Caput hoc Marcion, a quo scripturae evangelicae atque apostolicae interpolatae sunt, de hac epistula penitus abstulit, et non solum hoc, sed et ab eo loco ubi scriptum est: Omne autem, quod non est ex fide, peccatum est, usque ad finem cuncta dissecuit. In aliis vero exemplaribus, id est in his, quae non sunt a Marcione temerata, hoc ipsum caput diverse positum invenimus. In nonnullis etenim codicibus post eum locum, quem supra diximus, hoc est omne autem quod non est ex fide peccatum est, statim cohaerens habetur: Ei autem, qui potens est vos confirmare. Alii vero codices in fine id, ut nunc est positum content. (Orig., Comm. in Rom. X 43,2)
(„Dieses Stück [Röm
16,25-27] hat Marcion, der die Schriften der Evangelien und der Apostel durch
Streichungen verfälscht hat, aus diesem Brief vollständig getilgt, und nicht
nur das, sondern schon von der Stelle an, wo es heißt: Alles aber, was nicht aus Glauben geschieht, ist Sünde (Röm 14,23),
hat er bis zum Ende alles gestrichen. In anderen Handschriften dagegen, das
heißt in denen, die nicht von Marcion leichtfertig behandelt wurden, finden wir
diesen Teil an verschiedener Stelle. Denn in manchen Kodizes wird nach der
Stelle, die wir oben genannt haben, das heißt nach dem Wort: Alles aber, was nicht aus Glauben geschieht,
ist Sünde (Röm 14,23), sofort angeschlossen: Dem aber, der die Macht hat, euch Kraft zu geben (Röm 16,25a).
Andere Kodizes dagegen haben diesen Teil [scil. Die Doxologie] am Ende [des
Römerbriefes], so er jetzt steht“, Übers. Heither, 280f.).
Hieraus schließt Goldmann
zunächst korrekt, dass nach Origenes – und dies stimmt mit unseren textlichen
Zeugen für den Römerbrief überein, wie man der Edition des vorkanonischen
Textes entnehmen kann – „in anderen, nicht von Marcion beeinflussten (quae non sunt a Marcione temerata) –
also ‚katholischen‘ Handschriften … sich die Doxologie an verschiedenen Stellen
[finde]: einmal nach 14,23 und einmal am Ende des Briefes.“[1] Goldmann deutet auch
scharfsinnig, dass nach Origenes „die ihm geläufige Position der Doxologie nach
den Kapiteln 15 und 16 offenbar nicht die ursprüngliche ist, sondern dass die
Doxologie eben erst jetzt am
Briefende auftaucht“ (ut nunc est positum),“[2] also ursprünglich nach
14,23 gestanden war. Goldmann erkennt auch den inneren Widerspruch des
Origenes, der einerseits das Fehlen der Kapitel 15 und 16 auf eine Tilgung
durch Markion zurückführt, andererseits von Exemplaren, also wohl Manuskripten,
spricht, in denen diese beiden Kapiteln fehlen, die er dennoch aber als von
Markion unbeschnittene bezeichnet.[3] Trotz dieser Inkonsistenz
ist unbestreitbar, dass Origenes Handschriften benennt, „in denen die Doxologie
nach 14,23 positioniert ist“, und bei denen es sich neben den markionitischen
auch „um von Marcion unbeeinflusste, also ‚katholische‘ Kodizes“ gehandelt hat.[4] Wenn Goldmann daraus aber
den Schluss zieht, „der kurze Römerbrief“ könne „nicht auf Marcion
zurückgeführt werden“ und in der Fußnote hierzu notiert, dass „sich der
Widerspruch nur dann auflösen“ würde, „wenn auch die HSS dieser Textformen
(Position der Doxologie nach 14,23) in enge Nähe zu Marcion gesetzt werden“, so
halte ich gerade diese Beobachtung für die einzig mögliche. Denn wenn Origenes
„kurze Römerbriefe“ in zwei Versionen kennt: Die von Markion um Kapitel 4,
9-11, 15-16 kastrierte, und die „katholische“, in der allerdings die Kapitel
15-16 fehlen, so spricht er doch niemals von einem kurzen katholischen Römerbrief
ohne Kapitel 4, 9-11. Gegen die Lektüre von Goldmann wird Origenes damit zu
einem Zeugen – wie Tertullian – der uns bestätigt, dass der kurze Römerbrief
(ohne Kapitel 4, 9-11, 15-16) in der Tradition ausschließlich Markion
zugeschrieben wird. Wiederum jedoch ist es das Ketzerargument, das als Ersatz
für die Tradition herhalten muss: „Dass dies [der nicht markionitische Ursprung
dieses kurzen Römerbriefs ohne Kapitel 4, 9-11, 15-16] ernsthaft in Betracht zu
ziehen ist, legt nicht zuletzt auch die überaus zahlreiche und regional weit
gestreute Bezeugung des kurzen Römerbriefes nahe. Die Spuren, die dieser sowohl
in der altlateinischen Tradition als auch im Mehrheitstext hinterlassen hat,
lassen es doch recht unplausibel erscheinen, die Textform als Resultat häretischer
Redaktionstätigkeit zu begreifen. Gamble bemerkt zu Recht, dass eine solch
weiträumige Verbreitung einer häretisch anmutenden Textform kaum vorstellbar
ist.“[5]
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