, and calls the Son the image and the Spirit the one who fulfills a task, see Hil. Pict., De trin. II 1 (PL 10,51): ... in Patre et Filio et Spiritu Sancto, infinitas in aeterno, species in imagine, usus in munere’.

Homily T61* [Sievers 24]


Dominica XXI post Trinitatem
 ‘Daz hummelriche ist glich eim konnige etc. der sime sone ein wirtschaf machte’ (Matth. 22:2)

<:1>Daz hummelriche ist glich eim konnige etc. der sime sone ein wirtschaf machte
<:1>‘Das Himmelreich ist wie ein König etc. der seinem Sohn eine Hochzeit bereitete.’[1]
<:2>Bi disser wirtschaf ist uns bezeichent die ewige selikeit und selikeit ist froude wan sich die lude allermeist frauwen an eim dinge daz (ist) wirtschaf dor umb ist die ewige fraude und selikeit bezeichent bi der wirtschaft disse froude loufet zusammen an vier dingen daz ein ist war bekentnisse daz sich d(i)e werlichen bekennen die zusammen gehoren; daz ander ist eintreichtikeit des willen; daz dritte ist ein ordenunge daz men iglichen setze noch siner wirdikeit daz virde genuge der spise daz men iglichem gebe des sin herz geret daz sprichet unser herre selber alle dinge sin bereit heizet sie kommen zu der hochzit
<:2>Mit dieser Hochzeit wird uns die ewige Seligkeit bedeutet, und die Seligkeit ist Freude. Denn wenn Menschen von einer Sache äußerst erfreut sind, dass ist es eine Hochzeit. Folglich sind Freude und Seligkeit mit dieser Hochzeit angedeutet. Diese Freude führt zu vier Dingen: Das eine ist Erkenntnis, so dass wirklich diejenigen, die zusammengehören, sich kennen; das zweite ist die Übereinstimmung des Willens; das Dritte ist die Ordnung, so dass jede Person gemäß ihrer Ehre platziert ist;[2] die vierte ist eine ausreichende Menge an Speisen, so dass jede Person erhält, wonach ihr Herz begehrt. Dies drückt unser Herr selbst aus: ‘Alle Dinge sind bereitet’,[3] ladet sie ein, zur Hochzeit zu kommen.
<:3>god ist selber die spise da von spricht die schrift an der offenbaronge diner ere so werde ich gesadet daz ouch die stede wit si daz nimant zu spade kommen moge da von sprechen die knecht des konniges als du wilt her daz ist geschen sundern do sint noch stede daz himmelrich ist als wit daz da nimant zu spade kommen mag her envinde stede gnug des enist uf erterich nicht da begeret ein iglicher mer zu enphan dan her vortienet habe daz ist durch der eren rum unser unbescheidenheit aber in dem hummelrich engert men des nicht da wer eim menschen ein pine daz her mere enphing dan her wert ist daz ist durch die warheit der bekentenisse her eneischet ouch nimant daz von eme ist wan her rechent iclich sich sines (frundes) froude de(i)z sin selbes froude sin daz ist durch die einunge der liebe
<:3>Gott ist selber die Speise. Hiervon spricht die Schrift, dass durch ich durch die Offenbarung deiner Ehre platziert werde.[4] Dass es ausreichend Plätze gibt, so dass niemand zu spät kommt, hiervon sprechen die Knechte des Königs: Wie Du, Herr, sagtest, wurde es getan, so dass noch Plätze vorhanden sind. Das Himmelreich ist so weit, dass niemand zu spät kommen kann, da man immernoch genügend Plätze findet. Dies ist auf der Erde anders, wo jede Person mehr zu erhalten versucht als sie verdient, was aus der Hochschätzung der Ehre in unserer Unbescheidenheit resultiert. Im Himmelreich jedoch strebt man nicht danach. Dort wäre es schmerzvoll für jemanden, wenn man mehr erhielte als man wert wäre, was aus der Wahrheit der Erkenntnis herrührt. Auch greift man nicht nach dem, was einem gehört, da man davon ausgeht, dass alles, was einem erfreut, dieselbe Freude des eigenen Freundes ist aufgrund der Einheit, die die Liebe stiftet.
<:4>Zum andern male sollen wir prufen in wilcher acht die sollen sin die zu der godlichen ere sollen kommen daz erste ist daz her schone solle sin daz andere daz her edel si daz dritte daz her riche si daz wirde daz her wise si das funfte daz her starg si daz seste daz her von eim guden gemute si daz siebende daz he lange lebe und gesunt si
<:4>Zweitens, sollen wir sehen, welche Aufmerksamkeit diejenigen besitzen sollen, die zu den göttlichen Ehren gelangen sollen: Die erste ist, dass man schön sein soll; die zweite, dass man edel sein soll; die dritte, dass man reich sein soll; die vierte, dass man weise sein soll; die fünfte, dass man mächtig sein soll; die sechste, dass man von guter Gesinnung sein soll; die siebte, dass man lange leben und gesund sein soll.
<:5>alle disse sieben dinge sint vollenkommelichen an dem brudegamme unsem hern Jesu Cristo da zu jegen sal sin brud die sele ouch sieben dinge haben
<:5>All diese sieben Dinge finden sich in vollkommener Weise bei dem Bräutigamg, unserem Herrn Jesus Christus. Um dahin zu gelangen, soll auch seine Braut, die Seele, sieben Dinge besitzen.
<:6>unser herre Jesus Cristus ist also schone daz sich sonne und man an siner schon vorwundern dar zujegen sal sin brud (sin) rein an gedanken an worten und an werken an sich selben mag sie nicht klar sin sundern sie ist luter und ir luchtikeit wirt erluchtet von unsers hern klarheit also die sonne erluchtet die tufe
<:6>Unser Herr, Jesus Christus, is nämlich so schön, dass Sonne und Mond sich über die seine wundern. Hierzu soll seine Braut rein in Gedanken, Worten und Werken sein. Aus sich heraus kann sie nicht leuchten, sondern sie ist rein und ihr Glanz leuchtet auf durch den Glanz unseres Herrn, wie die Sonne die Tiefe erleuchtet.
<:7>zum andern male ist unser herre edel her hait einen vatter in dem hummelrich an mutter und uf dem erterich had her ein mutter an vatter und dor umb ist sin adel also wunderlichen daz sin ni kein mensche begrifen mochte also der prophete sprichet wer kan sin gebed wol gereden dar zujegen sal sin brud haben erwirdikeit daz sie sich zihe mit ere wirdikeit poben allez daz daz minner ist dan god daz sie god eren moge als (en) alle eren (mit) tun und laizen und lidene also god sines selbes ere suchet an alle sinen werken daz sie also godes ere suche an alle eren werken
<:7>Zweitens ist unser Herr edel. Er hat einen Vater im Himmelreich ohne Mutter und auf Erden eine Mutter ohne Vater, und darum ist sein Adel so wunderbar, dass ihn niemand je erfassen kann. Darum sagt der Prophet: Wer kann sein Gebet äußern? Hierzu soll seine Braut einen Adel haben, so dass sie sich ehrenhaft über all das hinwegzieht, was weniger als Gott ist, so dass sie Gott ehrt mit all den Ehren, indem sie handelt, sein lässt und leidet, wie Gott seine eigene Ehre in all seinen Handlungen sucht, also dass sie Gottes Ehre in all ihren Handlungen sucht.
<:8>zum dritten male ist unser herre rich als die schrift von eme sprichet daz hummel und erde ist sin und allen creaturen gibet her wesen und leben dar zujegen sal sin brud haben friheit daz sie alle eres herzen sorge sal legen an en wan daz ist groze missedruwe eines menschen der sich zu gode lezet daz her fochte daz her vorterbe daz her god nicht entruwet der also oberflozlichen milde ist und riche daz her bereider ist zu geben dan wir bereide sin zu nemen
<:8>Drittens ist unser Herr reich, wie die Schrift von ihm sagt, nämlich dass Himmel und Erde sein sind und er allen Kreaturen Sein und Leben gibt. Hierzu soll die Braut Freiheit besitzen, so dass sie all ihre Herzensanliegen in ihn legt, denn es ist ein großes Misstrauen, wenn jemand, der sich selbst auf Gott einlässt, Angst hat zu verderben, dass man Gott nicht vertraut, der so an Güte überfließend und reich ist, dass er eher bereit ist zu geben als wir bereit sind zu empfangen.
<:9>daz virde ist sin wisheit die ist so klar daz sie dorchluchtet aller herzen grund und nicht enist vor sinen ougen vorborgen dar zujegen sal sin brut alle zit und an allen steden an er zucht und an er hude (sin) wer ein man ober hundert mile und wuste wol allez daz sin frauwe tede si dorfte wol daz sie sich also hude daz sie sunder schemede dorft vor sin angesicht gen
<:9>Das vierte ist seine Weisheit. Sie ist so leuchtend dass sie durch den Grund aller Herzen scheint und nicht vor seinen Augen verborgen ist. Hierzu soll die Braut zu allen Zeiten und an allen Orten angezogen und auf der Hut sein. Wenn ein Mann mehr als hundert Meilen weg wäre und alles wüsste, was seine Frau tun würde, dann täte sie gut daran, wenn sie auf der Hut wäre, dass sie ihm unter die Augen treten könnte ohne Scham.
<:10>zum funften male ist unser herre starc wan von eme sin alle dinge und her hait auch alle werg volnbracht und alle unse sunde gebezzert und uns behudet an unser wirdikeit [selikeit ist an em] da zujegen sal sin brut groz hoffenunge haben sie ensal kein anvechtunge haben ader forchte noch krankheit allez daz sie nicht envormag daz vormag her vollenkommelichen als die schrift sprichet daz dem menschen unmogelich ist daz ist gode mogelich
<:10>Fünftes ist unser Herr mächtig, denn durch ihn sind alle Dinge, er hat alle Werke vollbracht, unsere Sünden vergeben und uns in unserem Adel geschützt. Hierauf soll seine Braut eine feste Hoffnung haben, keinen Zauder noch Angst oder Schwäche. Jegliches, dessen sie nicht vermag, vermag er vollständig, wie die Schrift sagt, dass ‘was dem Menschen unmöglich ist, das ist Gott möglich’.[5]
<:11>daz seste daz her von eim guden gemude ist dor umb heizet en die schrift ein lam an den ni flecken funden wart nikeines zornes noch raiche her ist eim iglichen herzen noch siner acht her kan einen iglichen menschen gehalden noch sinen seden dar zujegen sal sin brut sin senftmudig und geduldig daz sie allez daz virtragen kunne dorch die forchte des toides dar zujegen sal sin brut haben frilich und frolich vorziunge aller dinge die wandelthaftig sin und vorgenglich sin wan volnkommelicheit der sele lit an vier dingen
<:11>Sechstens, dass er von einer guten Gesinnung ist. Darum nennt ihn die Schrift ein ‘Lamm, an dem niemals ein Makel gefunden wurde’,[6] weder irgendein Zorn noch Rache. Er hat Ansehen für ein jegliches Herz, er kann jeden Menschen gemäß seiner Haltung stützen. Hierzu soll seine Braut sanftmütig und geduldig sein, so dass sie alles durch die Todesangst hindurch ertragen kann, hierzu soll seine Braut frei und glücklich sein, alle wechselnden und vergänglichen Dinge zu missachten, denn die Vollkommenheit der Seele hängt an vier Dingen:
<:12>daz erste daz sie nommer so libes nicht enhabe ez ensi er also lip zu lazene als zu halden dar an lit vorzigunge allerleigen wollust daz ander daz er nommer kein pine so groze zukommen enmag die god an sie geleget hait sie ensi er also lipe alle zu liden also zu vormiden dorch daz i(n)necliche widdergolt siner pine daz dritte daz godes gerechtikeit also suze si als sin barmherzikeit an er selber also (an) ander(n) lude(n) wan vil lude lieben und minnen godes recht an andern luden und anen selber ist (ez) bitter und swar unde enbekennen daz nicht daz god also volnkommen ist an siner gerechtikeit als an siner barmherzikeit dit shmecket wol der prophete da her spricht herre din orteil sin suze ober alle honing dem die orteil und gerecht unsers hern godis nicht ensmeckete(n) der enhait ouch keinen dang zu dem ungemache und zu dem widdermude wer willichen iz vorhengenisse god(es) lidet der hait vorziegen sines eigens willen zu dem virden male frauwet sich die vollenkommelich se(le) aller godes gabe also ser an andern luden als an er selber daz kommet von luter liebe und von vorzerunge eres eigen nutzes von dissen virn dingen wirt die sele alzumal getragen uz er selber und wirt bestediget in gode
<:12>Das erste, dass sie nicht länger einen solchen Körper haben soll, es sei denn sie lässt den Körper, statt an ihm festzuhalten. Dies ist alle möglichen Lüste zu missachten. Das zweite, dass niemals so viel von Gott verursachtes Leid ihn erreichen kann, dass es ihr nichts ausmachte all das zu leiden, um sie zu missachten durch die innere Vergeltung seines Schmerzes. Das dritte ist, dass Gottes Gerechtigkeit so angenehm ist wie seine Barmherzigkeit, mit ihr wie mit anderen Menschen, denn viele Menschen lieben und begehren Gottes Gerechtigkeit für andere Leute, doch sich selbst gegenüber finden sie sie bitter und hart und erkennen nicht, dass Gott in seiner Gerechtigkeit ebenso vollkommen ist wie in seiner Barmherzigkeit. Dies hat der Prophet gespürt, wenn er sagt: ‘Herr, Deine Urteile sind so süß wie Honig’.[7] Wem auch immer die Urteile und die Gerechtigkeit unseres Herren, Gott, nicht gefallen, lässt sich nicht auf Ungemach und Unpässliches ein; wer zustimmend leidet, was Gott veranlasst hat, missachtet seinen eigenen Willen. Viertens, dass die Seele sich selbst der Gaben Gottes in anderen Menschen ebenso erfreut wie in sich selbst, das kommt aus reiner Liebe und aus dem Aufgeben, die eigenen Interesse zu verfolgen. Durch diese vier Dinge wird die Seele vollkommen aus sich selbst herausgetragen und in Gott platziert.
<:13>des helf uch und mir der vatter son heiliger geist amen
<:13>Hierzu helfe Euch und mir der Vater, Sohn, der Heilige Geist. Amen.
Lo4 (139vb-141va)K2 (304v-306r), Me2 (270ra-271rb)Me5 (335rb).
5 ir luchtikeit] er luchtikeit K2, Si;




[1] Matth. 22:2: ‘Simile factum est regnum caelorum homini regi, qui fecit nuptias filio suo’.
[2] See Luke 14:8: ‘Cum invitatus fueris ad nuptias, non discumbas in primo loco, ne forte honoratior te sit invitatus ab illo’ (‘When you are invited to a wedding feast, do not take the first place, for a person more distinguished than you may have been invited by him’).
[3] Luke 14:17: ‘parata sunt omnia’.
[4] Presumably a reference to the just quoted verse from Luke 14:8.
[5] Luke 18:27: ‘Quae impossibilia sunt apud homines, possibilia sunt apud Deum’.
[6] 1Peter 1:19: ‘Quasi agni immaculati Christi, et incontaminati’; Rev. 14:5: ‘in ore eorum non est inventum mendacium: sine macula enim sunt ante thronum Dei’;
[7] Ps. 119:103: ‘Quam dulce gutturi meo eloquium tuum super mel ori meo’.


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